Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Neue Filme
Die im Dunkeln sieht man nicht

An die blinde Wiener Pianistin Maria Theresia Paradis erinnert der österreichische Film "Licht". "Das Leben ist ein Fest" blickt hinter die Kulissen einer glamourösen Hochzeitsfeier und das für sechs Oscars nominierte US-amerikanische Drama "Der seidene Faden" ist eine Liebesgeschichte.

Von Jörg Albrecht | 31.01.2018
    Dreharbeiten für den Film "Licht", links die Regisseurin Barbara Albert mit ihren Hauptdarstellern Maria Dragus und Devid Striesow
    Dreharbeiten für den Film "Licht", links die Regisseurin Barbara Albert mit ihren Hauptdarstellern Maria Dragus und Devid Striesow (picture-alliance / dpa / Martin Schutt)
    "Licht" von Barbara Albert
    Eine junge Frau spielt vor Publikum Klavier. Ihr Gesicht, aus dem man Schmerz und Widerwille herauslesen möchte, füllt die Leinwand. Doch die Klavierspielerin ist blind und ihre Mimik spiegelt nichts anderes als die Leidenschaft, mit der sie in die Musik eintaucht.
    Das Gesicht gehört Maria Dragus, die in Barbara Alberts Film "Licht" die 18-jährige Maria Theresia Paradis verkörpert. Obwohl als junges Mädchen erblindet, gilt Maria als musikalisches Wunderkind, das in den 1770er-Jahren von ihren Eltern in der Wiener Gesellschaft herumgereicht wird.
    "Der nicht sehen kann, der wird auch nicht gesehen. Und der nicht gesehen wird, der wird auch nicht gehört."
    Um ihr Augenlicht wiederzuerlangen, hat Maria bereits zahlreiche schmerzhafte Behandlungen über sich ergehen lassen müssen. Ohne Erfolg. Ihre letzte Hoffnung ist der von Devid Striesow gespielte Franz Anton Mesmer, dem der Ruf eines Wunderarztes vorauseilt.
    "Das ist die Farbe Weiß."
    "Das tut weh."
    "Diese Empfindungen haben eine äußerliche Ursache. Sie beginnen das Licht wahrzunehmen."
    Die Behandlung ist erfolgreich. Für Maria aber, die sich daran gewöhnt hat, blind zu sein, wird das visuelle Wahrnehmen ihrer Umwelt zur großen Irritation. Mit ihrem bis dato virtuosen Spiel scheint es - zum Entsetzen von Marias Eltern - vorbei zu sein.
    "Sie dilettiert herum. Wenn das der große Erfolg ist, dann wäre sie ja besser wieder blind."
    Wie Regiekollegin Jessica Hausner in "Amour fou" vor drei Jahren will auch Barbara Albert die mit Kostümfilmen verbundenen Klischees vermeiden. Dabei allerdings haben beide Filmemacherinnen - beabsichtigt oder unbeabsichtigt - mit ihrer spröden Handschrift den Protagonisten ihre Lebendigkeit geraubt. In einzelnen Szenen kann "Licht" zwar überzeugen - vor allem Hauptdarstellerin Maria Dragus ist stark, aber oft mangelt es dem Porträt einer vergessenen Künstlerin an dramaturgischer Verdichtung.
    "Licht": zwiespältig
    "Das Leben ist ein Fest" von Eric Toledano und Olivier Nakache
    "Höfliches Auftreten gegenüber den Gästen ist unser Aushängeschild. Wir haben heute Abend 200 Gäste, also 200 Richter. Und wir haben einen wichtigen Kunden, der darauf vertraut, dass wir ihm heute seine Traumhochzeit organisieren."
    Max, langjähriger Organisator von luxuriösen Hochzeitsfeiern, schwört noch einmal seine Mitarbeiter auf den bevorstehenden Abend ein. So die Ausgangssituation in "Das Leben ist ein Fest", dem neuen Film der "Ziemlich beste Freunde"-Regisseure Eric Toledano und Olivier Nakache.
    Wie sich schnell herausstellen wird, wäre es für Max leichter, einen Sack Flöhe zu hüten als seine Angestellten. So warten auf den Chef unter anderem eine Lebensmittelvergiftung der Musiker sowie ein lästiger Bräutigam.
    "Meine Rede wird etwas länger ausfallen. Deshalb müssen Sie den Zeitplan anpassen."
    "Das ist Ihre Rede? Sieht eher aus wie Ihre Memoiren."
    Auch aus dieser Komödie wäre vielleicht ein Fest geworden, wenn Louis de Funès noch leben würde und wenn sich die Filmemacher getraut hätten, die Handbremse zu lösen bei diesem alles in allem doch recht kontrollierten Chaos mit überschaubaren Humoreinlagen. 50 Jahre wird der Blake-Edwards-Klassiker "Der Partyschreck" in diesem Jahr alt. Von dem hätten sie sich gern eine Scheibe abschneiden dürfen.
    "Das Leben ist ein Fest": enttäuschend
    "Der seidene Faden" von Paul Thomas Anderson
    Reynolds Woodcock ist ein Mann, der sich ausschließlich über seinen Beruf, seine Kunst definiert. Woodcock arbeitet als Modeschöpfer im London der 1950er-Jahre. Der komplette Alltag ist auf seine Bedürfnisse abgestimmt. Seine Schwester hält ihm stets den Rücken frei. Eine Ehefrau hat in diesem getakteten Leben noch keinen Platz gefunden. Das aber ändert sich, als Woodcock der nicht einmal halb so alten Alma begegnet.

    "Sie haben bestimmt viele schöne Frauen um sich. Warum sind Sie nicht verheiratet?"
    "Ich mache Kleider."
    "Kann man, wenn man Kleider macht, nicht verheiratet sein?"
    "Ich bin sicher, dass ich für die Ehe nicht bestimmt bin."
    Alma wird die Herausforderung annehmen und sich dabei nicht nur auf die Rolle der Muse, Geliebten und später auch der Ehefrau reduzieren lassen. Sie will Woodcock verändern und Leben in ein erstarrtes Haus bringen. Almas Willensstärke führt zwangsläufig zu Konfrontationen, die nicht selten eine komische Note haben.

    "Ich hatte nicht um Tee gebeten."
    "Ja, ich trage ihn raus."
    "Ein bisschen zu spät, oder?"
    "Ich trage ihn schon raus."
    "Ja, aber ein bisschen zu spät, oder?"
    "Ich trage ihn ja raus."
    "Der Tee geht raus, aber die Störung bleibt hier drinnen bei mir."
    Wer wird die Kontrolle behalten, wer am Ende als Sieger hervorgehen?
    "Der seidene Faden" von Paul Thomas Anderson ist eine präzise beobachtete, grandios gespielte Beziehungsstudie, wie man sie nicht oft sieht. Die noch relativ unbekannte Luxemburgerin Vicky Krieps kann dabei mühelos mit Schauspielschwergewicht Daniel Day-Lewis mithalten. Sein Reynolds Woodcock ist ein Mann, der nie den Tod der Mutter verwunden hat. Sie war für ihn die wichtigste Bezugsperson. Eine Rolle, die jetzt seine junge Ehefrau einzunehmen versucht. Auch "Alma Mater" wäre wohl ein äußerst treffender Titel für diese ruhige und elegante Beziehungsstudie gewesen.
    "Der seidene Faden": herausragend