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Schwanger mit 49, Dauerpraktikantin mit 27 und eine Liebe, die ewig währen wird: Im Kino starten diese Woche die französische Komödie "Das unerwartete Glück der Familie Payan", das Spielfilmdebüt "Einmal bitte alles" und das romantische Drama "Die Geschichte der Liebe" nach dem gleichnamigen Roman von Nicole Krauss.

Von Jörg Albrecht | 19.07.2017
    Isi und Lotte im Bett; Szene aus "Einmal Bitte Alles"
    Isi und Lotte im Bett; Szene aus "Einmal Bitte Alles" (filmschaft maas & füllmich GmbH und cocofilms GmbH)
    "Das unerwartete Glück der Familie Payan" von Nadège Loiseau
    "Ich wusste gar nicht, dass Omas schwanger werden dürfen."
    "Tja, das wusste wohl niemand."
    Komödie oder Tragödie? Das ist hier die Frage. Eine Geschichte über eine reife Mama liefert Stoff für das eine wie das andere. Noch vor kurzem konnte man Kim Basinger im Film "Um jeden Preis" in der Rolle einer Geschäftsfrau sehen, die sich mit weit über 50 ihren Kinderwunsch erfüllen will. Der tragischen Version vom späten Mutterglück folgt nun mit "Das unerwartete Glück der Familie Payan" das komische Pendant. Karin Viard spielt die Ehefrau und Mutter zweier längst erwachsener Kinder, die mit fast 50 Jahren ungewollt schwanger wird und sich dafür entscheidet das Kind zu bekommen.
    "Hört mal!"
    "Nicht abgetrieben?"
    "Nein."
    "Du hast es nicht gemacht?"
    "Nein. Ich habe mit 15 nicht abgetrieben, also mache ich es auch nicht mit 49."
    "Ja, in deinem Bauch wohnt jetzt wieder ein kleiner Untermieter."
    Dass abgesehen von der von Karin Viard gespielten Nicole sämtliche Figuren wie Karikaturen gezeichnet sind, trübt allerdings den Spaß an dieser schrecklich netten Familie, von der jedes Mitglied sein eigenes Problem bekommt. Nicoles Tochter ist partysüchtig, ihre Mutter dement und der Ehemann ein Nichtsnutz, den seine neuen Aufgaben überfordern.
    "Du hast dich aber ganz schön verändert."
    "Na, hör mal zu, ich bin völlig erschossen. Einkaufen, das Haus, kochen, deine Mutter. Was für ein scheiß Leben!"
    "Dieses Scheißleben ist meins. Ich kenne es."
    Wie so viele französische Komödien der letzten Jahre trägt zwar auch der Film von Regisseurin Nadège Loiseau das Herz auf dem rechten Fleck, aber es fehlt ihm schlicht an der Ernsthaftigkeit, die für jede menschliche Komödie die Basis ist. So wirkt Karin Viard mit ihrem differenzierten Spiel fast wie ein Fremdkörper in diesem auf Chaos und Klamauk programmierten Film.
    "Das unerwartete Glück der Familie Payan": zwiespältig
    "Einmal bitte alles" von Helena Hufnagel
    Wie man es besser macht, zeigt "Einmal bitte alles", das Spielfilmdebüt der aus Gießen stammenden Regisseurin Helena Hufnagel. Ihre Hauptfigur heißt Isi und gehört zur Generation Praktikum.
    "Ich bin 27. Mein Gott! Drei Jahre noch – und ich bin jemand, den Leute im Grundstudium als Mensch mittleren Alters bezeichnen."
    Nach ihrem abgeschlossenen Grafikstudium hofft Isi auf einen Job als Illustratorin bei dem Buchverlag, bei dem sie schon seit Wochen Kaffee kocht und den Kopierer bedient.
    "Glauben Sie wirklich, ein Praktikum und diese zwei Zeichnungen reichen aus, um eine Illustratorin zu werden?"
    Während Isi auf der Stelle tritt, ja sogar das Gefühl hat, ihr Leben laufe gerade rückwärts, steht ihre Freundin und WG-Mitbewohnerin Lotte vor großen Veränderungen. Lotte hat plötzlich einen festen Job und einen festen Freund.
    "Mensch Isi, ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass es so schön sein kann, wenn man jeden Morgen mit einer Person aufwacht."
    "Schön, dass wenigstens einer von uns glücklich ist!"
    Madeleine Fricke, Helena Hufnagel und Sina Flammang bei der Premiere des Kinofilms "Einmal Bitte Alles" im Kino am Sendlinger Tor
    Madeleine Fricke, Helena Hufnagel und Sina Flammang bei der Premiere des Kinofilms "Einmal Bitte Alles" im Kino am Sendlinger Tor (imago/Future Image)
    "Keiner liebt mich" wäre auch ein passender Titel gewesen. Helena Hufnagel bewegt sich mit "Einmal bitte alles" auf den Spuren von Doris Dörries Tragikomödie von vor 23 Jahren. Eine Frau, die auf die 30 zugeht, fühlt sich als Verliererin ihrer Generation. An jeder Ecke wartet auf die Protagonistin eine neue kleine Katastrophe. Helena Hufnagel und ihre beiden Drehbuchautorinnen lassen die von Luise Heyer gespielte Isi in vergnügliche Situationen stolpern, ohne sie dabei der Lächerlichkeit preiszugeben. Ein gelungenes Debüt.
    "Einmal bitte alles": empfehlenswert
    "Die Geschichte der Liebe" von Radu Mihăileanu
    "Was du schreibst, sollte weder zu realistisch noch zu unglaubwürdig sein. Schreib über das, was du kennst!"
    "Aber am Besten kenne ich dich."
    Und so schreibt Léo eine Geschichte über Alma, die Liebe seines Lebens. In den Wirren des Zweiten Weltkriegs wird das junge Paar, das in einem Dorf in Polen lebt, voneinander getrennt. Als die Beiden sich nach dem Krieg in New York wiederbegegnen, ist Alma verheiratet und sie werden sich erneut aus den Augen verlieren.
    Nur einer von mehreren Erzählsträngen im Roman "Die Geschichte der Liebe" von Nicole Krauss. Eine echte Herausforderung also für Regisseur Radu Mihăileanu, dem epischen Handlungsbogen der Vorlage gerecht zu werden. Um es direkt zu sagen: Es gelingt ihm nicht.
    "Die Geschichte der Liebe! Ist das nicht verrückt? Es ist genau das Buch ..."
    " ... das Dad dir geschenkt hat zu deinem 25. Geburtstag."
    "Es hat uns inspiriert."
    "Mum, das wissen wir. Das hören wir jetzt zum tausendsten Mal. Und auch, dass der Autor die Frau, die er liebt, immer wieder als die meistgeliebte Frau der Welt bezeichnet."
    "Ja."
    Dieser Teil von "Die Geschichte der Liebe" spielt in Brooklyn im Jahr 2006. Eine Witwe und Mutter zweier Kinder hat den Auftrag erhalten, ein Buch, das sie selbst gut kennt, vom Spanischen ins Englische zu übersetzen.
    Holprig verknüpft Radu Mihăileanu mit seinen holzschnittartigen Figuren die Handlungsfäden, die sich über mehrere Jahrzehnte und Kontinente hinweg spannen. "Die Geschichte der Liebe" ist ein Film, der unter seiner Konstruktion ächzt. Von der erzählerischen Kraft, die er so rühmt, besitzt er selbst rein gar nichts.
    "Die Geschichte der Liebe": enttäuschend