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Metaphern auf unsere Zeit?

Von einem Raumschiff, das Menschen auf den Mars bringen sollte, aber nun verloren im All havariert, erzählt der Science-Fiction-Film "Aniara". Im Mittelpunkt von "Togo" stehen ein Mann und sein Schlittenhund. Und "The Banker" berichtet von einem afroamerikanischen Finanzgenie, das eine Bank kauft.

Von Hartwig Tegeler | 15.04.2020
Eine Frau läuft an einem Fluss entlang
Die Menschen verlassen die zerstörte Erde: Emelie Jonsson in "Aniara" (www.imago-images.de (Magnolia Pictures/ Courtesy Everett Collection))
Am Anfang des schwedischen Science-Fiction-Films "Aniara" ist die Erde wüst und bald wird sie leer sein, denn kein Mensch kann mehr auf ihr leben. Einige der Überlebenden treten ihre Reise zu ihrem neuen Heimatplaneten Mars an. Ihr Raumschiff hat den Namen"Aniara", das man sich vorstellen kann als riesengroßes Luxuskreuzfahrtschiff. Doch nach der Kollision mit Weltraumschrott ...
"Das bedeutet, dass wir die ´Aniara´ nun leider nicht mehr steuern können."
... wird die an sich auf drei Wochen angelegte Reise ...
"Aber bitte bewahren Sie Ruhe."
Trost in Religion oder Sex
... ewig dauern – bis Energie und die Nahrung versiegen. Und jetzt stellt sich in "Aniara" die Frage: Wie gehen die Menschen damit um, im unendlichen All, ohne Aussicht auf Rettung, dahin zu rasen. Die Regisseure Pella Kågerman und Hugo Lilja lassen sich viel Zeit zu erzählen, wie die Menschen Trost in Religion oder Sex oder pragmatischer Arbeit oder in den Träumen zu finden, die ihnen der allwissende Computer an Bord vorgaukelt. Eine Besänftigung für kurze Zeit, bis sich die Durchhalteparolen des Raumschiff-Kapitäns als hohle Luft erwiesen haben.
"Es sieht ganz so aus, als hätte er Angst vor dem All."
"Wie hoch ist die Selbstmordquote?"
"Aniara" beruht auf dem gleichnamigen Versepos des schwedischen Nobelpreisträgers Harry Martinson. 1956 entstanden hat "Aniara" in seinem dystopischen Ton nichts von seiner Schärfe und Dunkelheit verloren. Verloren in Zeit und Raum erweist sich das Leben der Menschen als verzweifelte Leere.
"Aniara" von Pella Kågerman und Hugo Lilja ist als DVD, Blu-ray und VideoOnDemand erschienen.
Die Rettung im Film "Togo" wird abhängen von Leonhard, seinem Hundegespann und dem Leithund Togo. Sie sollen das Serum aus der Stadt in das Dorf in Alaska bringen
"Es wird schlimm."
"Wie schlimm?"
"Ziemlich gewaltig, schätze ich."
Und sie müssen mitten durch diesen brutalen Schneesturm:
"Bei so einem Sturm, wie schnell kannst du hin und wieder zurückkommen?"
"Die Frage ist nicht wie schnell, sondern ob."
Ericson Cores Film "Togo" ist auf der einen Seite ein Survival-Thriller, der die gefahrvolle Reise des Hundeführers – Willem Dafoe - und seines Gespanns erzählt. Durch Schluchten, über gigantische Eisflächen, die zu brechen drohen, und über gefährliche Pässe. Sturmdurchtoste Winterbilder, die auf der anderen Seite konterkariert werden durch Rückblenden mit Sommerbildern, in denen von der Beziehung zwischen Leonhard und seinem Leithund Togo erzählt wird. Den wollte der Hundeführer zunächst gar weggeben:
"Er ist geistig minderbemittelt. Er ist zu klein, er ist zu dumm und nicht zu erziehen."
"Aber er ist schnell."
Soghafte Ausstrahlung
Und Togo hat ein Kämpfer-Herz. Er wird Leonhard das Leben retten, an der Spitze dieses Hundegespannes, das den Impfstoff in das Dorf in der Wildnis bringen wird. Dass "Togo" als Beziehungsgeschichte wunderbar funktioniert, hat vor allem mit Willem Dafoe zu tun. Seit dessen ersten großen Rollen in "Leben und Sterben in L.A." von William Friedkin – 1985 – oder in Oliver Stones "Platoon" zeigt der Schauspieler Kantigkeit in Kombination mit Zartheit und entwickelt so eine soghafte Ausstrahlung. Willem Dafoe ist dabei das beste Gegenmittel gegen den Kitsch, der natürlich wie eine Drohung über dieser typischen Disney-Mann-Hund-Liebesgeschichte schwebt. Und so retten eben Willem Dafoe und die Totalen von dieser magischen Landschaft, durch die das Hundegespann rast, Ericson Cores sehr schönen Film.
"Togo" wird auf Disney+ gestreamt.
"Hey, was machst du da oben? Spionierst du weiße Geschäftsleute aus?"
Auf den ersten Blick ist "The Banker" von George Nolfi eine Geschichte à la "vom Tellerwäscher zum Millionär". Aber dem Afroamerikaner und Finanzgenie Bernard, der als Schuhputzjunge 1939 in Texas von seinen Banker-Kunden eine Menge über das Finanzwesen mitbekommen hat, schreibt sein Vater die entscheidenden Sätze ins Stammbuch:
"Du hast die falsche Hautfarbe. Ein Schwarzer kann so kein Geld verdienen; der weiße Mann erlaubt das nicht, egal, wie gut du bist."
"The Banker" mit Anthony Mackie, Samuel L. Jackson und Nicholas Hoult in den Hauptrollen erzählt, wie Bernard Mitte er 1950er-Jahre in Los Angeles als Immobilienmakler Gebäude in weißen Stadtteilen und schließlich Bankinstitute kauft, um Kredite an Schwarze vergeben zu können. Die naheliegende Frage von Joe, Bernards Co-Investor, ...
"Und wie in Gottes Namen soll Ihnen das bitte gelingen?"
... lautet: mittels des weißen Strohmannes Matt:
"Du bist wir! Vor dem Rest der Welt!"
Schöne Geschichte über schwarze Selbstermächtigung
Bald besitzen Bernard und Joe eine Bank, aber der systemische US-Rassismus zeichnet diesem Märchen seine düster-dunkle Farbe ein. Denn die Weißen schlagen zurück, um diesem "Banker" mit der falschen Hautfarbe sein Vermögen wieder abzujagen. Mit rassistischen Gesetzen und Intrigen gelingt ihnen das auch. Doch die Klugheit, die schon der junge Schuhputzer bewies, erweist sich am Ende gewitzter als dumpfer Rassismus. George Nolfis Film wird zu einer schönen Geschichte über schwarze Selbstermächtigung.
"The Banker" ist im Stream bei AppleTV+ zu sehen.