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Rassismus und Ränkespiele

Was zählt ein schwarzes Leben? Was zählt das Leben von Kindern reicher Eltern, wenn sie die Nachfolger dieser reichen Eltern werden sollen? Was zählt ein Kind, wenn es Rädchen im Spiel der Royals ist? Das fragen die Filme „The Hate U Give",„Die Schule auf dem Zauberberg" und „Ein königlicher Tausch“.

Von Hartwig Tegeler | 27.02.2019
Amandla Stenberg als Starr Carter in "The Hate U Give".
Amandla Stenberg als Starr Carter in "The Hate U Give" (imago stock&people (Twentieth Century Fox))
Es geht um den Hass in der Gesellschaft, die Gewalt, den zum System gewordenen Rassismus, die im Filmtitel "The Hate U Give" zum Ausdruck kommem – in Anlehnung an den Tupac Shakurs Song "Thug Life", den Starr natürlich kennt. Wie ihr Vater:
"Das ist Pac Live.'The Hate U Give Little Infants…'"
"F***s Everybody. Ich weiß, wofür es steht. Was glaubst du, bedeutet es?"
"Ich denke, es geht um uns."
"Um uns?"
"Um die Schwarzen, die Armen, um alle, die ganz unten sind."
"Ganz genau."
Ein Rap-Song und ein Vater, der seiner Tochter erklärt, was Überleben für einen Afroamerikaner bedeutet. Heute! So bleut Mav schon der kleinen Starr ein, bei einer Kontrolle exakt den Anweisungen der Cops zu folgen. Nicht so gut vorbereitet ist Starrs Freund aus den Kindertagen.
"Yo, Starr, alles okay?"
"Los, Tu, was er gesagt hat. Ich meine es ernst, geh' wieder zurück."
Zwischen Angst und Revolte
Am Auto stehend vor dem Polizisten greift Khalil zu seiner Haarbürste und wird erschossen. Die Konsequenz für den Schützen: keine. Für Starr, die auf einer gehobenen Schule außerhalb ihres Viertels ist, bedeutet dieser Tod das Aufwachen. Um es weiter mit dem Tupac Shakurs Song zu sagen:
"Pac hat uns versucht klar zu machen, dass das System gegen uns ist. Warum glaubst du, dealen so viele Typen in unserer Nachbarschaft."
"Sie brauchen das Geld."
"Und richtige Jobs gibt es hier nicht. Also laufen sie in die Falle."
Der afroamerikanische Regisseur George Tillman Jr. hat mit Amandla Stenberg eine wunderbare junge Schauspielerin, die das Erwachen eines schwarzen, politischen Selbstbewusstseins eindrucksvoll spielt in der Spanne zwischen Angst und Revolte. Starr wird sich als Zeugin zur Verfügung stellen und vor den Polizeiketten mit dem Megaphon in der Hand an Khalil erinnern, an die Bedeutung eines Lebens.
"His live matter …" In der Dunkelheit rassistischer Gesellschaftsverhältnisse, die dieser Film in seiner gnadenlosen Alltäglichkeit zeigt, ist diese Figur Starr ein Hoffnungsschimmer.
"The Hate U Give" von George Tillman Jr. - herausragend
Die Todsünden im Internat, da oben in den Schweizer Bergen in der Leysin-American-School, lauten:
"Zu spät kommen. Die zweite ist Faulheit. Jetzt komme ich zu den ernsteren Dingen. Lügen und Betrügen. Finger weg von Drogen. Und um die letzte muss ich mir keine Sorgen machen: Unzucht treiben."
Und entsprechend werden die Kinder der Superreichen aus der ganzen Welt hier aufs Abitur vorbereitet. Im Mittelpunkt von Radek Wegrzyns Dokumentation steht der 17-jährige Bek, Sohn eines reichen türkischen Geschäftsmannes, der allerdings mit seinen Widerständen gegen das vom Vater verordnete Schicksal zu kämpfen hat. Entsprechend sein Notenschnitt.
"Zum jetzigen Zeitpunkt sieht es nicht so gut aus. Deine Wirtschaftskunde-Note: nicht gut."
Vollkommen gescheitert
Radek Wegrzyn hat einen Film gedreht, der an seinem hohem Anspruch, Einblick in das Leben des Nachwuchses der Reichen, ihrer Nachfolger also, zu geben, vollkommen scheitert. Nachdem neben Bek noch zwei, drei andere Internatsschüler mit kurzen nichtssagenden Statements auftauchen, sind wir wieder ganz bei Bek, bei dem man den Eindruck bekommt, dass sich der Filmemacher mit seiner Geschichte quasi gerettet hat. Denn über die Hintergründe von Schüler oder der Lehrer, die an diesem Reichen-Internat unterrichten, erfahren wir nichts. Und dass Bek am Ende durch die Prüfung fliegt, dann aber eine zweite Chance bekommt, bestätigt auch nur ein Voruteil: Dass sich nämlich das Internat vor den reichen Eltern nicht erlauben kann, deren Kinder durchfallen zu lassen bei einer Jahresgebühr von 83.000 Euro.
"Die Schule auf dem Zauberberg" von Radek Wegrzyn – ärgerlich
"Meine geliebte Tochter! Ich werdet von nun an Königin von Frankreich sein. Hier ist das Porträt von Ludwig, Eurem zukünftigen Gemahl."
Es soll ein kluger Schachzug zur Friedenssicherung und zur Stabilisierung der Macht sein. 1722, Ludwig XIV., der Sonnenkönig ist tot. Nun wollen der französische und spanische Königshof Ehen schließen. Der 11-jährige Ludwig XV. und die spanische Prinzessin, vier Jahre alt, sowie der 16-jährige spanische Thronfolger und die Tochter des französischen Regenten, sie haben zu heiraten. Die Kinder werden natürlich nicht gefragt, ob sie irgendein Interesse an diesem Spiel haben.
Opulenter Historienfilm
Marc Dugain hat mit "Ein königlicher Tausch" einen Historienfilm gedreht, der sehr opulent ausgestattet ist und ein starkes Bild des 18. Jahrhunderts entwirft, aber vor allem seziert der Filmemacher die Machtspiele des absolutistischen Systems, das hier schon vor der 1789 stattfinden Französischen Revolution in seinen Ritualen erstarrt ist und wie ausgezehrt erscheint. Eine Zeit kommt zum Ende, aber die, die alles tun, diesen Wandel aufzuhalten, sie wirken nur noch absurd. Das Spannende bei diesem Film ist allerdings, wie er die Jugendlichen beziegungsweise Kinder zeigt, die, an sich Marionetten in diesem "Spiel der Throne", als einzig menschlich wirkende wie empfindende Wesen scheinen. Ein absurder Gesellschaftszustand, den Marc Dugain eindrucksvoll in Bilder bringt.
"Ein königlicher Tausch" von Marc Dugain – empfehlenswert