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Reisen zum Ich

Das Nazi-Raubkunst-Drama "Die Frau in Gold" und die Pilgerdokumentation "Camino de Santiago" - beide Kino-Neustarts handeln vom Reisen, nicht nur räumlich gesehen. Humor- und schwungvoller ist aber die Farce "Die Mafia mordet nur im Sommer".

Von Jörg Albrecht | 03.06.2015
    Helen Mirren als Maria Altmann am Set des Films "Die Frau in Gold" in Wien.
    Helen Mirren als Maria Altmann am Set des Films "Die Frau in Gold" in Wien. (Imago / SKATA)
    Als Polizisten verkleidete Männer eröffnen das Feuer. Ein ganz normaler Tag in Palermo. Eine Fehde zwischen zwei verfeindeten Mafia-Familien. Während es im Parterre ein Blutbad gibt, wird nur ein Stockwerk höher Arturo gezeugt.
    In diesem Moment habe sich sein Lebensweg zum ersten Mal mit der Mafia gekreuzt. Lässt uns der mittlerweile erwachsene Arturo aus dem Off wissen. Regisseur Pierfrancesco Diliberto wechselt zwischen Szenen des Massakers und Tricksequenzen von der Befruchtung einer Eizelle hin und her.
    Ja, es handelt sich bei "Die Mafia mordet nur im Sommer" um eine Komödie oder besser noch um ein heiteres Drama. Regisseur Diliberto, der auch die Hauptrolle spielt, hat etwas gewagt: Er hat einen komischen Film zu Ehren der Männer gedreht, die ihren Kampf gegen die Mafia mit ihrem Leben bezahlen mussten: Männer wie Giovanni Falcone und Paolo Borsellino. Ein mutiges Konzept, das erstaunlich gut funktioniert. Arturo lässt sein eigenes Leben Revue passieren: von seiner Zeugung 1970 über die Schulzeit bis in die Gegenwart. Das Besondere: Arturo ist weder der Sohn von einem Mafiaboss noch wird er am Ende selbst ein Mafioso sein. Stattdessen ist er - von Kindesbeinen an - der Beobachter eines komplett absurden Geschehens. Das erste Wort, das er spricht, ist nicht "Mama", sondern "Mafia".
    Als Arturo Jahre später seinen Vater fragen wird, ob die Mafia gefährlich sei und sie auch ihn und seine Eltern umbringen könne, antwortet sein Vater gelassen: Er solle sich keine Gedanken machen. Jetzt sei es Winter. Die Mafia morde nur im Sommer. Daher der Filmtitel. Obwohl sein Regiedebüt an vielen Stellen holprig und unfertig wirkt, ist Diliberto eine lebhafte Farce geglückt, der erst in der zweiten Hälfte etwas die Puste ausgeht.
    "Die Mafia mordet nur im Sommer": empfehlenswert
    "Meine Tante Adele. Mein Onkel hatte Gustav Klimt beauftragt, sie zu malen." - "Wahnsinnsbild!" - "Es ist überwältigend." - "Und Sie wollen wieder mit ihr vereint sein." - "Wäre das nicht wunderbar?!"
    Wunderbar wäre es auch gewesen, wenn der nach einer wahren Geschichte entstandene Film "Die Frau in Gold" mehr als nur solides und kalkuliertes Erzählkino bieten würde. Nach George Clooneys herber Enttäuschung "Monuments Men" im letzten Jahr greift Hollywood also erneut das Thema Raubkunst auf.
    Das Gemälde, um das sich hier alles dreht, stammt aus dem Jahr 1907. Es ist das Bild Adele Bloch-Bauer I von Gustav Klimt, bekannt auch als "Goldene Adele". Nachdem es von den Nationalsozialisten geraubt wurde, ging es nach dem Zweiten Weltkrieg in den Besitz des Österreichischen Staates über. Als die in den USA lebende Maria Altmann erfährt, dass sie die rechtmäßige Erbin des Bildes ist, versucht sie mithilfe eines Anwalts, die Rückgabe der "Goldenen Adele" zu erstreiten. Dabei muss sich die gebürtige Wienerin auch der eigenen Vergangenheit stellen, denn während des Zweiten Weltkriegs war sie vor den Nazis geflohen.
    "Ich kehre an diesen Ort nicht mehr zurück. ... Weder jetzt noch in Zukunft. ... Es ist über ein halbes Jahrhundert her." - "Und das findest du lange?"
    Helen Mirren spielt Maria Altmann energisch und spitzzüngig. Es könnte keine bessere Besetzung für die Rolle geben. Und doch entfaltet die zermürbende, letztlich hochemotionale Reise, an deren Ende ein Gerichtsentscheid stehen wird, nie ihr ganzes Potenzial. Das verspielt Regisseur Simon Curtis mit seiner viel zu gradlinigen und berechnenden Inszenierung.
    "Die Frau in Gold": akzeptabel
    "Es ist halt eine Herausforderung. Das Christliche ist nicht der Mittelpunkt, sondern es ist mit dir selbst im Reinen zu sein. ... Und das sind die inneren Befriedigungen, die für mich selbst wichtig sind."
    Ein Pilger aus Deutschland über seine Motivation, zu Fuß nach Santiago de Compostela zu gehen. Einer von über 200.000 Menschen, die sich jedes Jahr auf den Jakobsweg machen. Einige von ihnen haben die Filmemacher Jonas Frei und Manuel Schweizer begleitet und nach den Beweggründen für ihre Pilgerreise gefragt. Der Erkenntniswert dieser kurzen Statements von Pilgern aus aller Welt ist überschaubar. Immer wieder hört man hier dieselben Sätze. Sätze, die vom Ausstieg aus dem Alltag und von innerer Einkehr berichten, von den Wendepunkten und der Neuausrichtung des Lebens.
    Den Camino zu laufen, sei das Beste für einen Neustart. Wie bei einem Computer. Von Zeit zu Zeit müsse man eine Pause machen, um zu fühlen, dass man immer noch am Leben ist. Die Allgemeinplätze haben die beiden Filmemacher amateurhaft mit beliebigen, oft aus der Vogelperspektive aufgenommenen Bildern vom Jakobsweg sowie erbaulichen Musiken ausgeschmückt. Überflüssiger kann eine Filmdokumentation kaum sein.
    "Camino de Santiago": enttäuschend