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Werwölfe, Krieg und Curry

Während Hollywood mit jugendlichen Vampiren und Werwölfen Kasse macht, kommt nun aus Dänemark ein ungleich düsterer Streifen in die Kinos. Außerdem erscheinen Filme über das Leben in Georgien Anfang der 90er-Jahre und einen kulinarischen Kleinkrieg in Frankreich.

Von Hartwig Tegeler | 20.08.2014
    Madame Mallory und der Duft von Curry
    Die Mutter, eine unfassbar gute Köchin - von ihr hat Sohn Hassan alles gelernt über die indische Kunst der Speisen - wurde bei Unruhen auf dem Subkontinent getötet. Nun ist die Familie, angeleitet vom schlitzohrigen Vater, in der französischen Provinz auf ein wunderschönes leerstehendes Gebäude gestoßen. Und auf Madame Mallory.
    "Ich habe Geräusche gehört. - Wir haben uns nur umgesehen. - Das hier ist Privatbesitz. - Gehört das Haus Ihnen? - Oh, nein. - Dann dürfen Sie auch nicht hier sein."
    Madame Mallory führt an dieser einsamen Landstraße ein Luxus-Restaurant, - "Der französische Präsident isst da." - und hat plötzlich direkt gegenüber die indische Konkurrenz inklusive eines begnadeten jungen Kochs. Der Streit um das beste Essen, ausgetragen im Wettstreit zwischen zwei großen Egos, - "Die ganzen Pilze sind verkauft." - entbrennt aufs Heftigste inklusive einiger Komik.
    "Madame Mallory hat am Morgen alle Pilze gekauft."
    Der indische Superstar Om Puri als indischer Patriarch und Helen Mirren als Madame Mallory stürzen sich genussvoll in diesen Culture Clash. Wobei Lasse Hallström mit "Madame Mallory" eine Art Fortsetzung von "Chocolat" gedreht hat. Da allerdings war die Sinnlichkeit der verzaubernden Schokolade fast zu schmecken. Soll heißen: Wir haben im Kino schon magischer gegessen als in "Madame Mallory und der Duft von Curry". Ich empfehle außer "Chocolat" als Nachtisch - auf YouTube ganz zu sehen - Stanley Tuccis Regiedebüt "The Big Night". Wer danach nicht Hunger hat, der hat nicht richtig hingeguckt.
    "Madame Mallory und der Duft von Curry" von Lasse Hallström - tja, empfehlenswert.
    When Animals Dream
    "Deine Mutter war hübsch. Aber die Leute hatten auch Angst vor ihr. So, wie sie auch Angst haben vor dir, Marie!"
    Aber Marie, der Teenager in "When Animals Dream", dieser zeitgemäßen dänischen Variante des Werwolf-Films, Marie hat selber Angst vor der Veränderung ihres eigenen Körpers: Auswölbungen, Haare an Stellen, die bisher nicht behaart waren und dann diese in ihr widerstreitenden Gefühle.
    "Fass mich nicht an, du sollst gehen."
    Marie lebt mit ihren Eltern in einem dänischen Fischerdorf. Die Mutter sitzt offenbar gelähmt im Rollstuhl. Ein altes, düsteres Geheimnis lastet auf dieser Familie.
    "[Dörfler:] Dr. Larsen ist verschwunden. Hast du ihn gesehen? Hast du irgendwas gehört? - [Vater:] Nein, nichts. - Was ist mit deiner Frau? - Na ja, sie sitzt hier in ihrem Stuhl."
    Es wird sich herausstellen, dass, was in Maries Mutter lauert, nur mit Spritzen in Schach gehalten wird und dass das jetzt auch in Marie erwacht.
    Der Vampir oder, wie hier in "When Animals Dream", der Werwolf, also, das Biest in der Schönen, sie bieten immer wieder wunderbare Möglichkeiten, von der Qual des sexuellen Erwachens zu erzählen wie von der Rebellion gegen die Welt der Erwachsenen. Der melancholische Ton von Jonas Alexander Arnbys "When Animals Dream" erinnert an Thomas Alfredsons wunderschönen - wenn man so will - ´vampirischen´ Parallelfilm "So finster die Nacht" von 2008. Auch da ging es um die gesellschaftliche Ausgrenzung der jugendlichen Helden, wie jetzt in Maries Geschichte. Marie ist von Anfang an eine Andere, weil in ihr eine unbändige, tödliche Kraft lauert, wie bei ihrer dauersedierten Mutter. Wenn der Vater dann sagt:
    "Wenn du so raus gehst, kann ich nichts mehr für dich tun."
    Das sagen alle Väter zu ihren Töchtern, wenn sie das Haus verlassen. Auch, wenn sie keine Werwölfe sind.
    "When Animals Dream" von Jonas Alexander Arnby - herausragend.
    Die langen hellen Tage
    Andere Länder, wahrhaftig andere Sitten. Wenn ein Mann einer Frau die Zuneigung ausdrücken will im postkommunistischen, von Gewalt und sozialer Unsicherheit zerrütteten Georgien des Jahres 1992, kann er mit einer Pistole als Geschenk schon mal Eindruck schinden.
    "Was ist denn das? - Das ist ein Geschenk für dich. - Ist die Pistole echt? - Behalte sie einfach. Kann vielleicht helfen. So kannst du dich verteidigen."
    Diese Pistole, die Natia am Anfang von "Die langen hellen Tage" geschenkt bekommt, zieht sich wie ein roter Faden durch Nana Ekvtimishvilis und Simon Groß´ wunderschöne, aber auch traurige Sommerballade. Eka und Natia, die beiden Freundinnen, kämpfen lust- und kraftvoll gegen erdrückende Verhältnisse oder auch autoritäre Lehrerinnen:
    "Das Maß ist für heute voll. Und du bekommst eine 6. - Eine 6 für das Werfen einer Tasche, ehrlich. - In der Tat, für das Werfen einer Tasche. - Ich finde, ich habe eigentlich eine bessere Note dafür verdient. - Sie können mir dann auch eine 6 geben, wenn es Sie glücklich macht. Ich gehe dann auch."
    Am Ende von "Die langen hellen Tage" werden Eka und Natia eine Entscheidung treffen müssen. Natia ist verheiratet, ihr Mann hat ihren alten Freund von ihr aus Eifersucht umgebracht. Und jetzt wird sich die Frage stellen, ob sie, Natia, die Pistole vom Anfang benutzen wird. Oder wird sie, wie ihre Freundin Eka, ein Leben jenseits der männlichen Gewalt führen, die diese Gesellschaft dominiert. Konsequent bewegt sich die Erzählung von "Die langen hellen Tage" auf diese alles entscheidende Frage zu.
    "Die langen hellen Tage" von Nana Ekvtimishvili und Simon Groß - herausragend.