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Neue Forschungsergebnisse zu Hirntumoren

Bestimmte Hirntumoren, sogenannte Meningeome, sind zwar gutartig, aber keinesfalls ungefährlich. Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Neurochirurgischen Universitätsklinik Bonn hat nun herausgefunden, dass diese Art von Tumoren erbgutbedingte Ursachen haben kann.

Von Peter Kolakowski | 16.08.2011
    "So guten Morgen, hallo, wie geht’s Ihnen denn heute? "- " Guten Morgen Herr Professor Simon, es geht mir heute schon viel besser!" - "Ja, merkt man, Sie machen auch einen viel besseren Eindruck als gestern. Wenn man in Betracht zieht, dass sie vor zwei Tagen operiert worden sind, wunderbar! Sie sind auch schon auf gewesen, gell?" - "Ja, es geht mir gut!"

    Die Patientin ist nach der Operation sichtlich erleichtert. Seit längerem schon litt sie an einem Meningeom, einer bestimmten Art von Hirntumor. Meningeome sind nach den Gliomen die häufigsten Hirntumore, die an der Neurochirurgischen Universitätsklinik in Bonn operiert werden. Der Tumor kann den Patienten gefährlich werden. Durch sein Wachstum drückt die Geschwulst auf das Gehirn, neurologische Schäden können die Folge sein. An der Bonner Klinik führen die Chirurgen rund 100 Meningeom-Eingriffe jährlich durch, erklärt der Leitende Oberarzt Professor Matthias Simon:

    "Meningeome sind relativ häufige, zumeist gutartige Hirntumoren, die von den Hirnhäuten ausgehen. Man muss sich das so vorstellen, dass der Schädel, der besteht ja außen aus Knochen, innen drin ist das Hirn, und um eine gewisse Abpufferung von Gewalteinwirkungen zu haben, in einer Flüssigkeit eingeschlossen, dem Hirnwasser und das dann wiederum ist von einer Haut umgeben, das ist die harte Hirnhaut und dann gibt’s verschiedene Schichten und von einer dieser Schichten nimmt man an, dass davon die Meningeome ausgehen.

    Im klinischen Alltag spielt eine größere Rolle, dass man am Gehirn nicht so operieren kann, wie sonst im Körper, wo man also große Sicherheitsabstände machen kann, wo man viel manipulieren kann, und man ist da gehandicapt und muss immer wieder Bereiche des Tumors oder Ansatzbereiche des Tumors zurücklassen, aus denen dann ein Nachwachsen hervorgehen kann."

    Simon ist Mitglied eines internationales Forscherteams, das die Entstehung von Hirntumoren untersucht und nach den genetischen Ursachen forscht. Die Mediziner haben im Erbgut von Patienten nun Gensequenzen entdeckt, die das Risiko beeinflussen, an einem Meningeom zu erkranken.

    "Wir haben uns mit einer ganz ähnlichen Fragestellung schon mal mit Gliomen beschäftigt. Gibt es da genetische Ursachen, kann man sich dem nähern? Man braucht große Patientenserien. Und da haben wir über die Gliome recht schön zusammengearbeitet und dann mal bei einem Kollegen in Frankreich zusammengesessen und da hab ich gesagt, Mensch, das kann man doch auch bei Meningeomen machen und so ist das Ganze ins Rollen gekommen."

    Geforscht wird an den genetischen Ursachen bei Meningeom-Patienten bereits seit circa 40 Jahren. Doch lange Zeit sind die Mediziner mit der Untersuchung der erblichen Ursachen nicht vorangekommen - obwohl die Krankheit einmal als Paradebeispiel der Tumorgenetik galt. Das internationale Forscherteam suchte nun nach häufigen Varianten im Erbgut von Patienten, die mit der Entstehung des Tumors zusammenhängen und untersuchte mehr als 270.000 Stellen im Erbgut von rund 1.633 Meningeom-Patienten auf Unterschiede zu gesunden 2.464 Probanden. Die Wissenschaftler fanden eine Region im Erbgutstrang des Chromosoms 10, die bei Meningeom-Patienten besonders häufig verändert war. Allerdings:

    "Da kommt einer und dann will er einen Test machen und eine Risikoabschätzung. Das wird wahrscheinlich ziemlich schwer sein, denn das Risiko, was man hat, wenn man diese Variante, die wir da entdeckt haben, hat, ist im Vergleich zur Normalbevölkerung wahrscheinlich um den Faktor 1 – 1,5 erhöht. Das ist nicht viel. Das heißt für den Normalbürger ist das Haben oder Nichthaben dieser genetischen Variante wahrscheinlich komplett irrelevant. Was man weiter machen könnte, ist sich überlegen, in der Nähe dieser Variante muss irgendwo die Ursache sein. Und vielleicht findet sich auf diesem Weg dann doch etwas im Genom, wo das Risiko nicht um 1,5 erhöht ist, sondern noch viel viel mehr."

    Die Forscher gehen also davon aus, dass nicht ein einziges verändertes Gen, sondern mehrere Gene zu einem höheren Meningeom-Risiko beitragen. Mit weiteren Forschungen wollen die Wissenschaftler nun herausfinden, wo genau das verdächtige Gen in den Stoffwechsel der Patienten eingreift. Die Erkenntnisse könnten dann dazu beitragen, neue Behandlungsmethoden und Medikamente gegen Meningeome zu entwickeln.