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Neue ICE-Strecke
Geringer Nutzen für das Bahnnetz?

Die neue ICE-Trasse zwischen Leipzig und Erfurt soll viele Bahnreisen schneller machen - so soll sich beispielsweise die Reisezeit von Erfurt nach Berlin um ein Drittel verkürzen. Fahrten auf der neuen Strecke werden aber auch teurer werden. Das ist aber nur ein Punkt, der Kritiker des Großprojekts stört.

Von Philip Banse | 09.12.2015
    Zwei ICE fahren am zur Streckeneinweihung über die Unstruttalbrücke bei Karsdorf in Sachsen-Anhalt. Mit der Fahrt von Erfurt nach Leipzig wurde die 123 Kilometer lange und 2,8 Milliarden Euro teure ICE-Neubaustrecke Erfurt-Leipzig/Halle eingeweiht.
    Zwei ICE fahren auf der Neubaustrecke Erfurt-Leipzig. (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
    Die Vorteile der 123 Kilometer langen, komplett neu gebauten Bahnstrecke sind auch bei Kritikern unbestritten: Zwischen Leipzig und Erfurt können ICEs jetzt 300 Stundenkilometer schnell fahren. Von Frankfurt nach Dresden geht's dann eine Stunde schneller, auch von Erfurt nach Berlin verkürzt sich die Reisezeit um ein Drittel. Knapp zehn Milliarden Euro lassen sich das Steuerzahler und Bahn kosten. Bahn-Sprecher Achim Stauß: "Das ist gut angelegtes Geld, denn wir können die Fahrzeiten sehr, sehr deutlich senken. Und kürzere Fahrzeiten bedeuten mehr Verkehr auf der Schiene - spätestens, wenn wir von München nach Berlin weniger als vier Stunden fährt."
    Die Schnellstrecke sei ein viel zu teures Prestigeprojekt, klagt dagegen die Sprecherin des Verkehrsclub Deutschlands: "Wir haben sicherlich nach 20 Jahren einen Zeitgewinn auf der Strecke von Berlin nach München und auch nach Frankfurt am Main, aber das ist ein viel zu geringer Nutzen für das gesamte Bahnnetz." Es wäre besser gewesen, mehr Knotenpunkte auszubauen, das Schienennetz in der Fläche zu verbessern und einen besser abgestimmten Fahrplan zu erstellen, der Umsteigezeiten minimiert: "Dann ist das einfach für das Gesamtnetz, für die Fahrgäste ein größerer Effekt."
    ProBahn: Passagiere aus östlich gelegenen Städten müssen umsteigen
    Bahn-Sprecher Stauß entgegnet: "Das eine schließt das andere ja nicht aus. Wir brauchen natürlich großflächig im Netz noch Beschleunigungen. Aber diese Neubaustrecke bringt ja auch dem Nahverkehrskunden Vorteile, denn durch den neuen, zentralen Knoten in Erfurt haben auch Kunden im Nahverkehr sehr viel bessere Anschlüsse und am Ende in der Summe natürlich auch kürzere Fahrzeiten."
    Daran hat der Fahrgastverband ProBahn ernsthafte Zweifel. ProBahn-Präsident Karl-Peter Naumann kritisiert, die Neubaustrecke verlaufe zu weit westlich, zwinge Passagiere aus östlicher gelegenen Städten wie Weimar, Gera, Jena und Chemnitz zum Umsteigen: "Dass richtig eine ganze Reihe von Städten jetzt deutlich langsamer wird, weil sie einen Umweg fahren müssen, das ist einfach vom Konzept her schlecht."
    Und natürlich ist da der Preis. Die Bahn verzichtet zum Fahrplanwechsel jetzt auf Preiserhöhungen – nur die Schnellstrecken wie die jetzt eröffnete werden teurer: "Ich denke, das ist auch angemessen. Wenn man bedenkt, dass man von Berlin nach Erfurt nur noch 1 Stunde 50 Minuten fährt und 50 Minuten spart, dann ist es glaube ich klar, dass eine solche Fahrkarte etwas mehr kosten muss."
    Die wenigsten zahlen den vollen Preis
    "Aus Sicht des VCD ist es nicht gerechtfertigt, beziehungsweise die Deutsche Bahn muss darauf Acht geben, dass es auch alternative Streckenangebote gibt, damit Menschen, die etwas preissensibler sind, auch Angebote bekommen." Der Bahn-Sprecher entgegnet: "Wir haben viele Preisermäßigungen. Die wenigsten Kunden zahlen ja den vollen Preis. Die meisten fahren mit Bahncard, wir haben Sparpreise. Und bei dem dichten Zugangebot auf der Strecke wird es auch genug Schnäppchen für unsere Kunden geben."
    Sparpreise, Sonderangebote – das sei der falsche Weg, kritisiert der Verkehrsclub Deutschland. Zwar könne man trotz innerdeutscher Kampfpreise der Billigfluglinien mit der Bahn immer noch günstiger ans Ziel kommen. Dafür müsse man aber sehr früh buchen, in der Regel unter der Woche fahren und auch noch ein bisschen Glück haben.