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Neue Partei für konservative Wutbürger

Die neu gegründete Partei "Alternative für Deutschland" ist gegen den Euro, gegen raffgierige Banken und gegen Hedgefonds. 3000 Parteimitglieder soll es bereits geben. Doch wichtiger für den Erfolg ist erstmal etwas anderes: Spenden.

Von Michael Braun | 14.03.2013
    Es ist kurz vor 19.30 Uhr, drinnen sind die Stühle gestellt, die Mikrofone gerichtet, alles fertig. Einer schließt die Türen auf, dahinter warten die erhofften Massen. In der Stadthalle von Oberursel, wo sonst die Brunnenkönigin gekürt wird oder das örtliche Gymnasium seine Abiturienten feiert, feiern an diesem Abend konservative Wutbürger eine neue Partei.
    "Das ist jetzt der Wutbürger hier."

    Die Menschen strömen in den Saal, sie sind meist 55 plus, eher leger gekleidet, sie kommen, wie die spätere Diskussion zeigen wird, aus Franken, dem Bergischen Land, aus Bonn, Göttingen und ganz überwiegend aus dem Rhein-Main-Gebiet, von Beruf Rechtsanwalt, Lehrer, Übersetzerin, eher Bildungsbürger also. Sie erzählen gern, warum sie hier sind, was sie hören wollen:
    "Weil ich etwa seit dem Jahr 2000 darauf hoffe, dass es eine neue Partei gibt und damit eine neue Stimme gegen die etablierten Parteien. Was ich da erlebe, das setzte ich gleich mit der Gleichschaltung der Parteien im Hitlerreich."

    "Die Politik der CDU - sie ist nicht mehr meine Partei. Ich bin seit 40 Jahren in der CDU."

    "Ich bin jetzt politisch etwas interessierter als der Durchschnitt vielleicht. Ich bin Politologin und bei mir persönlich war es einfach so, als dieser ESM durch den Deutschen Bundestag ging, hatte ich das Gefühl: Das ist nicht mehr mein Land. Muss ich jetzt auswandern oder mache ich jetzt selber was politisch? Und ich habe mich dann für Letzteres entschieden."

    Kurz vor Beginn der Veranstaltung müssen Arbeiter noch die linke Seitenwand wegschieben, den Saal um ein Drittel vergrößern. Der Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Professor Bernd Lucke, Gründer und programmatischer Kopf der "Alternative für Deutschland", gibt sich erfreut und gelassen:
    "Aufgeregt bin ich nicht. Aber ich freue mich natürlich, dass wir einen solch riesigen Zuspruch hier nachweisen können. Und ich bin gespannt, wie die Reaktion des Publikums auf diese Veranstaltung sein wird."

    Wenig später stellt sich Konrad Adam ans Rednerpult, einer der Sprecher der "Alternative für Deutschland". Graue Hose, graues Jackett, graues Haar. Als ehemaliger "FAZ"-Redakteur wird er in der Einladung genannt. Obwohl ihm die "FAZ.", zumindest das Feuilleton, doch nicht konservativ genug war und er deshalb zur "Welt" gewechselt war.

    "Wir sind jetzt mindestens 1.200 Leute hier im Saal versammelt. Ein gewaltiger Erfolg."

    Der spontane Applaus, das wird so bleiben, während der Reden, während der Diskussion mit dem Podium. Bernd Lucke macht den Anfang. Die Augen des Enddreißigers strahlen, zu seinem dunkeln Anzug trägt er weißes Hemd und eine stark gemusterte, aber schwarzgrundige Krawatte. Der Mann mit dem kurzen Haarschnitt spricht frei:
    "Meine Damen und Herren, wir haben eine Regierung, die sich an Recht und Gesetz nicht gehalten hat, die einen eklatanten Wortbruch gegenüber allen Versprechungen, die uns als der deutschen Bevölkerung gemacht worden sind über die Nicht-Haftung für die Schulden anderer Staaten. Dieses sogenannte No-bail-out-Prinzip ... ."

    Im Publikum nicken viele während der Reden zustimmend, einer lässt seine Videokamera mitlaufen, immer kommt spontaner Beifall auf. Auch als der alte Kämpe der Eurogegner auftritt: Joachim Starbatty, der emeritierte Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Tübingen, der einige Klagen gegen den Euro vor das Verfassungsgericht gebracht hat. Starbatty erzählt über die Nacht, in der der erste Rettungsschirm für Griechenland entstand. Und über den Morgen danach:
    "Dann hat noch der schwedische Außenminister – die hatten ja damals gerade die Präsidentschaft – gesagt: Wenn man das nicht gemacht hätte, dann wären die Hedgefonds wie Wölfe über den Euro hergefallen, hätten ihn niedergerissen und hätten ihn totgetrampelt. Ich frage mich: Wem hätte das wehgetan?"

    Die "Alternative für Deutschland" ist gegen den Euro, gegen raffgierige Banken und gegen Hedgefonds – das zieht auch die Anhänger der Occupuy-Bewegung an. Mindestens einer von ihnen sitzt im Saal. Auch soll ein Vorstandsmitglied des bayerischen NPD-Landesverbandes da gewesen sein. Applaus von falscher Seite will die Partei nicht, sagt sie, sondern auch den Eurogegnern eine demokratische Alternative zur rechtsradikalen Ecke geben.
    3.000 Parteimitglieder gebe es schon, berichtet Bernd Lucke. Der Ökonom weiß, dass für den Parteierfolg noch mehr nötig ist:

    "Wir brauchen wirklich Ihren Enthusiasmus und Ihre Unterstützung, Ihre Mitarbeit, Ihre Zeit und Ihr – Geld. Denn ein solcher Wahlkampf ist teuer. Und geben Sie uns bitte Ihr Geld. Bevor es in Griechenland versackt."
    Drei Millionen Euro müssten es für einen Bundestagswahlkampf schon sein, sagt Lucke noch. Dann gehen die Leute raus, vorbei an dem Stand, wo die Beitritts- und Spendenerklärungen liegen. Der sie austeilt, hat bald keine mehr. Und auch Bernd Lucke ist zufrieden mit dem Abend:

    "Ich habe den Eindruck, dass wir mit dieser Parteigründung wirklich eine Bewegung losgetreten haben, von der ich noch wenigen Wochen nicht zu hoffen geglaubt hätte, dass sie so stark sein würde, wie sie sich jetzt darstellt."

    "Dann sagen Sie mir noch einen Tipp für die Bundestagswahl."

    "Na ja, wir machen zehn Prozent, nicht wahr?"