Scherf: Schönen guten Tag.
Spengler: Frau Scherf, wir haben ja schon oft Silberstreifen der Hoffnung am nahöstlichen Horizont gesehen, die dann meist rasch erloschen sind. Wird uns das diesmal wieder so gehen.
Scherf: Das hofft natürlich niemand hier in dieser Region, allerdings sind die viereinhalb Jahre Krieg, die die Bevölkerung zu ertragen hatten, nicht zu unterschätzen, haben eine Wirkung. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Euphorie, wenn von einer euphorischen Stimmung überhaupt die Rede sein kann, heute eher auf Seite der politischen Elite, der internationalen Diplomatie sich breit macht, weil tatsächlich Scharm-el-Scheich und das Treffen dort ein Erfolg ist für die vielen Bemühungen, die in den letzten Jahren ach so oft erfolglos waren. Hier in Israel ist noch in frischer Erinnerung vor zwei Jahren das Treffen in dem gegenüberliegenden Akhabar in Jordanien, zwischen dem damaligen Premier Scharon schon und dem damals eben noch nicht Präsidenten, sondern nur Premier, Abu Mazen, also den gleichen Personen, zur Besiegelung der Roadmap. Das Treffen ist mehr oder weniger folgenlos geblieben. Im Gegenteil, danach ist die Gewalt und ist der Krieg weitergegangen, wenn nicht noch ein bisschen schlimmer als vorher. Deswegen ist hier die Euphorie bei der Bevölkerung selber sehr bedeckt.
Spengler: Also die sind des Redens müde. Die Elite, sagten Sie, ist da etwas anders gestimmt. Wie haben sich denn die Eliten beider Seiten, also sagen wir die Regierungsverantwortlichen, bewegt vor dem Treffen?
Scherf: Es gab von der israelischen Regierung die erste Geste, dass nach dem Anschlag in Karni, an den sich auch Ihre Hörer erinnern werden, im Januar an dem Grenzposten zu Gaza, bei dem sechs israelische Zivilisten ums Leben kamen und Soldaten ums Leben kamen, nach diesem Anschlag kein Vergeltungsanschlag ausgeübt wurde. Das war eine Geste, die signalisiert hat, wir wollen Abu Mazen tatsächlich, wir müssen ihm Zeit geben, überhaupt Möglichkeiten zu haben, unsere Forderungen, nämlich die nach der Reform und Konsolidierung der Sicherheitssituation, Sicherheitskräfte in Palästina und vor allem der Entwaffnung aller palästinensischen Zivilbürger und letztendlich der Garantie dafür, dass die Waffen schweigen in den palästinensischen Gebieten, dafür müssen wir ihnen Zeit geben. Und Abu Mazen hat das sehr souverän genutzt und es ist tatsächlich in den ersten zwei Monaten, in dem ersten Monat - wir sind ja erst Anfang Februar, dieses Jahres zu keinen weiteren Attentaten gekommen.
Spengler: Frau Scherf, ist das Entscheidende die Wahl Mahmud Abbas', Abu Mazens, das ist ja die selbe Person, zum Präsidenten? Ist das die entscheidende Bedingung gewesen für diesen neuen Anlauf im Friedensprozess?
Scherf: Das war eine ganz wichtige Bedingung, die natürlich ihm auch international eine große Unterstützung zusichert.
Spengler: Heißt das denn umgekehrt, dass wir im Nachhinein noch einmal auf Jassir Arafat zurückblickend sehen müssen, dass er sehr viel gebremst hat.
Scherf: Vielmehr hat sich auch die israelische Politik sehr auf ihn eingeschossen, würde ich mal so sagen, als Grund für keine Verhandlungen. Und tatsächlich hat sein Tod eine Situation hergestellt, die die israelische Regierung in Bedrängnis gebracht hat. Denn der Nicht-Partner war nicht mehr da.
Spengler: Wie entscheidend war denn da der Druck der Amerikaner oder gab es den Druck überhaupt?
Scherf: Der Druck der Amerikaner ist dort auch entscheidend gewesen und ist auch diesmal in Scharm-el-Scheich, obwohl Condoleezza Rice ja gestern aus der Region Richtung Rom wieder abgeflogen ist, ist der Druck der Amerikaner sehr, sehr wichtig. Das wird von allen Kommentatoren, auch von der Bevölkerung immer wieder gesagt, ohne die Amerikaner würde das hier nicht funktionieren. Andererseits ist mittlerweile natürlich als Faktum dazu gekommen, die Unterstützung Mubaraks, auch direkt von Scharon. Der ägyptische Präsident hat vor einem Monat, ich glaube auch nach dem Attentat in Karni offen gesagt, Scharon wäre der einzige Mann, mit dem Frieden oder irgendein Weg zum Frieden organisiert werden könnte und deswegen wäre Mubarak auch bereit, alles in seinen Diensten Mögliche zu tun, um das zu ermöglichen. Und das wiederum ist eine ganz andere Qualität, die vorher noch nicht da war.
Spengler: Wenn nicht die Zeichen trügen, können wir heute eine Art Gewaltverzicht erwarten. Angeblich ist er schon unterzeichnet, er wird dann wohl offiziell verkündet werden. Was heißt das denn, wie wichtig ist dieser Gewaltverzicht von beiden Seiten?
Scherf: Das ist von der israelischen Seite das sine qua non, ohne Gewaltverzicht geht eigentlich gar nichts. Und alles, was geht, obwohl die Waffen nicht schweigen, obwohl weiterhin Raketen in den Süden Israels oder in den Norden geschossen werden, das ist eigentlich freiwillig, das ist nicht im Plan drin. Das heißt, der Waffenstillstand, das Schweigen der Waffen ist extrem wichtig für die israelische Position. Für die palästinensische Position natürlich genauso, weil das wiederspiegeln wird, wie Abbas tatsächlich seine palästinensischen Organisationen und eben auch die, die nicht seine sind, die palästinensischen Terrorstrukturen im Griff hat und davon überzeugen kann, dass dieser Weg der militärischen Terrorisierung nicht der richtige ist.
Spengler: Hat er sie denn im Griff Ihrer Ansicht nach?
Scherf: Das hoffen wir alle. Und es ist nicht klar, ob sich das tatsächlich lange halten wird. Das wird gehofft. Heute ist in Israel eine hohe Sicherheitsstufe ausgerufen, es gibt viele Straßensperren, wahrscheinlich auch in den palästinensischen Gebieten, weil befürchtet wird von Sicherheitsquellen, dass es zu Terroranschlägen kommen wird heute, eben als Boykottzeichen des Gipfels.
Spengler: Wie könnte es nach dem zu erwartenden Gewaltverzicht dann weitergehen? Wird es dann einen Wiedereinstieg in diese ominöse Roadmap der Europäer, Amerikaner und Russen geben?
Scherf: Die israelischen Anwesenden in Scharm-el-Scheich lassen heute auch immer ganz klar keinen Zweifel daran, dieses Treffen nichts mit einer Roadmap und nichts mit einem Friedensplan zu tun hat. Dieses Treffen ist allein dem Zweck zu dienen, die Waffen ruhen zu lassen und im zweiten Schritt eventuell mit den ägyptischen, mit den jordanischen Nachbarn zu verhandeln, wie sehr deren Rolle wachsen könnte. Es ist kein Treffen, was eine langfristige Wirkung per se hat. Natürlich ist die tatsächliche Umsetzung des Gaza-Abzugsplanes ein wichtiger nächster Schritt. Und je mehr diese Umsetzung des Gaza-Abzugsplanes seitens der israelischen Regierung eine abgestimmte ist, desto besser sicherlich für wiederum einen weiteren Schritt auf einen Plan hin. Aber es sind noch ganz viele Schritte, bis man tatsächlich überhaupt mal wieder von einem Friedensplan reden kann.
Spengler: Das heißt aber, der nächste Schritt wäre dann Gaza, und dann erst könnte man vielleicht an so etwas wie Rückkehrrecht, Ende der Siedlungen im Westjordanland und so etwas denken.
Scherf: Das ist zu befürchten, dass das tatsächlich so langsam nur tröpfelt und eben nicht unterbrochen wird durch weiter ausbrechende Gewalt, denn die schwillt natürlich immer über beiden beteiligten Teilen.
Spengler: Das war Julia Scherf, Leiterin des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Tel Aviv und Kennerin des Nahen Ostens.
Spengler: Frau Scherf, wir haben ja schon oft Silberstreifen der Hoffnung am nahöstlichen Horizont gesehen, die dann meist rasch erloschen sind. Wird uns das diesmal wieder so gehen.
Scherf: Das hofft natürlich niemand hier in dieser Region, allerdings sind die viereinhalb Jahre Krieg, die die Bevölkerung zu ertragen hatten, nicht zu unterschätzen, haben eine Wirkung. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Euphorie, wenn von einer euphorischen Stimmung überhaupt die Rede sein kann, heute eher auf Seite der politischen Elite, der internationalen Diplomatie sich breit macht, weil tatsächlich Scharm-el-Scheich und das Treffen dort ein Erfolg ist für die vielen Bemühungen, die in den letzten Jahren ach so oft erfolglos waren. Hier in Israel ist noch in frischer Erinnerung vor zwei Jahren das Treffen in dem gegenüberliegenden Akhabar in Jordanien, zwischen dem damaligen Premier Scharon schon und dem damals eben noch nicht Präsidenten, sondern nur Premier, Abu Mazen, also den gleichen Personen, zur Besiegelung der Roadmap. Das Treffen ist mehr oder weniger folgenlos geblieben. Im Gegenteil, danach ist die Gewalt und ist der Krieg weitergegangen, wenn nicht noch ein bisschen schlimmer als vorher. Deswegen ist hier die Euphorie bei der Bevölkerung selber sehr bedeckt.
Spengler: Also die sind des Redens müde. Die Elite, sagten Sie, ist da etwas anders gestimmt. Wie haben sich denn die Eliten beider Seiten, also sagen wir die Regierungsverantwortlichen, bewegt vor dem Treffen?
Scherf: Es gab von der israelischen Regierung die erste Geste, dass nach dem Anschlag in Karni, an den sich auch Ihre Hörer erinnern werden, im Januar an dem Grenzposten zu Gaza, bei dem sechs israelische Zivilisten ums Leben kamen und Soldaten ums Leben kamen, nach diesem Anschlag kein Vergeltungsanschlag ausgeübt wurde. Das war eine Geste, die signalisiert hat, wir wollen Abu Mazen tatsächlich, wir müssen ihm Zeit geben, überhaupt Möglichkeiten zu haben, unsere Forderungen, nämlich die nach der Reform und Konsolidierung der Sicherheitssituation, Sicherheitskräfte in Palästina und vor allem der Entwaffnung aller palästinensischen Zivilbürger und letztendlich der Garantie dafür, dass die Waffen schweigen in den palästinensischen Gebieten, dafür müssen wir ihnen Zeit geben. Und Abu Mazen hat das sehr souverän genutzt und es ist tatsächlich in den ersten zwei Monaten, in dem ersten Monat - wir sind ja erst Anfang Februar, dieses Jahres zu keinen weiteren Attentaten gekommen.
Spengler: Frau Scherf, ist das Entscheidende die Wahl Mahmud Abbas', Abu Mazens, das ist ja die selbe Person, zum Präsidenten? Ist das die entscheidende Bedingung gewesen für diesen neuen Anlauf im Friedensprozess?
Scherf: Das war eine ganz wichtige Bedingung, die natürlich ihm auch international eine große Unterstützung zusichert.
Spengler: Heißt das denn umgekehrt, dass wir im Nachhinein noch einmal auf Jassir Arafat zurückblickend sehen müssen, dass er sehr viel gebremst hat.
Scherf: Vielmehr hat sich auch die israelische Politik sehr auf ihn eingeschossen, würde ich mal so sagen, als Grund für keine Verhandlungen. Und tatsächlich hat sein Tod eine Situation hergestellt, die die israelische Regierung in Bedrängnis gebracht hat. Denn der Nicht-Partner war nicht mehr da.
Spengler: Wie entscheidend war denn da der Druck der Amerikaner oder gab es den Druck überhaupt?
Scherf: Der Druck der Amerikaner ist dort auch entscheidend gewesen und ist auch diesmal in Scharm-el-Scheich, obwohl Condoleezza Rice ja gestern aus der Region Richtung Rom wieder abgeflogen ist, ist der Druck der Amerikaner sehr, sehr wichtig. Das wird von allen Kommentatoren, auch von der Bevölkerung immer wieder gesagt, ohne die Amerikaner würde das hier nicht funktionieren. Andererseits ist mittlerweile natürlich als Faktum dazu gekommen, die Unterstützung Mubaraks, auch direkt von Scharon. Der ägyptische Präsident hat vor einem Monat, ich glaube auch nach dem Attentat in Karni offen gesagt, Scharon wäre der einzige Mann, mit dem Frieden oder irgendein Weg zum Frieden organisiert werden könnte und deswegen wäre Mubarak auch bereit, alles in seinen Diensten Mögliche zu tun, um das zu ermöglichen. Und das wiederum ist eine ganz andere Qualität, die vorher noch nicht da war.
Spengler: Wenn nicht die Zeichen trügen, können wir heute eine Art Gewaltverzicht erwarten. Angeblich ist er schon unterzeichnet, er wird dann wohl offiziell verkündet werden. Was heißt das denn, wie wichtig ist dieser Gewaltverzicht von beiden Seiten?
Scherf: Das ist von der israelischen Seite das sine qua non, ohne Gewaltverzicht geht eigentlich gar nichts. Und alles, was geht, obwohl die Waffen nicht schweigen, obwohl weiterhin Raketen in den Süden Israels oder in den Norden geschossen werden, das ist eigentlich freiwillig, das ist nicht im Plan drin. Das heißt, der Waffenstillstand, das Schweigen der Waffen ist extrem wichtig für die israelische Position. Für die palästinensische Position natürlich genauso, weil das wiederspiegeln wird, wie Abbas tatsächlich seine palästinensischen Organisationen und eben auch die, die nicht seine sind, die palästinensischen Terrorstrukturen im Griff hat und davon überzeugen kann, dass dieser Weg der militärischen Terrorisierung nicht der richtige ist.
Spengler: Hat er sie denn im Griff Ihrer Ansicht nach?
Scherf: Das hoffen wir alle. Und es ist nicht klar, ob sich das tatsächlich lange halten wird. Das wird gehofft. Heute ist in Israel eine hohe Sicherheitsstufe ausgerufen, es gibt viele Straßensperren, wahrscheinlich auch in den palästinensischen Gebieten, weil befürchtet wird von Sicherheitsquellen, dass es zu Terroranschlägen kommen wird heute, eben als Boykottzeichen des Gipfels.
Spengler: Wie könnte es nach dem zu erwartenden Gewaltverzicht dann weitergehen? Wird es dann einen Wiedereinstieg in diese ominöse Roadmap der Europäer, Amerikaner und Russen geben?
Scherf: Die israelischen Anwesenden in Scharm-el-Scheich lassen heute auch immer ganz klar keinen Zweifel daran, dieses Treffen nichts mit einer Roadmap und nichts mit einem Friedensplan zu tun hat. Dieses Treffen ist allein dem Zweck zu dienen, die Waffen ruhen zu lassen und im zweiten Schritt eventuell mit den ägyptischen, mit den jordanischen Nachbarn zu verhandeln, wie sehr deren Rolle wachsen könnte. Es ist kein Treffen, was eine langfristige Wirkung per se hat. Natürlich ist die tatsächliche Umsetzung des Gaza-Abzugsplanes ein wichtiger nächster Schritt. Und je mehr diese Umsetzung des Gaza-Abzugsplanes seitens der israelischen Regierung eine abgestimmte ist, desto besser sicherlich für wiederum einen weiteren Schritt auf einen Plan hin. Aber es sind noch ganz viele Schritte, bis man tatsächlich überhaupt mal wieder von einem Friedensplan reden kann.
Spengler: Das heißt aber, der nächste Schritt wäre dann Gaza, und dann erst könnte man vielleicht an so etwas wie Rückkehrrecht, Ende der Siedlungen im Westjordanland und so etwas denken.
Scherf: Das ist zu befürchten, dass das tatsächlich so langsam nur tröpfelt und eben nicht unterbrochen wird durch weiter ausbrechende Gewalt, denn die schwillt natürlich immer über beiden beteiligten Teilen.
Spengler: Das war Julia Scherf, Leiterin des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Tel Aviv und Kennerin des Nahen Ostens.