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Neue Rücknahmeregelung für Pfanddosen

Zagatta: Guten Tag, Herr Resch.

Martin Zagatta | 01.10.2003
    Resch: Einen schönen guten Tag nach Köln.

    Zagatta: Herr Resch, die deutsche Umwelthilfe tritt ja vehement für das Dosenpfand ein und hat heute Vormittag auch Mitarbeiter losgeschickt, die bundesweit jetzt die Rücknahme regelrecht kontrollieren sollten. Haben Sie da schon einen ersten Überblick, funktioniert das?

    Resch: Ja, wir haben heute schon zahlreiche Meldungen zurückbekommen. Wir können sagen, zu 95 Prozent funktioniert es. Die ganzen großen Geschäfte, das deckt sich in etwas auch mit Ihrem Erfahrungen, haben sich vor Wochen darauf vorbereitet, haben entweder ganz oder überwiegend auf Mehrweg umgestellt, das freut einen Umweltverband ganz besonders. Wir haben neue Verpackungen bekommen von Coca Cola im Mehrwegbereich, die auch jetzt das Angebot einfach bunter machen. Und diejenigen, die bei Einweg geblieben sind, haben jetzt einfach eine Umstellungsphase. Sie müssen ab heute alles zurücknehmen, was an anderer Stelle gekauft wurde. Das werden allerdings faktisch nur zwei Systeme sein, die bundesweit zumindest auftreten, das ist das VfW-System mit dem Sicherheitscoupon und das P-System von Lekkerland mit einer Direktmarkierung auf der Dose.

    Zagatta: Aber ist das nicht immer noch ganz schön kompliziert?

    Resch: Es ist auf jeden Fall sehr viel einfacher. Der Handel hat nun, die großen Handelskonzerne haben sechs Monate Zeit in diesem Jahr vergehen lassen, ohne irgendeine Maßnahme zu ergreifen, ein Pfandsystem aufzubauen. Und nun hatten die entsprechenden Betreiber, die heute antreten, ganze drei Monate Zeit, ihre Systeme auf den Markt zu bringen. Da wird es sicherlich noch einige Tage dauern, bis diese rund laufen, aber unsere Tests haben heute Morgen gezeigt, dass in jedem einzelnen Fall die gegenseitige Anerkennung funktioniert. Ich habe heute auch mit beiden Geschäftsführern gesprochen und beide haben mir nochmals bestätigt, es gibt keine Schwierigkeit bei der auch Verrechnung der Pfandbeträge zwischen den Händlern.

    Zagatta: Das heißt, nachdem der Handel ja so großen Widerstand angekündigt hatte und bis zuletzt dagegen war, Sie gehen jetzt nach diesen Erfahrungen heute morgen davon aus, dass da eigentlich gar keine Strafen mehr in Betracht kommen, sondern dass der Handel sich doch damit abgefunden hat, dass das Ganze jetzt in Gang kommt, dass das Ganze läuft?

    Resch: Also, wir stellen jedenfalls fest, dass die großen Handelskonzerne so reagiert haben, dass es ganz überwiegend positiv ist, wenn ein Unternehmen sich dafür entscheidet, in diesem Bereich in Mehrweg zu gehen, haben wir nichts zu kritisieren, das freut uns erst mal. Diejenigen, die jetzt Einweg verkaufen, werden natürlich von unseren, das sind übrigens alles ehrenamtliche Tester, also ganz normale Bürger, etwas auch beobachtet, ob sie korrekt die Pfandauszahlungen auch für das andere System vornehmen. Da wird es vielleicht eine Lernkurve geben, grade bei kleinen Geschäften, und da sollte man dann auch nicht das Kinde mit dem Bade ausschütten. Wir werden einfach aufpassen, dass auch der Abverkauf von Altbeständen, der vielleicht noch ein paar Tage anhalten wird, dass der nicht ausgedehnt wird.

    Zagatta: Herr Resch, Ungemach droht dem deutschen Pfandwesen ja jetzt noch von der EU-Kommission. Die hat ihre Entscheidung heute erst einmal vertagt, hält aber an den Bedenken fest. Danach will ich Sie jetzt gleich noch fragen, aber wir lassen uns jetzt aus Brüssel vielleicht von Gerhard Irmler, unserem Korrespondenten, zuvor mal ganz schnell auf den neuesten Stand bringen.

    Irmler: Offensichtlich hat das Treffen zwischen Umweltminister Jürgen Trittin und EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein vor zwei Tagen in Brüssel doch etwas gebracht.

    Trittin: Wir haben anderthalb Stunden alle Information, die gewünscht war, gegeben, Ich glaube, wir sind da auch keine Antwort schuldig geblieben.

    Irmler: Einen Teilerfolg zumindest. Die EU-Kommission hat die Entscheidung über die Einleitung eines Verfahrens über die deutsche Dosenpfandregelung verschoben, will erst einmal drei Wochen beobachten, ob sich das Rücknahmesystem bewährt und die bis dahin gemachten Erfahrungen mit der bundesweiten Rücknahmepflicht von Dosen auswerten.

    Trittin: Es ist zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt worden, dass die Frage des Pfandes, wie wir es praktizieren, etwa nicht angemessen sei.

    Irmler: Noch sind die Bedenken der EU-Kommission nicht ausgeräumt. Die Rücknahmepraxis könnte ausländische Getränkehersteller benachteiligen. Bundesumweltminister Jürgen Trittin hatte Bolkestein in Brüssel fest zugesagt, dass ausländische Anbieter einen diskriminierungsfreien Zugang zum deutschen Markt haben werden. Im Sommer war EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein nach einer Intervention des Bundeskanzlers bei EU-Kommissionspräsident Romano
    Prodi von der Forderung abgerückt, die bis gestern geltende Übergangsregelung auszusetzen. Die Ankündigung der Kommission, ein Verfahren gegen Deutschland einzuleiten, sollte das bundesweite Rücknahmesystem ausländische Hersteller benachteiligen, führt zu Verstimmungen zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission. Zunächst einmal solle man die praktische Umsetzung abwarten, hatte es in Berlin dazu geheißen, erst danach könne man prüfen, ob die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts erfüllt sind oder nicht.

    Zagatta: Soweit also Gerhard Irmler aus Brüssel. Herr Resch, was jetzt ausländische Anbieter angeht, sehen Sie da, die deutsche Umwelthilfe, sehen Sie da noch Probleme? Glauben Sie, dass Brüssel das Dosenpfand noch stoppen kann?

    Resch: Die deutsche Umwelthilfe war mit den Verbänden der deutschen Brauereien und Getränkefachhandel letzte Woche in Brüssel. Wir haben zwei Tage Gespräche mit der Kommission geführt und haben vielleicht mit dazu beigetragen, dass die Kommission jetzt auch sieht, dass das Pfand umgekehrt sogar ausländischen Importeuren Möglichkeiten eröffnet. Aldi beispielsweise hat ein belgisches Bier neu ins Programm aufgenommen oder der Discounter Norma hat ein tschechisches Bier, übrigens in der Mehrwegflasche, im Programm stehen. Wir sehen keine Diskriminierung für ausländische Getränke und insbesondere der Mineralwasserbereich ist ein Erfolgsbeispiel. Wenn ein Land hier frühzeitig sich auf ein entsprechendes System einstellt, wird man sogar eine Markterschließung erreichen können. Wir haben keine Angst vor Brüssel. Die wesentliche Entscheidung, die getroffen wurde, war, es wird kein Eilverfahren im Vertragsverletzungsverfahren überhaupt mehr überlegt. Sollte es dennoch mal zu einem normalen gestreckten Vertragsverletzungsverfahren kommen, dann kann ich dazu nur sagen, es gibt fast keine größere Maßnahme in Europa, die nicht von einem solchen begleitet wird. Das dauert ungefähr drei bis vier Jahre und die EU-Kommission hat uns bestätigt, dass es bei diesem dann, wenn es dazu käme, auch nur darum geht, dass die Diskriminierung bei der Rückgabe und bei der Ausgestaltung ausländischer Getränke nicht erfolgt. Man hätte also drei Jahre Zeit, gegebenenfalls noch Details zu ändern. Es geht nicht um das Pfand insgesamt, dazu steht auch Bolkestein.

    Zagatta: Also, es ist heute ein guter Tag für die Dose.

    Resch: Wir sind sehr zufrieden, es ist ein guter Tag für Mehrweg.

    Zagatta: Ein guter Tag für Mehrweg. Danke schön. Das war Jürgen Resch, der Geschäftsführer der deutschen Umwelthilfe.