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Neue Technik
CO2-Recycling in der Stahlhütte

CO2 zu speichern, statt in die Atmosphäre abzugeben, das galt lange als klimafreundlich. Neue Technik macht es aber auch möglich, das Gas zu recyceln, also neue Rohstoffe daraus zu gewinnen. So wird das CO2 in den Wirtschaftskreislauf zurückgespeist.

Von Ralph Ahrens | 20.09.2018
    Das Thyssenkrupp Stahlwerk Schwelgern in Duisburg-Marxloh steht in der Dämmerung da.
    Im Duisburger Thyssenkrupp-Werk wird aus CO2 der Chemierohstoff Methanol gewonnen (picture alliance / dpa / Bernd Thissen)
    Etwa 13 Millionen Tonnen Stahl stellt ThyssenKrupp jährlich in seinem Duisburger Werk her. Doch dabei emittieren die Produktionsanlagen rund 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Dies will der Konzern ändern: Er will bei gleicher Menge Stahl klimafreundlicher werden.
    Ziel sei, erklärt Markus Oles, bei ThyssenKrupp für Innovationen zuständig, "die Kohlenstoffdioxid-Emissionen, also das CO2, was wir hier unweigerlich in der Hütte emittieren, zu nutzen und daraus chemische Produkte herzustellen und damit das CO2 zu binden in den Produkten. Und damit schaffen wir es natürlich, die Hütte ein stückweit auch emissionsärmer zu machen."
    Bisher weniger als ein Liter Alkohol am Tag
    Aktuell wird im Stahlwerk aus CO2 Methanol hergestellt. Aus diesem Alkohol können Chemiefirmen viele andere Substanzen synthetisieren. Methanol darf auch Benzin zugemischt werden. Noch ist es weniger als ein Liter Methanol täglich. "Das ist nicht viel, aber es ist ein guter Anfang an der Stelle. Und er gibt uns vor allen Dingen Sicherheit für die nächsten Schritte."
    Ende des Jahres sollen es in einer Pilotanlage bereits täglich bis zu 50 Liter Methanol sein. Das Bundesforschungsministerium fördert diesen Ansatz im "Carbon2Chem"-Projekt mit 60 Millionen Euro. Mehrere Forschungsinstitute, Chemiefirmen und ein Energiekonzern beteiligen sich.
    Produktiv mit CO2 umgehen
    Solch ein Recycling von CO2 nennen Fachleute wie Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie "Carbon Capture and Use" - kurz CCU. "Das kommt aus dem Englischen und meint im Gegensatz zur Speicherung von CO2 im Untergrund, will ich die Nutzung von CO2. Das heißt, ich muss nicht nach langzeitstabilen Speichern suchen, sondern ich versuche wirklich, produktiv das CO2 zu nutzen, also in den Wirtschaftskreislauf zurückzuspielen."
    Das Problem: Die Technik braucht viel Energie
    Der Vorteil: Recyceln Chemiefirmen den Kohlenstoff aus solchen Abgasen, um daraus etwa Kunststoffe oder auch Dünger herzustellen, brauchen sie dafür nicht wie bisher Kohlenstoff aus fossilem Erdgas oder Erdöl. Doch es gibt ein Problem: CO2 ist reaktionsträge. Um daraus Substanzen herzustellen, braucht es energiereichen Wasserstoff. Die Duisburger Hüttengase enthalten davon zu wenig. Markus Oles: "Wasserstoff ist ein Mangelprodukt. In der Tat, brauchen wir mehr Wasserstoff, um unser Hüttengas vollständig zu verwerten."
    ThyssenKrupp muss in großen Mengen zusätzlich Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff spalten. Dies benötigt viel Strom. Stammt dieser aus Kohlekraftwerken, ist die Klimabilanz der Wasserstoffproduktion und damit des "Carbon2Chem"-Projekts jedoch schlecht. Manfred Fischedick: "Denn dieses 'Carbon2Chem'-Projekt wird nur dann funktionieren, wenn hinreichend Wasserstoff verfügbar ist. Und der muss erneuerbaren Ursprungs sein, damit auch die Ökobilanz von diesen Produkten stimmt."
    Schwankungen bei Erneuerbaren sind Potenzial
    Das weiß der Stahlkonzern und setzt auf die Energiewende. Markus Oles: "Wir gehen davon aus und das ist ja auch der Trend, dass es zunehmend mehr erneuerbare Energie gibt. Das heißt, wir werden Zeiten haben, wo wir sehr, sehr viel erneuerbare Energie haben und auf der anderen Seite gar nicht den Verbrauch haben."
    An solchen Tagen will der Konzern künftig Kohlenstoff aus mehr und mehr Hüttengasen mit Öko-Strom klimaneutral recyceln. Manfred Fischedick: "Man sollte sich jetzt nicht zu viel davon erwarten. Aber vielleicht kann man einige Prozentpunkte an CO2 einsparen, sozusagen im Gesamtsystem. Aber selbst einige Prozentpunkte sind ja wichtig. Deswegen ist es wichtig, die Technologien weiterzuentwickeln und an den Markt zu führen."
    Und dies kann einen Beitrag leisten, die deutschen Klimaziele zu erreichen. Würde das Duisburger Stahlwerk bereits heute alle Kohlenstoffatome seiner Hüttengase so nutzen, würden die CO2-Emissionen Deutschlands mit einem Schlag um 2,5 Prozent sinken.