Freitag, 29. März 2024

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Neue Therapie
Mit Antikörpern Migräneattacken vorbeugen

In der EU ist ein neues Migräne-Medikament zugelassen worden. Noch in diesem Jahr soll es auf den Markt kommen. Im Dlf erläuterte der Chefarzt der Migräne- und Kopfschmerzklinik Königsstein, Dr. Charly Gaul, wie das neue Medikament wirkt und welche Vorteile es gegenüber anderen Prophylaxen hat.

Dr. Charly Gaul im Gespräch mit Martin Winkelheide | 07.08.2018
    Eine Frau fasst sich mit geschlossenen Augen an die Nase.
    Es beginnt meist mit einem Flimmern im Sichtfeld, wenig später dröhnt schon der Kopf: eine Migräneattacke. (imago stock&people)
    "Der neue Wirkstoff ist ein Antikörper", erklärte Dr. Charly Gaul. Er setzte bei einem Botenstoff an, der bei Migräneattacken freigesetzt wird: Dem Calcitonin-Gene-Related-Peptide, kurz CGRP. Dass CGRP, ein sogenanntes Neuropeptid, eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Migräne spielt, sei seit den 1990er Jahren bekannt. "Daher wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Methoden erprobt, diese CGRP zu beeinflussen." Monoklonale Antikörper seien ein Weg.
    Prophylaxe gegen chronische Migräne
    "Der Antikörper, der jetzt auf den Markt kommt, blockiert die Rezeptoren im Körper, auf denen dieses CGRP ansetzt", so Gaul. "Dann kann es seine Wirkung mit der Entstehung der Kopfschmerzattacke nicht mehr entfalten." Davon könnten vor allem Patienten mit chronischer Migräne, das heißt, mit mehr als 15 Kopfschmerztagen pro Monat, profitieren, da bei diesen der CGRP-Spiegel kontinuierlich erhöht sei. Also "auch an Tagen, an denen sie gerade keine Migräneattacken haben".
    Der CGRP-Antikörper kann jedoch nicht in Form von Tabletten eingenommen werden, sondern muss unter die Haut gespritzt werden. Ein Arztbesuch ist dazu jedoch nicht nötig. Das Medikament werde mit einem "Fertig-Pen" auf den Markt kommen, verriet Gaul: "Wo man einfach nur auf den Knopf drückt, dann wird das unter die Haut gespritzt." Da der Antikörper im Laufe der Zeit im Körper abgebaut wird, müsse alle vier Wochen wieder gespritzt werden.
    Nebenwirkungen "ganz erheblich niedriger"
    In klinischen Studien mit episodischen und chronischen Migränepatienten habe sich gezeigt, dass das neue Antikörper-Medikament "mindestens so gut ist, wie die Prophylaktika, die wir jetzt haben". "Das gilt natürlich nicht für jeden einzelnen Patienten", schränkte Gaul ein: "Manche sprechen besser, manche weniger gut darauf an."
    Gleichwohl seien die Nebenwirkungsraten bei der Antikörper-Behandlung im Vergleich mit aktuell etablierten Prophylaktika "ganz erheblich niedriger". "Wir hoffen, dass gerade Patienten, die sonst häufig über Nebenwirkungen klagen, besser zurechtkommen werden", sagte Gaul.
    Änderung der Lebensweise bleibt das Wichtigste
    Der Generalsekretär der deutschen Migräne und Kopfschmerzgesellschaft betonte aber auch, dass nichtmedikamentöse Methoden zur Migränevorbeugung, wie die Änderung der Lebenweise, Stressreduktion, Sport und genügend Schlaf die erste Wahl blieben. Patienten, die schwer betroffen seien, müssten zusätzlich zu einer medikamentöse Prophylaxe greifen. "Und da wird der Antikörper eine weitere, gut verträgliche Option darstellen", glaubt Gaul.