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Neuer Ausbildungsberuf
Der Digital-Kaufmann

Vertriebswege wie der Onlinehandel brauchen ein eigenes Berufsbild, meinen einige Unternehmen. Mit dem Handelsverband haben sie binnen drei Jahren einen neuen Ausbildungsberuf "Kaufmann/Kauffrau für E-Commerce" geschaffen. Und der wird durchaus nachgefragt.

Von Peter Hild | 18.04.2018
    Die Anzeige eines elektronischen Warenkorbs auf einem Computerbildschirm auf der Internetseite eines Onlinehändlers, aufgenommen am 10.01.2014 in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern).
    Im Online-Handel gibt es ebenso viel zu gestalten wie im stationären Einzelhandel. Mehrere Unternehmen haben deswegen die Einführung einer E-Commerce-spezifischen Ausbildung erwirkt. (picture alliance / dpa / ZB / Jens Büttner)
    Birgit Popp freut sich schon auf die neuen Azubis. Bis zu zehn junge Menschen sollen am 1. September ihre Ausbildung zum Kaufmann oder zur Kauffrau für E-Commerce bei MediamarktSaturn Deutschland beginnen, erzählt die Leiterin der Personalentwicklung. Der Handelskonzern hat das neue Berufsbild mit initiiert und betont das auch selbstbewusst:
    "Wir wollen von Anfang mit dabei sein, um den Beruf auch ein Stück weit mitzuprägen, die Inhalte mitzuprägen. Und da sind wir jetzt ehrlich gesagt auch ganz stolz drauf, dass wir das gemeinsam mit anderen Handelsunternehmen gut hingekriegt haben. Und das war ja jetzt auch ein Ausbildungsberuf, der jetzt sehr schnell dann auch umgesetzt worden ist."
    Spezifischer als klassischer Einzelhandelskaufmann
    Innerhalb von rund drei Jahren wurde der neue Ausbildungsberuf konzipiert, eine relativ kurze Zeit. Viel Überzeugungsarbeit hätten sie beim Handelsverband Deutschland nicht leisten müssen, sagt Popp, die die Wirtschaft als natürlichen Motor und Treiber für neue Berufe sieht. Die Konzerne bräuchten spezialisierte Fachkräfte, die alle Online-Bereiche und -Plattformen innovativ bespielen können - und das nicht nur mit praktischem Wissen, sondern auch theoretisch fundierten Grundlagen, wie sie der neue Ausbildungsgang vermitteln soll. Und dafür reiche der bisherige Einzelhandelskaufmann nicht mehr aus, meint Birgit Popp:
    "Das wird auch ein Berufsbild sein, das wirklich sehr komplex ist, weil von IT über Social Media über Rechtsabteilung über E-Commerce über 'Wie gestalte ich denn eigentlich einen Webshop?'. Also das sind so verschiedene und komplexe Aufgaben, ich glaube, wenn wir das jetzt einfach nur an den Einzelhandelskaufmann angedockt hätten, das hätte nicht funktioniert."
    Die bisherigen Ausbildungen enthielten zu wenig spezifische Online-Inhalte, meint auch Hendrik Schröder, Professor für Marketing und Handel an der Universität Duisburg-Essen. Die Kritik, Handel bleibt Handel, wozu dann ein neuer Ausbildungsberuf, hält er für erwartbar. Schröder sieht im Kaufmann für E-Commerce jedoch eine Chance für Unternehmen, das Profil zu schärfen - letztendlich werde sich am Markt zeigen, ob er sich bewähre.
    Henkel meldet bereits dreistellige Bewerberzahl
    Der neue Ausbildungsgang ist aber nicht nur für Handelsfirmen interessant – bei der Versicherung Provinzial Rheinland in Düsseldorf sollen im August zwei Azubis starten. Personalerin Laura Krumme über die Beweggründe:
    "Auch für uns in der Versicherungsbranche spielt das Thema E-Commerce eine zunehmend wichtige Rolle, bei uns weniger im Hinblick auf Shopsystem oder den Abschluss von Versicherungen, aber auch unsere Kunden bewegen sich zunehmend in den digitalen Kanälen. Und auch wir müssen eben da sein, wo der Kunde ist, entlang letztendlich der gesamten Wertschöpfungskette."
    Krumme hält den neuen Beruf für unverzichtbar und hofft auf neue Ideen und Ansätze, die die künftigen E-Commerce-Fachkräfte ins Unternehmen einbringen:
    "Wichtig ist, dass wir uns genauso aufstellen, dass wir so flexibel reagieren können, und so flexibel immer wieder auch moderne Initiativen auf dem Schirm haben und so aufgestellt sind, dass wir die rechtzeitig erkennen und umsetzen können, dass wir eben am Puls der Zeit bleiben."
    Obwohl der Ausbildungsgang noch in den Kinderschuhen steckt, scheint das Interesse daran unter Schulabgängern bereits groß zu sein. Der Konsumgüterkonzern Henkel berichtet von einer dreistelligen Bewerberzahl, auch er will die Wachstumsraten im Online-Bereich für sich nutzen.
    Verbandsvertreter rechnet mit zwei Jahren Anlaufzeit
    Doch es gibt auch Unternehmen, für die der Kaufmann für E-Commerce nicht zwingend relevant sein muss, meint Robert Schweizog vom Dachverband der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen. Er wägt ab:
    "Wir finden, dass dieser Beruf heute schon eine sinnvolle Ergänzung der Berufspalette ist, in Zukunft aber unverzichtbar sein wird. Das kommt daher, dass die Unternehmen sehr unterschiedlich weit darin sind, ihre Waren, ihre Angebote im Internet verfügbar zu machen. Für die einen recht deshalb noch die Abdeckung der Online-Inhalte in Berufen wie dem Kaufmann für Einzelhandel zum Beispiel, für die andern ist aber jetzt schon ein Spezialist notwendig für den Onlinehandel. Und deswegen kommt für die auch jetzt schon der Beruf wie gerufen."
    Schweizog glaubt jedoch, dass der neue Beruf ein bis zwei Jahre Anlaufzeit brauchen wird, bis er in der Wirtschaft voll angekommen und angenommen sein wird. Auf längere Sicht hoffen allerdings schon jetzt viele Unternehmen, dank des neuen Berufs in Zukunft auf der Höhe der Zeit zu sein – oder zu bleiben.