Donnerstag, 28. März 2024

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Neuer Bahn-Chef
"Einen Haufen hausgemachter Probleme"

Die Deutsche Bahn AG hat einen neuen Chef: Richard Lutz. Und auf ihn kommen viele Aufgaben zu. "Die größte Baustelle aus Konzernsicht ist sicherlich die finanzielle Instabilität", sagt Bahn-Experte Christian Böttger von der HWT Berlin im DLF. Das Unternehmen habe nicht das Geld, um Zukunftsinvestitionen anzugehen.

Christian Böttger im Gespräch Sina Fröhndrich | 22.03.2017
    An Fahrkartenautomaten versuchen Kunden Fahrkarten zu ziehen.
    Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn. (picture alliance / dpa / Roland Weihrauch)
    Sina Fröhndrich: Grube geht, Lutz kommt. Die Bahn hat einen neuen Chef: Rüdiger Lutz. Er wird in diesen Minuten in Berlin vorgestellt von Verkehrsminister Dobrindt. Er kennt die Bahn als Finanzvorstand und deswegen weiß er sicherlich auch, dass jetzt viele Aufgaben auf ihn zukommen an der Spitze der Bahn. Ein paar Eckdaten: mehr als sechs Millionen Zugreisende täglich, 33.000 Kilometer Schienennetz, 300.000 Mitarbeiter in mehreren Ländern. Ein riesiger Konzern – die Fäden im Hintergrund zieht aber der Bund.
    - Über die Aufgaben für Richard Lutz habe ich mit Christian Böttger von der HWT Berlin gesprochen. Er ist ein Kenner der Bahn. Frage an ihn: Welches ist denn die größte Baustelle der Bahn?
    Christian Böttger: Die größte Baustelle aus Konzernsicht ist sicherlich die finanzielle Instabilität des Konzerns. Der Konzern macht einen Gewinn vor Zinsen und Steuern von um die zwei Milliarden, das hat er die ganzen letzten Jahre immer gemacht. Und das reicht nicht aus, um den Konzern zu finanzieren. Wenn man dann noch das abzieht, was man an Steuern, Zinsen und Dividende zahlen muss, dann bleibt nichts über. Und man hat eigentlich nichts an Geld über, um tatsächlich die Zukunftsinvestitionen zu finanzieren, die der Konzern schultern muss. Und das ist aus meiner Sicht eigentlich das Hauptproblem.
    "Bahnferne Geschäfte machen kaum Gewinne"
    Fröhndrich: Und wie ließe sich dieses Problem ändern? Sie haben jetzt die Dividende angesprochen, der Bund, der die Bahn da im Prinzip jedes Jahr anzapft. Wäre das eine Möglichkeit, zu sagen, man privatisiert vielleicht doch die Bahn. Oder was wäre die Möglichkeit?
    Böttger: Ordnungspolitisch würde ich auch weitergehende Überlegungen für richtig halten. Das erste ist sicherlich, dass man überlegen sollte, ob es Sinn macht, dass die Bahn sehr bahnferne Geschäfte macht. Die Bahn ist Marktführer im Schiffsverkehr zwischen China und den USA, sie betreiben Busse in Serbien und in Schweden und das sind inzwischen 40 Prozent des Umsatzes, die eigentlich nichts mehr mit der Eisenbahn in Deutschland zu tun haben.
    Diese Geschäfte machen kaum Gewinne. Und von daher ist es eigentlich nicht sinnvoll, die zu betreiben. Und aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, dass man erst einmal diese Geschäfte verkauft, um damit den Konzern etwas zu stabilisieren.
    Fröhndrich: Und welches Potenzial sehen Sie im Schienen-Güterverkehr? Das ist ja auch ein Bereich, bei dem die Deutsche Bahn im internationalen Vergleich nicht wirklich führend ist.
    Böttger: Die Deutsche Bahn verzeichnet tatsächlich Marktanteilsverluste und das Ganze ist dramatisch: Zum einen für den Konzern, der damit Verluste macht, zum anderen aber natürlich auch für die Verkehrspolitik. Auf der einen Seite hat sich die Bundesregierung verpflichtet, die Emissionen zu senken.
    Und wir sehen, dass im Verkehrsbereich tatsächlich die Emissionen steigen. Und was man sehen muss ist, dass die Branche bei den heutigen Rahmenbedingungen eigentlich keine Chance hat, zu wachsen. Sie kann, wenn sie gut geführt wird, ihren Marktanteil mehr oder weniger halten, aber mehr eben auch nicht. Wir haben gerade gesehen, dass die Mautsätze für LKW gesenkt worden sind.
    "Sehr, sehr lustlos in der Verkehrspolitik"
    Fröhndrich: ..., was dann den Verkehr auf der Straße wieder vergünstigt.
    Böttger: Genau, dass mit Gigalinern oder so was die relative Wettbewerbsfähigkeit des LKW immer weiter erhöht wird. Dass es keine ernsthaften Kontrollen gibt auch der Regeleinhaltung für LKW. Das Thema Lenkzeitüberschreitung, Überschreitung der Emissionswerte, das wird im Bereich des LKW vom Verkehrsministerium eigentlich augenzwinkernd geduldet. Wenn man die Statistiken sich anguckt über die Verstoßraten, die sind atemberaubend hoch.
    Und es würde letztendlich auch eine politische Entscheidung sein, dass man sagt, wir wollen tatsächlich relativ den Güterverkehr stärken. Das ist natürlich etwas, was die DB nicht wirklich in der Hand hat. Und das ist dann nicht nur eine Aufgabe des neuen Bahnchefs, sondern auch eine Aufgabe der Politik. Man muss sehen, dass in den letzten Jahren alle großen Parteien sehr, sehr lustlos waren, eigentlich ernsthaft einen Wandel in der Verkehrspolitik zu bewirken.
    Fröhndrich: Das heißt, Herr Lutz hat dabei eigentlich gar nicht wirklich Spielraum, wenn er jetzt beispielsweise sagen würde, ich möchte den Güterverkehr gerne stärken?
    Böttger: Nein. Die Bahn hat sicherlich einen Haufen von hausgemachten Problemen. Sie ist schwach in Wachstumsmärkten, sie produziert deutlich zu teuer, sie hat massive Managementprobleme. Wir sehen ja, dass die Deutsche Bahn AG als Unternehmen Marktanteile verliert gegen private Wettbewerber im Schienen-Güterverkehr. Ein Teil ist sicherlich hausgemacht, aber wenn man wirklich mehr Verkehr auf die Schiene bringen will, dann reicht es nicht aus, dass man nur auf die DB zeigt und sagt, bringt mal eure Managementprobleme in Ordnung.
    Und wir sehen, egal wer die Regierung gestellt hat die letzten Jahre, dass es eigentlich nie wirklich eine Wende im Verkehrsbereich gegeben hat. Die überwiegende Sorge um den Autofahrer ist aus Sicht eines Politikers auch ein Stück weit logisch, weil man sagt, der Autofahrer als Wähler will das. Er möchte in Sonntagsreden irgendwelche Beteuerungen, dass alles besser wird mit der Umwelt, aber er möchte von Montag bis Freitag bitte ungestört Autofahren. Und das sind wir eben als Wähler.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.