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Neuer BER-Chef Mühlenfeld
"Der hat natürlich keinen einfachen Job"

Der neue Flughafen-Chef Karsten Mühlenfeld sei "auf jeden Fall keine schlechte Wahl", sagte Martin Delius (Piratenpartei), Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus im Deutschlandfunk. Jetzt allerdings müsse er sich beweisen - was angesichts des strukturell schwierigen Projekts nicht einfach werde.

Martin Delius im Gespräch mit Mario Dobosvisek | 21.02.2015
    Martin Delius, Piratenpartei, Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus
    Martin Delius, Piratenpartei, Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus (imago / Metodi Popow)
    Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zum Flughafenprojekt BER im Berliner Abgeordnetenhaus, Martin Delius, hat dem Management und der Flughafengesellschaft Versagen vorgeworfen.
    Das Projekt sei im Kern strukturell nicht gesteuert worden, sagte der Politiker der Piratenpartei im Deutschlandfunk. Die Verantwortlichen hätten keine notwendigen Entscheidungen getroffen, um eine rechtzeitige Behebung der Mängel in die Wege zu leiten. Die Personalquerelen stellten ein zusätzliches Problem dar, vor deren Hintergrund sich der neue Flughafen-Chef Mühlenfeld erst noch beweisen müsse.
    Der Aufsichtsrat hatte den früheren Rolls-Royce-Manager gestern gewählt. Der bisherige Flughafenmanager Hartmut Mehdorn gibt den Posten spätestens im Juni auf.

    Das Interview in voller Länge:
    Mario Dobovisek: Martin Delius von der Piratenpartei im Berliner Abgeordnetenhaus ist der Vorsitzende des BER-Untersuchungsausschusses. Guten Morgen, Herr Delius!
    Martin Delius: Guten Morgen!
    Dobovisek: Karsten Mühlenfeld soll also den Hauptstadt-Flughafen künftig leiten und bis zu seiner Eröffnung führen. Er war Manager bei Rolls Royce, wir haben es gehört. Eine gute Wahl, Herr Delius?
    Delius: Ja, das wird man sehen, also ich meine, auf jeden Fall keine schlechte Wahl. Es ist zumindest mal eine Wahl, das stand ja noch nicht fest bis gestern. Ich finde auch in Ordnung, dass sich da die Länder gegenüber dem Bund durchgesetzt haben, es muss ja nicht immer konsensual zugehen. Wir gucken, was jetzt dabei rauskommt. Er hat natürlich keinen einfachen Job.
    Dobovisek: Zwei Monate stritten die Gesellschafter über die Mehdorn-Nachfolge. Manche nennen das eine Personalposse, die nicht die erste im Aufsichtsrat war. Sind die Personalquerelen des BER sozusagen Sinnbild für den Stillstand bei Bau und Technik?
    Delius: Na ja, das ist ein Problem, das noch zusätzlich zu den technischen Problemen dazukommt. Also sowohl Management als auch das Verhalten der Gesellschaft und des Aufsichtsrates ist jetzt nicht geeignet, um Vertrauen in das Projekt zu wecken. Ich würde das auch nicht Personalposse nennen, ich würde das einen Kindergarten nennen. Das hat ja schon damit angefangen, dass der Rücktritt von Mehdorn, der angekündigte, durch die Gesellschafterquerelen forciert worden ist, durch die Gerüchte, die gestreut worden sind, und durch die Besetzungsdiskussion im Aufsichtsrat auch noch mal angefeuert worden ist. Also da haben sich die Gesellschafter nicht mit Ruhm bekleckert, und wir müssen mal gucken, ob sich das jetzt ändert.
    Die Informationspolitik muss sich ändern
    Dobovisek: Wie kann ein Manager, soll er auch noch so gut sein, sich da durchsetzen, wenn der Aufsichtsrat sich selbst über seine Position streitet?
    Delius: Ja, das ist die entscheidende Frage. Ich meine, es gab ja gestern auch noch die Entscheidung, dass die Spitzenvertreter aus Berlin, also der regierenden Bürgermeister und Frank Henkel als stellvertretender, sich aus dem Aufsichtsrat zurückziehen. Vielleicht wird es dann einfacher für Mühlenfeld, auch im Aufsichtsrat vernünftige Positionen und Sachentscheidungen zu erwirken. Das bedeutet aber auch, dass er die bisherige Informationspolitik der Geschäftsführung gegenüber dem Aufsichtsrat verändern muss, mehr Offenheit wagen muss. Dann klappt es wahrscheinlich auch besser mit dem Überzeugen der Parlamente und der entsprechenden Gesellschafter.
    Dobovisek: Immer wieder verzögerte sich die Eröffnung des BER, dann stand er endlich fest, der Eröffnungstermin, für den Sommer 2012, und wieder wurde er abgesagt, nur vier Wochen vorher. Damals ging es ja um die Entrauchungsanlage, wir erinnern uns alle. Und jetzt hören wir gerade in dem Beitrag von Vanja Budde, gerade für diejenigen, die den BER nicht täglich verfolgen: Bis Sommer diesen Jahres soll eine Planung feststehen. Zweieinhalb Jahre für eine Planung – wie klingt das für Sie?
    Delius: Ja, man hat sich ja erst vor Kurzem entschieden, was man überhaupt tun möchte, und dann muss man auch mal das Wording klarziehen: Dieser Umbau der Entrauchungsanlage kommt für weite Teile des Gebäudes einer Entkernung gleich. Es zieht sich durch mehrere Ebenen, durch fast alle Ebenen und durch den Großteil des Hauptterminals. Insofern ist schon nicht so einfach, da auch eine Planung fertigzustellen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Projekt im Moment so unattraktiv ist, dass - wie wir in den letzten Monaten gehört haben - auch Generalplanerausschreibungen nicht funktioniert haben. Es hat sich schlicht keiner beworben.
    Dobovisek: Das heißt, niemand will mitbauen, oder wie?
    Delius: Niemand möchte planen im Moment. Offensichtlich haben die Ausschreibungen nicht geklappt, da musste man sich dann auf einzelne Ausschreibungen zurückziehen. Das scheint jetzt gelöst zu sein, also kann es mit den Planungen losgehen. Dann muss es aber auch noch losgehen mit dem Bau, und das lässt auf sich warten.
    Es geht eher um ein Managementversagen
    Dobovisek: Klingt ja nicht so, als könnte der Flughafen demnächst eröffnet werden. Herbst 2017 ist im Gespräch, immerhin eine Verspätung von zehn Jahren gegenüber den ursprünglichen Plänen. Kann das gehalten werden aus Ihrer Sicht?
    Delius: Das können wir jetzt noch gar nicht beurteilen, also genauso wenig, wie es einen festen Eröffnungstermin 2017 gibt realistischerweise, können wir jetzt …
    Dobovisek: Mehdorn ist sich da ja offensichtlich sehr sicher und sagt, es ist ein sehr sicherer Termin.
    Delius: Ja, er hat ja auch keinen Termin genannt, er hat ja ein Terminband genannt, ich nenne das Termingummiband, und das spricht ja schon für sich. Auch er weiß es nicht, und wir können deswegen auch nicht 2017 kritisieren. Es ist sicherlich nicht besonders wahrscheinlich, dass alles reibungslos funktioniert bis dahin.
    Dobovisek: Wir haben über die Entrauchungsanlage gesprochen. Es gab noch viele weitere Probleme, da sind wir mittendrin in Ihrer Thematik, nämlich dem BER-Untersuchungsausschuss. Seit Oktober 2012 versuchen Sie, da Verantwortlichkeiten zu klären, sitzen auf einem Berg von Akten und Dokumenten. Wie lautet Ihr Zwischenfazit nach zwei Jahren?
    Delius: Also wenn man sich jetzt die Meldungen der letzten Tage ansieht, dann steht ja auch immer wieder Bau- und Planungsmängel als Begründung ganz lapidar in entsprechenden Agenturmeldungen. Das stimmt auf jeden Fall nicht. Man muss nach den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses eher von einem Managementversagen und von einem Strukturversagen in der Flughafengesellschaft reden, das gilt sowohl für die Geschäftsführung unter Rainer Schwarz und mit Manfred Körtgen als auch für das Krisenmanagement unter Horst Amann und Hartmut Mehdorn. Da ist strukturell ... Also im Prinzip ist das Projekt innerhalb der Flughafengesellschaft nicht gesteuert und nicht kontrolliert worden. Es gab auch keine Unternehmenskultur, die sich um Probleme gekümmert hat. Da wurden viele Problembeschreibungen beiseite gewischt, einfach mit der Begründung: Na ja, es wird sich schon von alleine lösen. Das Projekt ist so komplex, dass wir einzelne Probleme jetzt gar nicht angehen können. Das hat dazu geführt, dass keine Entscheidungen getroffen wurden, die notwendig gewesen wären, um rechtzeitig umzusteuern, um Mängel zu beheben, anstatt einfach drüberzubauen. Das ist eher der Grund für die vielen, vielen Mängel, die sich jetzt aufgehäuft haben, mit denen man umzugehen hat.
    Am Ende zahlt wohl der Steuerzahler
    Dobovisek: Strukturversagen, Managementversagen heißt auch, dass man einzelne Personen, einzige Schuldige nennen kann. Können Sie das?
    Delius: Ja. Also bisher, das ist ja auch gerade erst in der Öffentlichkeit diskutiert worden, hieß es ja immer, Rainer Schwarz hätte sich gar nicht mit dem Projekt beschäftigt als Geschäftsführer und wäre demzufolge auch nicht verantwortlich. Wir haben als Untersuchungsausschuss nachweisen können, dass er sich mit dem Projekt intensiv beschäftigt hat, dass er sogar eigene Mitarbeiter in das Projektcontrolling, das von Herrn Körtgen als Co-Geschäftsführer, reingeschickt hat. Er ist informiert gewesen, er hat Entscheidungen getroffen und er hat vor allen Dingen die maßgeblich zu Verzögerungen führenden Nutzungsänderungen entschieden und durchgedrückt. Insofern müssen wir seine Verantwortlichkeit auch in der Öffentlichkeit noch mal diskutieren.
    Dobovisek: 30 Millionen Euro kostet allein der leerstehende, brachliegende Flughafen jeden Monat. Wird das dann auch bedeuten, dass die Mehrkosten von einzelnen Personen beziehungsweise deren Versicherungen getragen werden müssen?
    Delius: Das müssen am Ende Gerichte entscheiden. Die Versicherungen, die die ehemaligen Geschäftsführer und auch jetzt sicherlich Herr Mühlenfeld haben, die sind natürlich nicht in der Summe in der Größenordnung, in der der Schaden liegt. Da kann ich jetzt auch nicht einer Entscheidung vorgreifen. Das werden wir sehen.
    Dobovisek: Also am Ende werden sozusagen die Gesellschafter haften, sprich, Berlin, Brandenburg, der Bund - also die Steuerzahler?
    Delius: Das ist, wie bei so vielen großen öffentlichen Vorhaben, sicherlich der Fall leider.
    Dobovisek: Wie viel wird der Flughafen am Ende kosten?
    Delius: Also wir können, nachdem wir jetzt die finanzielle Situation uns der Flughafengesellschaft auch mal angucken müssen, damit rechnen, dass es sicherlich noch mal eine Milliarde wird, ohne Kapazitätserweiterung, denn es werden jetzt auch Rechnungen fällig beziehungsweise Kredite fällig, die nicht so einfach umzuschulden sind. Da ist noch mal zumindest Sicherheit von der öffentlichen Hand nötig, die ja auch Kapital bedeutet. Ich kann es nicht genau sagen. 5,4 Milliarden reichen nicht. Wenn die EU zusagt, noch mal 1,1 Milliarden draufzugeben, dann sind wir schon über 6 Milliarden, bei 6,5 Milliarden, so in der Größenordnung, wird sich das bewegen.
    BER muss auch möglichst viel einbringen
    Dobovisek: Und Sie sagen, Kapazitätserweiterung, viele kritisieren ja die Planung des BER als zu klein - braucht der BER im Grunde noch vor seiner Eröffnung die Erweiterung?
    Delius: Nein, nein, das ist eine Nebelkerze, die auch mit Hartmut Mehdorn gekommen ist. Es ist sicherlich so, dass man schon an der Auslastung ist. Das ist aber auch wiederum gut für die Wirtschaftlichkeit des Projektes, denn, sehen Sie, das Projekt hat jetzt so viel gekostet, dass es auch besonders viel einbringen muss, also ist es sinnvoll, an einer Auslastungsgrenze zu arbeiten. Darüber hinaus ist es, man kann sich das vorstellen und das sieht man auch am Flugbetrieb in Tegel: Es wird nur ein wenig ungemütlicher. Es wird nicht unmöglich, mehr Passagiere abzufertigen und abzuliefern als diese 30 Millionen im Jahr.
    Dobovisek: Ungemütlicher als Tegel ist ja kaum noch möglich, so vollgepackt, wie der manchmal ist.
    Delius: Ja, aber davon ist man weit entfernt, von den Verhältnissen.
    Dobovisek: Letzte Frage dazu: Mehdorn wollte ja gerne einen Teil des Flughafens schon vorab eröffnen. Ist das gänzlich vom Tisch?
    Delius: Ich hoffe, dass es gänzlich vom Tisch ist, weil die Diskussion darum hat am Ende nur dazu geführt, dass sich um die echten Probleme, zum Beispiel die Entrauchungsanlage, nicht gekümmert worden ist. Es ist ja auch am Ende daran gescheitert, dass Hartmut Mehdorn die notwendigen Papiere für die Teileröffnung zur Genehmigung nicht zusammen bekommen hat. Ich glaube, darum müssen wir uns jetzt nicht kümmern. Es geht darum, den Flughafen fertigzustellen und für vernünftigen Schallschutz bei den Anwohnerinnen und Anwohnern zu sorgen, und das ist das größere Problem.
    Dobovisek: Martin Delius von der Piratenpartei ist Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus und der, nicht der Ausschuss, sondern der Flughafen, hat einen neuen Chef, der Karsten Mühlenfeld heißt. Ich danke für das Gespräch!
    Delius: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.