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Neuer DFB-Präsident
Wie der DFB zur Ruhe kommen will

Dass Bernd Neuendorf neuer DFB-Präsident werden würde, war vor der Wahl relativ klar. Für viel Aufmerksamkeit sorgte aber das Aus des bisherigen und umstrittenen Vizepräsidenten Rainer Koch. Die Erleichterung darüber war auf dem DFB-Bundestag groß. Einige redeten gar von Putsch.

Von Matthias Friebe | 12.03.2022
Der neue gewählte DFB-Präsident Bernd Neuendorf auf dem DFB-Bundestag in Bonn.
Der neue gewählte DFB-Präsident Bernd Neuendorf auf dem DFB-Bundestag in Bonn. (dpa / picture alliance / Revierfoto)
Für einen Moment scheint es, als ob Silke Sinning erstmal verarbeiten muss, was da gerade passiert ist. Fast regungslos sitzt sie in der ersten Reihe, neben ihr stehen schon die ersten Gratulanten. Sie hat das geschafft, womit selbst sie lange nicht gerechnet hat: Die Wahl gegen Rainer Koch gewonnen. Die Professorin aus Hessen zieht ins Präsidium ein, der mächtige umstrittene Langzeitfunktionär Koch verliert seinen Posten an der DFB-Spitze.
„Das ist ein Beleg dafür, dass die innerverbandliche Demokratie funktioniert, was ja in den letzten Wochen oft in Frage gestellt wurde", meint der frisch gewählte Verbandspräsident Bernd Neuendorf, der eine Stunde zuvor selbst ein noch besseres Ergebnis als erwartet bekommen hatte. Mehr will er zu Koch nicht sagen – er wolle erst einmal mit ihm reden.

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Auf den Fluren fällt das Wort "Putsch"

Dass diese Vize-Wahl zum spannendsten Moment des Bundestags werden könnte, hatte sich bereits in den letzten Tagen angedeutet. Nach der Wahl sprechen manche Delegierte auf den Fluren von „Putsch“. Viele andere sind erleichtert. Und finden: an diesem Ergebnis hat vor allem Koch selbst Schuld.

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„Die haben Redebeiträge zu diesem Ergebnis beigetragen", kommentiert DFB-Vizepräsident Hermann Winkler aus Sachsen die Bewerbungsrede Kochs. Diese kurzen Statements vor einer Wahl haben selten Einfluss auf das Ergebnis. In diesem Fall schon. Winkler betont, Koch habe unbestreitbar seine Verdienste, "aber es kam vieles zusammen, auch viele Ungeschicklichkeiten in den letzten Monaten in den Medien und dann heute noch die Rede, und da war dann irgendwann das Maß voll.“
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Koch redete sich um Kopf und Kragen

Um Kopf und Kragen geredet, habe sich Koch, da sind sich viele Beobachter einig. Seine Rede gipfelt in dem Satz, in dem er um Zustimmung warb, „oder wenn sie das nicht möchten, dass Sie sich dann an der Wahl nicht beteiligen.“

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Das Rumoren im Saal, bei DFB-Bundestagen höchst selten zu hören, ist bereits ein Ausweis für den Fauxpas Kochs.
Westfalens Fußballchef Gundolf Walaschewski wundert sich über Kochs Demokratieverständnis: „Der Auftritt war entweder dumm oder arrogant. Er hat sich wie bei Selbstmord aus Angst vor dem eigenen Tod die Chancen verbaut.“

Sinning überrascht, Koch chancenlos

Dabei lief eigentlich alles wie geplant. Rainer Koch als Interimspräsident leitete durch die Sitzung, paukte vor der Präsidentenwahl im Akkord Satzungsänderungen durch und konnte sich in seiner ersten Rede als ruhiger Stratege in unruhigen Zeiten darstellen. Er habe die Gleise für die Zukunft des Verbandes gelegt. Eine Zukunft, die er dann aus der 2. Reihe begleiten wollte: Das Amt des ersten Vizepräsidenten hatte Ronny Zimmermann bereits von ihm übernommen.
Rainer Koch, der abgewählte DFB-Vizepräsident.
Rainer Koch, der abgewählte DFB-Vizepräsident. (dpa / picture alliance / Revierfoto)
Aber die Kritik an Kochs Einfluss war groß in den vergangenen Wochen. Auch mit einer guten Bewerbungsrede, da waren sich viele einig, wäre es knapp geworden. So war Koch chancenlos.
„Ich bin über die Deutlichkeit des Ergebnisses überrascht“, sagt Sachsens Fußball-Präsident Winkler. „Aber wer in die Vereine und in die Delegierten reingehört hat in den letzten Monaten, konnte so etwas erahnen.“
Kann der Neuanfang beim DFB gelingen?
Geahnt hatte die siegreiche Kandidaten Silke Sinning selbst nichts. Von einem Achtungserfolg träumte sie, von vielleicht 30 Prozent. Erst am Morgen des Bundestags entscheidet sie, auch dann anzutreten, wenn Peter Peters zuvor seine Wahl verliert. Peters hatte sie in sein Team geholt.
Nominiert für den Vize-Posten wird sie aber ausgerechnet von Kochs Bayrischem Verband. Für viele ein vergiftetes Angebot.
„Ich hatte meiner Tochter gesagt, dass ich den Mut aufbringe“, sagt eine überwältigte Sinning nach dem Bundestag. „Aber der muss dann doch aufgebracht werden und ich hatte heute Morgen auch noch mal ein kurzes Gespräch mit dem Rainer.“

Osnabrügge sorgt für den zweiten Aufreger

Koch eilt nach Bekanntgabe des Ergebnisses quer durch den Saal zu Sinning, gratuliert schnell - eine Hand in der Hosentasche – und nimmt danach sichtlich angefasst neben Stephan Osnabrügge Platz. Der hatte sich zuvor auf dem Bundestag nach sechs Jahren als Schatzmeister verabschiedet und für den zweiten Aufreger der Versammlung gesorgt. In seiner Rede fordert er: „Dass endlich Schluss sein muss mit der gegen den DFB und seine Repräsentanten gerichteten Zerstörungswut.“

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Was nicht nur in Kriegszeiten bei Beobachtern für Stirnrunzeln sorgt. "Manchmal tut Demut gut, auch in solchen Ämtern und da ist mir manchmal beim DFB zu wenig von da", wird Hermann Winkler indirekt doch sehr deutlich. Auch weil Osnabrügge noch ergänzt:
„Es muss Schluss sein mit dem Durchstechen vertraulichster Informationen aus niedrigen Beweggründen, dem Verrat vom Geschäftsgeheimnissen genauso wie mit der unbarmherzigen Menschenhatz, die aktuell veranstaltet wird.“
„Manchmal ist weniger mehr. In diesem Fall hätte er sich die Angriffe sparen können“, kommentiert auch Gundolf Walaschewski aus Westfalen. „Aber das ist, was wir auch in den letzten Monaten bei den Konferenzen immer wieder erlebt haben.“

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Neuendorf will den DFB "diverser" machen

Er könne Osnabrügges persönliche Verletzung nachempfinden, dieses öffentliche Austeilen sei aber nicht in Ordnung. Osnabrügges Nachfolger, Stephan Grunwald, betont nach der Wahl, er habe keine Angst vor den Staatsanwälten und das Amt des Schatzmeisters habe auch viel Schönes. Er will und soll auch für einen Neuanfang stehen, den Präsident Bernd Neuendorf ausgerufen hat und vorleben will, wie er im Deutschlandfunk-Interview noch einmal betonte:
„Wir sind nicht nur weiblicher geworden, wir sind auch jünger geworden im Präsidium. Das darf man durchaus mal erwähnen. Wir müssen das Thema Diversität, was nicht nur weiblicher heißt, sondern auch jünger und Menschen mit Migrationshintergrund und Einwanderungsgeschichte, mehr in den Blick nehmen. Das ist heute schon ein Stück weit gelungen und das freut mich sehr.“
Neuer DFB-Präsident Neuendorf: „Wir müssen das Thema Diversität mehr in den Blick nehmen“
Genau ein Drittel beträgt nun der Frauenanteil im Präsidium und auch auf der Vizepräsidenten-Ebene. Das mache ihn stolz, sagt Neuendorf, dies stehe für den Weg zu einem moderneren DFB. Dieser Tag könne durchaus zu einem Aufbruch werden, ist man sich auch unter vielen Delegierten sicher. Gundolf Walaschewski vom Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen sagt:
„Ich empfinde das natürlich als Ermutigung. Ich bin vor allen Dingen froh, dass wir mal einen demokratischen Auswahlprozess hatten und dass das mit einem so überzeugenden Ergebnis ausgegangen ist, wird dem Präsidenten helfen.“

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Fast 80 Prozent der Stimmen bekam Neuendorf, viel Rückenwind für seinen Kurs durch die Wahl und vielleicht – mindestens indirekt noch mehr – durch das Aus von Rainer Koch im Präsidium. Viele Fragen zu dessen Rolle bleiben ihm in jedem Fall erspart. Stattdessen sitzt jetzt an seiner Seite mit Silke Sinning auch eine Vizepräsidentin, mit der er nicht gerechnet hat.
„Wir haben kurz miteinander gesprochen, weil wir uns bisher nicht gut kannten. Wir haben uns nur einmal kurz gesehen und wir haben uns schon verabredet, dass wir uns gemeinsam austauschen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass auch mit ihr eine gute und sehr solidarische Arbeit gelingt.“