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Neuer Drohnentyp
Mehr Reichweite für Minidrohnen

Minidrohnen verlieren immer mehr ihr Spielzeug-Image und werden zu wichtigen Werkzeugen für verschiedenste Wirtschaftszweige. Eine Einschränkung ist bislang die Flugdauer: Spätestens nach einer halben Stunde ist der Akku meist leer. Ein neues Patent soll den Mini-Fluggeräten nun deutlich mehr Ausdauer verleihen. Mögliche Einsatzgebiete: Tagebau-Minen oder Lawinengebiete.

Von Frank Grotelüschen | 12.10.2016
    Auf den ersten Blick sieht das Vehikel auf dem Video aus wie ein Modellsegelflugzeug. Doch schaut man genau hin, sind vier Elektropropeller zu erkennen, montiert auf den Tragflächen. Wie bei einem Hubschrauber stehen sie nach oben. Und tatsächlich:
    Das Fluggerät hebt ab wie ein Helikopter – ein lupenreiner Senkrechtstart. Doch dann, in einiger Höhe, kippen die Propeller in die Waagerechte. Innerhalb von ein paar Sekunden wird das Gerät zu einem Minitatur-Motorsegler - und gleitet flugs von dannen.
    "Ein Minisegler als Senkrechtstarter wäre die korrekte Bezeichnung", sagt Armin Busse, seine Firma Quantum-Systems hat die Transformer-Drohne entwickelt.
    "Man kann es sich am besten vorstellen wie ein kleines Segelflugzeug mit einer Spannweite von 3,50 Meter. Links und rechts an den Tragflächen sind sowohl vorne als auch hinten schwenkbare Propeller angebracht, um diesen vertikalen Aufstieg zu ermöglichen und anschließend den horizontalen Flug darzustellen."
    Höhere Geschwindigkeit, mehr Ausdauer
    Damit vereint das Gerät zwei verschiedene Drohnentypen: die Multicopter, helikopterähnliche Fluggeräte bestückt mit bis zu acht Rotoren. Und die Starrflügler, das sind Miniflugzeuge mit festen Tragflächen. Gegenüber letzteren hat die neue Drohne folgenden Vorteil:
    "Wir brauchen kein Katapultsystem und kein Auffangnetz. Wir brauchen nicht mal eine Start- und Landebahn. Ein Vorteil gegenüber Multicopter-Systemen ist, dass wir deutlich länger in der Luft bleiben können und eine deutlich höhere Geschwindigkeit erreichen können."
    Multicopter können höchstens eine knappe halbe Stunde fliegen, dann ist die Batterie leer. Anders die Transformer-Drohne: Sie bewegt sich, zum Teil sogar bei abgeschaltetem Motor, per Gleitflug durch die Lüfte. Dadurch kann sie bis zu zwei Stunden oben bleiben und mit einer bis zu zwei Kilogramm schweren Kamera weite Areale absuchen, bis zu 3.000 Hektar groß. Genau hier dürften die Einsatzfelder der Ausdauer-Drohne liegen, sagt Kooperationspartner Jörg Schaller von der Firma Esri, einem Anbieter für Geoinformationssysteme.
    "Bei der Bahn zum Beispiel geht’s darum zu schauen, ob irgendwelche Bäume riskant sind, dass die in die Schienen fallen oder auf die Oberleitungen. Dann kann man einen Trupp hinschicken, der den Baum absägt. Es geht also darum, große Flächen und lange Strecken in Echtzeit zu erfassen, um sofort reagieren zu können."
    Die Drohne ist zusammengefaltet in einem Koffer zu sehen
    Die Drohne lässt sich auf kleinstem Raum verstauen (Frank Grotelüschen)
    Heute laufen Mitarbeiter die Strecken oft noch zu Fuß ab. Für die Bahn ein kostspieliges Unterfangen, eine Drohne könnte es deutlich günstiger und schneller erledigen. Weitere Einsatzfelder: Der Miniflieger könnte Tagebau-Minen abscannen oder Lawinengebiete im Hochgebirge im Auge behalten.
    "Eine andere Geschichte ist Küstenschutz: Wo werden die Dünen durch eine Flut abgeräumt? Oder ein Dammbruch: Wo muss schnell Hilfe hin? Wie viele Häuser sind unter Wasser gestanden, wie hoch ist der Schaden?"
    Preis eines Mittelklassewagens
    2017 soll die Drohne auf den Markt kommen, zum Preis eines gut ausgestatteten Mittelklassewagens. In Deutschland aber dürfte sie zunächst nur begrenzt Verwendung finden. Hier nämlich dürfen Drohnen aus Sicherheitsgründen nur geflogen werden, solange sie in Sichtweite des Piloten bleiben, sodass er stets mit seiner Fernsteuerung eingreifen kann. Doch das mit der Fernsteuerung ergibt bei einer Langstreckendrohne nur bedingt Sinn. Deshalb gehen Armin Busse und seine Leute einen anderen Weg:
    "Die Missionsplanung findet im Vorfeld statt, sodass ich vor Ort nur noch auf den Startknopf drücken muss und das System vollautomatisch abhebt, die Mission beginnt und auch wieder zurückkehrt und vollautomatisch landet."
    Solche autonomen Drohnenflüge sind in manchen Ländern bereits erlaubt, zum Beispiel in Australien und den USA. In Deutschland dagegen gibt es, etwa in puncto Sicherheit und Haftung, noch Bedenken. Doch Busse gibt sich optimistisch: Denn die Wirtschaft hat großes Interesse an der Technologie und macht sich deshalb bereits für eine Änderung der Vorschriften stark.
    "Einer unserer Projektpartner ist die Deutsche Bahn. Die hat ein Streckennetz von über 34.000 km. Die sind sehr daran interessiert, automatisiert eine Bahnüberwachung darzustellen. Mit denen haben wir die Hoffnung, dass im Verkehrsministerium demnächst für den gewerblichen Einsatz von solchen Systemen eine Änderung dargestellt wird."