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Neuer Musiktempel in Florenz

Es ist das älteste Musikfest Italiens. Komponisten wie Richard Strauss, Paul Hindemith und Igor Strawinsky haben hier ihre Werke aufgeführt. Chefdirigent des "Maggio Musicale" ist zur Zeit Zubin Mehta. Der neue Musiktempel für die Aufführungen wird heute Abend eingeweiht.

Von Thomas Migge | 21.12.2011
    Zubin Mehta spricht nicht viel bei seinen Proben. In Florenz braucht er das auch nicht. Das Orchester des Festivals Maggio Fiorentino kennt ihn seit vielen Jahren, denn Mehta ist künstlerischer Direktor der international angesehenen Veranstaltungsreihe. Doch spricht man den künstlerischen Direktor des Florentiner Festivals Maggio Musicale auf die Akustik des neuen Opernhauses in Florenz an, gerät er ins Schwärmen:
    "Wir können im Nachhinein nur schwer die Akustik eines einmal fertig gestellten Konzertsaals verbessern, was hier aber auch nicht nötig sein wird. Die Akustik ist einerseits trocken traegt aber den klang. Es gibt keine Form von Nachhall. Alle Orchesterinstrumente sind bestens von jedem Sitzplatz aus zu hören. Dieser Neubau ist ein akustischer Erfolg."

    Das Opernhaus ist ein Entwurf des römischen Architektenstudios "architetti associati", zu dem der bekannte Architekt Paolo Desideri gehört. Er entwarf für Florenz ein Bauwerk mit breiten und in einem Winkel von rund 30 Grad sacht ansteigenden Treppenrampen. Der Hauptbau befindet sich in der Mitte dieser Rampen, was dem Gebäude ein futuristisches Aussehen gibt - das ein wenig an eine Raketenabschussrampe erinnert. Paolo Desideri zum Innenleben des neuen Musiktheaters:

    "Wir haben von Anfang an bei diesem Entwurf mit den Akustikexperten zusammengearbeitet, denn wir begreifen ein solches Haus als ein Instrument, um Klang zu erzeugen. Die richtige Akustik dominiert die architektonische Form, daran ist nichts zu rütteln und der Architekt muss sich anpassen. Nur so kann man spätere und kostspielige akustische Korrektionen vermeiden."

    Den in Grau gehaltenen Fassaden des Neubaus steht ein brauntöniger Innenraum entgegen. Hellbraun die Fußböden und Balustraden und dunkelbraun die Sitzflächen und Seitenwände. Die Decke ist von Lichtschlitzen durchbrochen. Sie erzeugen eine angenehm gedämpfte Beleuchtung.

    Der Innenraum hat eine eher ungewöhnliche Form. Er ist nicht, wie bei den meisten Neubauten für Konzerthallen und Opernhäusern entweder kreisförmig, oval oder rechteckig. Von der Bühne aus streigt der Zuschauerraum steil auf und mündet in der Saaldecke. Eine vertikale Rückwand gibt es hier nicht.

    Ein faszinierender optischer Effekt, der dieses Theater des Architekturstudios von Paolo Desideri sicherlich zu einem der spannendsten Neubauten Italiens macht.
    Der Architekt Paolo Desideri:

    "Wir verzichten nahezu ganz auf akustische Panelen. Das macht den eigentlichen Reiz des Konzertraums aus: Er ist in diesem Sinn fast minimalistisch gehalten. Maestro Mehta scheint mit dem Gebäude sehr zufrieden zu sein."

    Ein neues Haus für mehr Musikkultur in Florenz, frohlockt Zubin Mehta:

    "Wir alle vom Maggio Musicale sehen in diesem Neubau die einzige gültige Reaktion gegen den Verfall der Musikkultur in Italien. Italien darf seine Kultur nicht zum Gegenstand von immer schlimmeren Finanzkürzungen machen. Hier in Florenz wird die Musik das Wort haben!"

    Schöne Worte des Maestro, doch die Realität sieht anders aus. Auch im links regierten und kulturfreundlichen Florenz. Bis 31. Dezember wird die Eröffnung des neuen Hauses erst einmal musikalisch gefeiert: mit Mehta und Claudio Abbado, mit Andras Schiff, Fabio Luisi und Radu Lupu, mit Konzerten und Ballettaufführungen. Doch dann wird der Laden dichtgemacht. Bis Ende 2012. Oder bis 2013. Genaue Daten werden vorsichtshalber nicht genannt. Denn noch müssen die übrigen Räumlichkeiten fertiggestellt werden: die Konzerthalle, die Freiluftbühne und die Bühnentechnik des Opernsaals. Und, ganz besonders wichtig, noch ist unklar, woher das Geld für die zukünftigen Spielzeiten kommen soll. Eine Frage, auf die die Kulturpolitik noch keine klaren Antworten gibt. Klar ist nur, dass der Maggio Musicale 2012 stattfinden wird; nur leider nicht im neuen Opernhaus.