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Neuer russsischer Weltraumbahnhof Wostotschny
Eine neue Ära soll beginnen

Morgen startet die erste Rakete von Russlands neuem Weltraumbahnhof Wostotschny. Auf lange Sicht soll dieser den alten Bahnhof Baikonir ablösen. Denn die Raumfahrtagentur Roskosmos setzt auf Autonomie: Sie will sich nicht mehr von kasachischen Behörden in den Raketenbetrieb hineinreden lassen. Vielen Russen fällt der Abschied von Baikonir allerdings schwer.

Von Dirk Lorenzen |
    Auf der Baustelle des Kosmodroms Wostotschny wird eine riesige Raketenabschussrampe gebaut.
    Die Baustelle des Kosmodroms Wostotschny (Sergey Mamontov)
    Russlands neuer Weltraumbahnhof heißt Wostotschny, was "der Östliche" bedeutet. Tatsächlich liegt das Kosmodrom nicht wie Baikonur in Zentralasien, sondern im fernen Osten Sibiriens, im Amurgebiet fast 6.000 Kilometer östlich von Moskau und nur 1.000 Kilometer nördlich von Wladiwostok. Mit dem Start einer Soyuz-Rakete, die drei Forschungssatelliten ins All bringt, soll morgen eine neue Ära der russischen Raumfahrt beginnen. Doch der Jungfernflug aus Wostotschny bedeutet keineswegs das sofortige Ende für den Weltraumbahnhof Baikonur, erklärt der frühere Moskau-Korrespondent und Autor zahlreicher Bücher über die russische Raumfahrt Gerhard Kowalski:
    "Baikonur ist gut und wird weiter gut sein und muss weiter gut sein. Die Russen haben einen Pachtvertrag bis 2050. Die bezahlen jedes Jahr 117 Millionen Dollar. Das ist eine teure Angelegenheit. Die Russen brauchen Wostotschny, weil Kasachstan nicht mehr auf dem Gebiet der Sowjetunion und Russlands liegt, aber Baikonur in Kasachstan liegt und Kasachstan ist jetzt Ausland."
    Ein doppelter Umbruch
    Russlands Raumfahrtagentur Roskosmos setzt auf Autonomie und will sich nicht mehr von kasachischen Behörden in den Raketenbetrieb hineinreden lassen. Dennoch dürfte vielen Russen der Abschied von Baikonur schwer fallen - zu groß ist dessen Bedeutung für die stolze Raumfahrttradition des Landes: Mehr als 2000-mal sind Raketen von dort gestartet. Sowohl Sputnik, der erste Satellit, also auch Juri Gagarin, der erste Mensch im All, haben ihre Reise in Baikonur angetreten. Bis Wostotschny an diese große Bilanz anknüpfen kann, werden noch viele Jahre vergehen.
    "Die Russen werden noch mindestens bis 2022 ihr bemannten Starts von Baikonur aus machen. Denn in Wostotschny steht bis jetzt eine einzige Startrampe. Das ist eine Rampe für die Soyuz-Rakete, mit der künftig die neuen russischen Raumschiffe nicht gestartet werden können, weil die zu schwer sind. Sie bauen also eine neue Rakete, die Angara für das neue Raumschiff, das heißt Federazija. Die Rakete ist noch nicht fertig und die Rampe dafür ist noch gar nicht begonnen worden."
    Somit markiert der Umzug in den fernen Osten Sibiriens mittelfristig einen doppelten Umbruch. Mit dem Ende Baikonurs geht nach bisheriger Planung auch ein halbes Jahrhundert bemannter Soyuz-Flüge zu Ende. Die Russen müssen hoffen, mit dem neuen Raumschiff an die Soyuz-Erfolge anzuknüpfen. Ende der zwanziger Jahre sollen Kosmonauten von Wostotschny aus mit dem Federazija-Raumschiff zum Mond fliegen – so jedenfalls lautet derzeit das offizielle Ziel des Raumfahrtprogramms. Zwar startet morgen die erste Rakete, doch es wird lange dauern, bis am neuen Weltraumbahnhof die Routine Baikonurs herrscht.
    "Dann muss die zweite Rampe gebaut worden. Die werden so richtig auf volle Touren nicht vor 2020 kommen, selbst mit den unbemannten Starts, das wird eine Weile dauern. Die haben sie im Moment nur ein Startminimum fertig – also alle Anlagen, die man braucht, um eine Rakete zu starten. Ansonsten ist alles noch im Aufbau begriffen."
    Kasachstan will Baikonir selbst nutzen
    Baikonur selbst muss nach dem Abzug der Russen nicht unbedingt im Dornröschenschlaf versinken. Denn auch dort gibt es Pläne für künftige Raumfahrtaktivitäten, erklärt Gerhard Kowalski:
    "Dann wird möglicherweise von Baikonur auch eine neue Rakete starten, die ist dann aber nicht mehr rein russisch, sondern die ist russisch-kasachisch. Da gibt es ein Projekt, eine Startrampe, Baiterek heißt das ganze Unternehmen. Da wollen sich die Kasachen so langsam von den Russen zeigen lassen, wie man selbst Raketen startet und möglicherweise bereiten sie sich damit auf den Abgang der Russen aus Baikonur vor, um dann die Sache auf kleinerem Niveau fortzusetzen."
    Somit beginnt zwar morgen der Abschied von Baikonur - aber der dürfte sehr, sehr lange dauern.