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Neues Album von Beirut
Zurück mit Pauken und Trompeten

Weltmusik galt nie als besonders hip. Mit Bläsern und folkloristischen Elementen hat Zach Condon das mit seiner Band Beirut jedoch vor zwölf Jahren geändert - und einem ganz eigenen Sound gefunden. Nun kehrt Beirut mit diesem charakteristischen Klang zurück.

Von Juliane Reil | 02.02.2019
    Zach Condon alias "Beirut" in New York
    Burn-Out, Scheidung und Schreibblockade liegen schon seit längerer Zeit hinter ihm - Zach Condon komponiert wieder (Baczynska)
    Euphorisch, losgelöst, beinahe übermütig. Die Musik aus dem neuen Album von Beirut klingt in weiten Teilen wie ein Befreiungsschlag. Der Mann, der sie geschrieben hat, Zach Condon – schmaler als früher, blasses Gesicht, rötlicher Lockenschopf –, wirkt dagegen erstaunlich ernst. Fast grüblerisch.
    Zach Condon: "Weil die Musik mir so viel bedeutet. Alles außer der Musik war mir egal. Deshalb habe ich es zugelassen, dass Dinge um mich herum kaputt gegangen sind. Ich hatte keinen Nerv dafür, wenn es dabei nicht um das Wichtigste – die Musik – ging. Aber trotzdem litt meine Musik darunter, es blockierte den Schreibprozess. Aber auf diesem Album konnte ich das endlich loslassen. Ich fühlte mich so fokussiert, wie nie zuvor. Es floss einfach aus mir heraus."
    Wohnortwechsel gegen Schreibblockade
    Burn-Out, Scheidung und Schreibblockade liegen schon seit längerer Zeit hinter ihm. Bestimmte Ängste seien jedoch geblieben, wie der Kalifornier sagt. Trotzdem hat sich einiges geändert. Auch sein Wohnort. Zach Condon, ein moderner Nomade des 21. Jahrhunderts, der schon in New York, Paris und Istanbul gelebt hat, hat mittlerweile seine neue Heimat in Berlin gefunden. Große Teile des Albums sind jedoch im südlichsten Zipfel Italiens entstanden. Ganz in der Nähe von der Hafenstadt Gallipoli, nach der das Album benannt ist.
    "Da war ich nun in Italien, folgte einer Prozession durch diese kleine, leere Stadt und bekam zeitgleich Flashbacks davon, wie ich in Santa Fe aufgewachsen bin. Wir haben dort Ende August, Anfang September Fiestas, um die Ernte zu feiern. Da gibt es auch eine riesige Marionettenpuppe, die wir 'Old Man Gloom' nennen. Du kannst Deine Sorgen auf sie übertragen, und dann wird sie angezündet. Auf einmal fühlte ich mich wie zwischen zwei Welten. Zwischen Zukunft und Vergangenheit. Es war ähnlich, aber auch anders. Fremd und zugleich vertraut. Es hat mich sehr berührt."
    Zach Condon alias "Beirut" in Berlin 2018. Er sitzt auf einem rotem Sessel mit übergeschlagenen Beinen und schaut nachdenlick in die Kamera. Hinter ihm ein Fenster aus dem man auf ein leeres Gebäude schaut
    Zach Condon alias "Beirut" in Berlin 2018 (Baczynska)
    Musik ist Eskapismus
    Vor zwölf Jahren war Weltmusik nicht besonders cool. Zach Condon war damals einer der ersten, der leichte Popmelodien erfolgreich mit Folklore fusionierte. Ob das nach einer Brassband vom Balkan oder wie mexikanische Mariachi klingt: Es funktioniert nach wie vor, wirkt aber auch gefällig. Denn: Es gibt keine wirklichen Brüche. Trotz leichter Übersteuerung auf "Gallipoli", die gewollt ist, ist Condon vor allem am Schönklang interessiert. Musik sei für ihn reiner Eskapismus, und das ist legitim.
    Zu den leuchtenden Fanfaren mischt sich – typisch Beirut – ein wehmütig-melancholischer Gesang: als ob jemand das Gefühl besingt, etwas haben zu wollen, das er niemals haben kann. Herzschmerz und Sinnsuche – sind die Themen. Nicht neu, aber menschlich. Origineller dagegen ist die Instrumentierung. Zumindest gemessen an den gängigen Popstandards. Neben der klassische Bandbesetzung - Gitarre, Bass und Schlagzeug – kommen bei Condon Bläser, Streicher, Ukulele, Klavier und eine alte elektronische Heim-Orgel dazu.
    Unzufriedenheit als Kreativmotor
    "Ich habe mich wortwörtlich in meinem eigenen Sound gegraben. Mir wurde klar, dass ich schon einen ziemlich spezifischen Klang habe. Bei diesem Album hatte ich auf einmal keine Angst mehr davor. Ich hab nicht versucht, es zu ändern. Ich habe nicht versucht, den Sound zu reduzieren. Ich habe ihn einfach sein gelassen."
    Zwischenzeitlich schien Condon wie ein Suchender und experimentierte mit verschiedenen Stilen. Zum Beispiel mit Synthpop und digital instrumentierten Kompositionen. Auf "'Gallipoli'" kehrt er zur Akustik und zu seinen Wurzeln zurück - vor allem zu den Bläsern. Das steht ihm, auch wenn die Musik noch nicht die Tiefe hat, die er sich vielleicht auch selbst wünscht. Die Unzufriedenheit ist sein kreativer Motor.
    "Ich sehne mich nach etwas, das ich nicht haben kann. Jemand legte meiner Mutter für mich die Karten und erzählte ihr, dass ich mein ganzes Leben lang versuchen würde, ein Meisterwerk zu kreieren, aber es nie schaffen würde. Schon mit 15, 16 Jahren dachte ich, dass das stimmt. Dieses Album ist bis jetzt das Album, das mich am meisten zufrieden gemacht hat. Aber es stimmt trotzdem, ich kann nie sagen: 'So, jetzt habe ich es geschafft'."
    Beirut - Tourdaten:
    09.07. Hamburg, Stadtpark
    11.07. Berlin, Zitadelle
    13.07. Mainz, Volkspark