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Neues Rechtsinstrument
Gesetzentwurf für deutsche Sammelklage liegt vor

Ein neues Instrument mit dem sperrigen Namen Musterfeststellungsklage soll die Rechte von Klägern in bestimmten Verfahren stärken - ähnlich der mächtigen Sammelklagen in den USA. Schadenersatzfragen etwa könnten damit einmal für alle verbindlich geklärt werden - beispielsweise für die Betroffenen der VW-Abgasmanipulationen.

Von Gudula Geuther | 01.12.2016
    VW-Fahrzeuge stehen auf einem Autohof in Freiburg.
    Volkswagen hat in den USA mit hohen Strafzahlungen zu rechnen. (imago)
    Die Musterfeststellungsklage soll da weiterhelfen, wo viele Verbraucher oder kleine Unternehmen die gleichen Ansprüche geltend machen wollen und sich nicht einzeln durch die Instanzen klagen wollen. Im Gespräch war das Instrument in den vergangenen Wochen vor allem wegen der manipulierten Abgaswerte bei VW, auch wenn offen ist, wie geeignet gerade dieser Streit dafür ist.
    In jedem Fall aber soll es in einfach gelagerten, gleichförmigen Massenverfahren weiterhelfen. Das kann die Bankgebühr sein, die ungerechtfertigt erhoben wird – bei allen Kunden. Es kann der Flug sein, der so viel verspätet ist, dass sich Entschädigungsansprüche ergeben – auch dies für alle Passagiere. Seit Monaten wird intern um die Details gerungen. Unserem Hauptstadtstudio liegt jetzt der Gesetzentwurf aus dem Bundesjustiz- und Verbraucherschutzministerium von Heiko Maas vor.
    Der SPD-Politiker will dabei vor allem die Rechte von Verbänden stärken, anerkannten Verbraucherschutzverbänden ebenso wie Handwerks- oder Handelskammern. Sie sollen zentrale Tatsachen- oder Rechtsfragen verbindlich vor Gericht klären lassen können. Das kann zum Beispiel die Frage sein, wie groß die Verspätung des Fluges war und ob die allgemeinen Voraussetzungen für Entschädigungsansprüche vorliegen. Das soll allerdings nur möglich sein, wenn voraussichtlich mindestens zehn Personen betroffen sind.
    Beispiel Flugverspätung
    Wer immer das ist, kann sich laut Entwurf in ein elektronisches Register eintragen lassen und so deutlich machen, dass er von dem Ergebnis des Verfahrens mit umfasst sein will. Dafür sollen Gebühren anfallen, allerdings geringere als bei einem individuellen Rechtsstreit. Entscheidet das Gericht, dass im Beispielsfall die allgemeinen Voraussetzungen für die Entschädigung gegen die Fluggesellschaft vorliegen, gilt diese Feststellung zwar für alle, die über das elektronische Register Ansprüche angemeldet haben. Aber: Einen durchsetzbaren Titel gegen die Airline haben sie nicht.
    Sie können sich zwar direkt an die Gesellschaft wenden. Im Zweifel wird aber ein weiteres Verfahren folgen müssen, dort würde dann zum Beispiel geklärt, ob im konkreten Fall nichts gegen die Entschädigung spricht, zum Beispiel könnte die ausgeschlossen sein, weil der Kunde das Ticket mit Rabatt gekauft hat. In einfacheren Fällen, etwa bei den zu Unrecht erhobenen Bankgebühren, wird es aber selbst im Streitfall genügen, ein Mahnverfahren zu führen.
    Umständlicher als die US-Sammelklage
    Der Entwurf sieht auch Möglichkeiten des Vergleichs vor, der gelten soll, wenn die ganz überwiegende Mehrheit derer, die mitmachen – 70 Prozent –, kein Veto einlegt. Das Verfahren ist für den Einzelnen also umständlicher als etwa die US-amerikanische Sammelklage. Gleichzeitig sollen offenbar die Auswüchse vermieden werden, die bei den Sammelklagen durch Anwaltskanzleien entstehen, die solche Massenklagen zum Geschäftsmodell gemacht haben.
    Für die ganz einfachen Massenverfahren gibt es in der Praxis schon ähnliche Regelungen – Verbraucher können Ansprüche abtreten, auch Verbandsklagerechte können ähnliche Wirkungen haben. Für andere Fälle würden die Verbraucherrechte durch diese Regelungen gestärkt. Die Chancen des Entwurfs, Gesetz zu werden, sind gut, aber nicht sicher. Die Union hatte vor allem verhindern wollen, dass Verbraucherschutzverbände mehr Rechte bekommen.