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Neues Tarifrecht soll Kostenersparnis bringen

Lange: Es soll die umfassendste Reform des Tarifrechts im öffentlichen Dienst seit 40 Jahren werden. Nicht mehr und nicht weniger haben sich die Gewerkschaft ver.di auf der einen Seite und die Arbeitgeber des Bundes und der Kommunen auf der Seite vorgenommen. Seit gestern verhandeln sie in Potsdam, um letzte Hand anzulegen an ein Reformwerk, das wohl in den Grundzügen steht, aber in den Einzelheiten noch festgelegt werden muss. Und die Akteure sind einigermaßen optimistisch, dass das bis heute Abend gelingt. Am Telefon ist nun Thomas Böhle, er ist im Hauptberuf Personalreferent der Stadt München und daneben als Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände einer der Verhandlungsführer in Potsdam. Guten Morgen Herr Böhle.

    Böhle: Guten Morgen Herr Lange.

    Lange: Herr Böhle, darf man aus dem Umstand, dass es während der laufenden Verhandlungen zu diesem Gespräch jetzt kommt, schließen, dass es in Potsdam nicht gar so verbissen zugeht, wie bei normalen Gehaltstarifverhandlungen?

    Böhle: Mit Sicherheit. Die Akteure sind ja seit annährend zwei Jahren zusammen. Man kennt sich, man hat schon eine ganze Reihe von Etappen hinter sich gebracht, das entspannt natürlich.

    Lange: Gestern hieß es, die Reform liegt inzwischen im Prinzip fertig auf dem Tisch, es geht jetzt um Details, die sind aber entscheidend. Welche Details sind das?

    Böhle: Das sind die Fragen, die auch in letzter Zeit immer wieder ein Rolle spielten, da ist die Finanzierungsausgestaltung, leitungsbezogene Bezahlung, das ist ja auch ein Novum im neuen Recht, die Laufzeit des Tarifvertrages, der Zeitpunkt des Inkrafttretens, Fragen der Arbeitszeit selbstverständlich, Fragen der Auszahlung und Höhe für Weihnachts- und Urlaubsgeld. Und das sind Punkte, wo wir durchaus noch auseinanderliegen.

    Lange: Wieweit auseinander, so, dass Sie bis morgen früh fertig werden?

    Böhle: Ich halte es für möglich, fertig zu werden aber wir werden sehen.

    Lange: Sie haben jetzt knapp zwei Jahre verhandelt. Was bringt diese Reform am Ende für die öffentlichen Arbeitgeber?

    Böhle: Also, wir versprechen uns davon, durch die Leistungsorientierung, einen Motivationsschub in die Mitarbeiterschaft hinein. Wir versprechen uns von höherer Wettbewerborientierung, dass kommunale Unternehmen im öffentlichen Dienst gehalten werden können. Und das sind zum Beispiel zwei ganz, ganz wesentliche Punkte.

    Lange: Und das sieht die Gewerkschaft genauso?

    Böhle: Ich denke ja, weil die Gewerkschaften natürlich auch ein Interesse daran haben, dass Leistung sich lohnt und dass die Unternehmen im Wettbewerb bestehen können. Also insofern, von den Notwendigkeiten her, sind wir einer Meinung. Unterschiedliche Meinung gibt es natürlich, welchen Weg wir dann wählen.

    Lange: Was bringt dann diese Reform, außer längeren Arbeitszeiten bei vielleicht gleichem Gehalt, für den durchschnittlichen städtischen Angestellten?

    Böhle: Also, zum Einen hat er natürlich die Möglichkeit, über die leistungsorientierte Bezahlung Einkommenszuwächse zu erwerben. Zum Zweiten, haben wir ja auch vor, dass dieser Automatismus in der Vorrückung im Gehalt dahingehend verändert wird, dass besonders gute Leistungen dahin führen, dass man schneller voran kommt, und wenn man eben schlecht leistet, dass das Gegenteil der Fall ist. Und das sind zum Beispiel zwei Aspekte, die durchaus eine Rolle spielen und ansonsten gewinnt der Bürger beziehungsweise der Beschäftigte natürlich Sicherheit, was den eigenen Arbeitsplatz betrifft. Wenn wettbewerbsfähige Strukturen geschaffen werden, dann ist das die beste Voraussetzung zur Arbeitsplatzsicherheit.

    Lange: Herr Böhle, die Länder befürchten, dass diese Tarifreform erstmal mehr Geld kostet, bevor sie vielleicht Geld spart, sie sind nicht zuletzt deshalb aus den Verhandlungen ausgestiegen. Haben die Länder recht?

    Böhle: Natürlich nicht, sonst wären wir auch ausgestiegen. Das ist ja klar. Also, ob es wirklich mehr kosten wird, das muss man im Moment noch dahingestellt sein lassen. Das sind ganz, ganz komplizierte Rechnungen, die in vollem Gange sind. Wir werden gegen Ende der Verhandlungen Klarheit haben, wie es aussieht. Aber selbst wenn das der Fall ist, dann gilt doch der ganz allgemeine Lebensgrundsatz: "Wenn Sie sparen wollen, dann müssen Sie erstmal investieren". Sie müssen erstmal die Strukturen schaffen, die dann mittel- und langfristig zu Kostenentlastung führen. Und da sind wir dabei.

    Lange: Gesetz den Fall, Sie einigen sich in Potsdam, was ist diese Einigung ohne die Länder dann wert?

    Böhle: Das kommt ganz darauf an, wie der Prozess zwischen ver.di und den Ländern dann weitergeht. Wir sind ja nicht unmittelbar beteiligt. Das ist Sache der Länder, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und Sache von ver.di, auch das Notwendige aus dortiger Sicht dazu zu tun.

    Lange: Aber mit den Ländern zu anderen Ergebnissen zu kommen im Grundsatz, als vorher mit Ihnen, das wäre doch auch nicht im Sinn der Sache?

    Böhle: Das ist dann im Sinn der Sache, wenn, und darauf werden wir bestehen, die kommunale Seite und der Bund den Anspruch haben, diese Ergebnisse übernehmen zu können. Insofern würde ich im Falle eines Falles den Ländern viel Glück wünschen.

    Lange: Die Gewerkschaft ver.di will ja die Geltung der Tarifreform für die Ländern notfalls mit einem Streik durchsetzen. Ist es nicht eine etwas kuriose Konstellation, wenn sie dann auf die Unterstützung des Bundes und der Kommunen rechnen könnte?

    Böhle: ver.di meinen Sie?

    Lange: Ja.

    Böhle: Wir sind ja nicht streikbeteiligt.

    Lange: Aber Sie würden das wohlwollend betrachten?

    Böhle: Nein, Schadenfreude ist mir völlig fremd.

    Lange: Wie anders, als im Streik, könnten die Länder dann an einen Tisch gebracht werden?

    Böhle: Das ist eine Frage, die sollten Sie vielleicht Herrn Möllring oder den Vertretern der Länder stellen oder ver.di. Ver.di hat erklärt, dass sie aus nachvollziehbaren Gründen mit den Ländern nicht weiter verhandeln. Und das ist jetzt eben Sache der Beteiligten, wieder zusammen zu kommen.

    Lange: Die eigentlichen Gehaltstarifverhandlungen, die stehen ja erst noch aus. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dieser Tarifreform und der eigentlichen Tarifrunde?

    Böhle: Ja natürlich, insofern als Bestandteil der Tarifrunde die so genannte Tabelle ist. Das heißt also, es werden dort sämtliche Werte fixiert, die Beschäftigten können daraus erkennen, wie viel sie, in welcher Stufe und so weiter, sie verdienen. Und es macht ja keinen Sinn, dass wir in einem mühsamen Prozess eine neue Tabelle entwerfen, um sie dann am gleichen Tag, an dem wir über das In-Kraft-Setzen sprechen, schon über eine Erhöhung zu reden. Das heißt, es wird natürlich schon in einem Zug erfolgen.

    Lange: Gut, aber abgesehen von diesem Zusammenhang, wenn die Reform mehr Geld kostet, als ursprünglich mal gedacht, kann das auch heißen, dass bei den eigentlichen Gehaltsverhandlungen weniger drin ist?

    Böhle: Ja, natürlich. Da muss eine Kompensation stattfinden, weil ja die Kosten der Reform nichts anderes sind, als Einkommenszuwächse bei den Beschäftigten und dies kann ja nicht zweimal verrechnet werden.

    Lange: Rechnen Sie mit einer Nullrunde in diesem Jahr?

    Böhle: Diesen Terminus möchte ich hier einfach nicht verwenden. Es geht darum, ein neues Recht in Kraft zu setzten, dies wird möglicherweise kosten, schon allein deswegen können wir von einer Nullrunde nicht reden. Und dann geht es eben darum, diese unterschiedlichen Positionen in einen vernünftigen Ausgleich zu bringen.

    Lange: In den Informationen am Morgen war das Thomas Böhle, er ist der Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber in Potsdam. Dankeschön für das Gespräch.