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Neumann

Thiel: In dieser Woche haben die unabhängigen Sachverständigen beim Bundespräsidenten ihre Vorschläge zur Reform der Parteienfinanzierung vorgelegt. Auch die CDU/CSU veröffentlichte einen Gesetzentwurf. Die Koalition will nun noch in dieser Legislaturperiode eine Novelle durch das Parlament verabschieden lassen. Volker Neumann, das Parteiengesetz spielt ja indirekt oder ganz direkt auch als Thema im Untersuchungsausschuss eine Rolle. Wie bewerten Sie allgemein die 80 Empfehlungen der Kommission?

Matthias Thiel |
    Neumann: Ja, also grundsätzlich kann man sagen, decken sie sich weitgehend auch mit unseren Empfehlungen, die wir machen würden, wenn wir eine Empfehlung am Schluss des Untersuchungsausschusses aussprechen. Wir beschäftigen uns ja im Wesentlichen nur mit dem Teilbereich der Rechenschaftslegung über die Einnahmen, Ausgaben und die Vermögensverhältnisse der Parteien, also nicht mit dem gesamten Spektrum der Parteienfinanzierung, etwa der staatlichen Finanzierung. Ich würde aber in dieser Sache zur Ruhe und zur Behutsamkeit raten bei der Beratung, weil wir mit unseren Untersuchungen noch nicht am Ende sind, und es könnte sich doch noch im letzten halben Jahr das eine oder andere ergeben, was Sinnvollerweise in dem Gesetz geregelt wird.

    Thiel: Bis zu drei Jahren Haft - das sollen Politiker befürchten müssen, wenn sie gegen die Parteienfinanzierungsregelungen verstoßen; eine Forderung dies der Experten, persönliche Sanktionen also. Befürworten Sie diese?

    Neumann: Also, ich bin da eher skeptisch. Ich denke, das allgemeine Strafrecht reicht aus - vielleicht mit einer Einschränkung, dass man die Vorschriften über die Bilanzfälschung anwenden sollte auch auf die Rechenschaftslegung der Parteien, also den § 331 StGB. Aber ansonsten bin ich eigentlich immer gegen eine spezielle Regelung, die nur einen ganz kleinen Kreis betrifft, nämlich den kleinen Kreis der Parteivorsitzenden, Generalsekretäre und Schatzmeister. Weniger als 100 Leute sind das, und für so wenig Leute ein Strafgesetz zu machen, da habe ich meine Bedenken. Aber ich will meine Bedenken gerne zurückstellen, wenn gute Argumente dafür sprechen.

    Thiel: Eine politische Haftung hat ja aber eigentlich nicht funktioniert bisher.

    Neumann: Nein, es ist richtig. Die politische Verantwortlichkeit kann in einer Demokratie eigentlich nur über die Wähler erfolgen. Das heißt, die Wähler müssen diejenigen, die gegen solche Gesetze verstoßen - oder gegen das Grundgesetz verstoßen - bestrafen, indem sie sie einfach nicht wählen. Und die zweite Seite ist die: Der Politiker, der ertappt wird bei solchen Dingen, der muss auch selbst die Konsequenzen ziehen. Und in dieser Parteispendenaffäre haben das nach meiner Kenntnis eigentlich nur zwei Leute gemacht, nämlich er ehemalige Bundesinnenminister Kanther, der sein Mandat niedergelegt hat, und der frühere Parteivorsitzende Schäuble, der sein Amt als Parteivorsitzender niedergelegt hat. Sonst sehe ich keine politischen Konsequenzen.

    Thiel: Die Union verlangt ein Verbot von unternehmerischer Tätigkeit der Parteien. Das betrifft insbesondere Ihre Partei. Kann sich die SPD damit anfreunden?

    Neumann: Nein, das werden wir auf keinen Fall machen. Aus der Tradition heraus haben wir immer unternehmerische Tätigkeiten befürwortet, um uns wirtschaftlich auch unabhängig zu machen. Der Ursprung ist ja gewesen, dass auf der anderen Seite die großen Unternehmen immer die Konservativen unterstützt haben. Und deshalb denke ich nicht, dass das gemacht wird. Im übrigen geht es wahrscheinlich auch gar nicht - gegen unsere Stimmen sowieso nicht -, aber es wäre ja eine Enteignung, und eine Enteignung wird nach dem Grundgesetz unter gewisse Voraussetzungen gestellt. Also, ich denke, das wird nicht kommen.

    Thiel: Nach Ihren Erfahrungen aus dem Untersuchungsausschuss: Was muss unbedingt reformiert werden im Parteiengesetz?

    Neumann: Also, die Transparenz; das ist gar keine Frage. Das Grundgesetz verlangt ja die Veröffentlichung der Einnahmen und Ausgaben - der Einnahmen insbesondere, damit die Bürger sehen, welche Einflussnahmen von außen auf die Parteien gemacht werden. Auch das Vermögen spielt eine Rolle. Ich selbst gebe ehrlich zu, dass ich überrascht war, wie viel Vermögen die SPD hatte. Ich habe mich allerdings auch nie darum gekümmert. Ich hätte das machen können und hätte es auch erfahren. Aber das - finde ich - ist schon wichtig, dass die Bürger das wissen, damit sie auch die Chancengleichheiten der Parteien abwägen können - etwa im Extremfall, wenn eine Partei so viel Vermögen hat - und ich denke da an italienische Verhältnisse -, dass sie sozusagen alles kaufen kann.

    Thiel: Wird es denn noch eine Novelle in dieser Legislaturperiode geben, notfalls auch ohne die CDU?

    Neumann: Ja, ich denke schon, man wird das machen. Aber ich muss noch mal sagen, ich würde nicht zur Eile drängen. Wir haben eine Erfahrung gemacht: Während des Flick-Untersuchungsausschusses 1983 bis 1986 wurde ein neues Parteiengesetz gemacht, das am 1.1.1984 in Kraft getreten ist. Man hat also die Erfahrung dieses Untersuchungsausschusses nicht mit eingebaut in das neue Parteiengesetz und hat am Ende geglaubt, mit dem neuen Parteiengesetz 1984 sei nun alles geregelt und es könne nichts mehr passieren. Tatsache ist ja, dass doch wieder Verstöße vorgekommen sind. Ich denke, die besten gesetzlichen Regelungen werden nichts helfen, wenn nicht das Bewusstsein der Politiker sich ändert, sich an diesem Grundgesetzartikel zu orientieren, die Einnahmen und Ausgaben der Parteien öffentlich zu machen, transparent zu machen und auch ihr Vermögen.

    Thiel: Seit September 1999 versucht nun der Untersuchungsausschuss, Licht ins Dunkel von schwarzen Kassen und dubiosen Auslandskonten zu bringen. Volker Neumann, Sie haben Erfahrungen mit parlamentarischen Untersuchungen. Konnten Sie zu Beginn dieses Untersuchungsausschusses den Umfang dieser Dimensionen erahnen?

    Neumann: Nein, auf keinen Fall. Am 2. Dezember, als der Untersuchungsausschuss eingesetzt war, war es ja eigentlich nur ein Komplex, der eng begrenzt war. Da ging es um die Frage, ob Regierungshandeln in einigen Komplexen beeinflusst ist durch Geldzahlungen - bei den Saudi-Spürpanzern, bei Hubschrauberlieferungen, Flugzeuglieferungen. Erst danach ist ja bekannt geworden, was noch sonst passiert ist.: Die ganzen schwarzen Kassen in Hessen, in der Bundes-CDU, die Schweizer Konten. Das ist alles erst im Dezember/Januar bekannt geworden und hat dann auch dazu geführt, dass der Untersuchungsauftrag erweitert worden ist. Und erst diese Erweiterung hat den Arbeitsumfang gebracht, der uns jetzt - also mich persönlich jedenfalls - seit fast zwei Jahren total in Atem hält und keine Möglichkeit gibt, andere Aufgaben wahrzunehmen.

    Thiel: Fast denkt man an einen Fortsetzungsroman. Gibt es Parallelen zur Flick-Affäre?

    Neumann: Diese ganze Affäre ist eine Parallele zur Flick-Affäre. Bei der Flick-Affäre fing es an mit dem Vorwurf von Bestechlichkeit von Regierungsmitgliedern und es endete in einer Parteispendenaffäre. Ähnlich ist es hier so. Wir haben angefangen mit der Frage: Ist Regierungshandeln gekauft worden? Das war der Beschluss vom 2. Dezember, der Untersuchungsausschussbeschluss. Es endete in einer Parteispendenaffäre; das war der zweite Teil. Aber das Faszinierende und eigentlich das Schlimmere auch ist, dass es dieselben handelnden Personen sind. In der Flick-Affäre tauchen die Namen auf, die wir auch wieder haben. Und das macht die Sache so bedrückend, dass offensichtlich aus der Flick-Affäre nicht gelernt worden ist, sondern man hat schlichtweg weitergemacht, nur eben etwas raffinierter - in der Hoffnung, dass es nicht entdeckt wird.

    Thiel: Sie haben in der letzten Legislaturperiode den Untersuchungsausschuss 'DDR-Vermögen' geleitet, der sich mit den verschwundenen Treuhand-Millionen beschäftigte, jetzt untersuchen Sie die Parteispendenaffäre. Ihr Eindruck: Ist Deutschland eine 'Bananenrepublik', ein Land der Korruption?

    Neumann: Nein, das kann man nicht sagen. Aber natürlich gibt es Schwächen in bestimmten Bereichen, die übrigens im Rahmen dieser Affäre auch aufgedeckt werden - Schwächen, soweit es die politische Verantwortlichkeit anbelangt, der Politiker. Und damit möchte ich anfangen. Wir selbst sind offensichtlich nicht bereit, Konsequenzen zu ziehen aus erkanntem Fehlverhalten. Wir müssten auch dann einen Schritt zurücktreten und sagen: 'Ich gehe aus dem politischen Bereich, aus dem öffentlichen Leben raus und mache meinen normalen Privatberuf, wenn ich solche Fehler begangen habe' - um es noch milde auszudrücken. Aber natürlich haben sich auch Schwächen gezeigt im System, dass man dieses System eben leicht ausnutzen kann. Wir hätten das System vielleicht noch verbessern müssen - der Rechenschaftspflicht der Parteien, der Kontrollmöglichkeiten, der Sanktionsmöglichkeiten. Und natürlich, was dieses Verfahren auch gezeigt hat: Es gibt auch Schwächen bei der Justiz. Das heißt, die Ermittlungsbehörden sind nicht in jedem Fall so bereit, Dingen nachzugehen, wie es vielleicht kleinen Leuten passieren würde, die als Arbeitslose mal einen Nebenverdienst nicht angegeben haben. Das wird verfolgt bis auf den letzten Blutstropfen - hätte ich beinahe gesagt -, da gibt es kein Pardon. Der Verkehrssünder, der mal falsch geparkt hat, der wird verfolgt. Das ist ganz einfach systematisch vorbereitet von den Behörden. Aber hier, wenn es etwas kompliziert wird, dann schreckt man zurück und die Ermittlungen stocken am Anfang oder werden dann einfach in einem 'Gentleman Agreement' eingestellt. Und das ist bedrückend.

    Thiel: Was war für Sie die größte Überraschung bei den Untersuchungen; dass Walther Leisler-Kiep plötzlich eine Million auf seinem Konto entdeckt, die ihm nicht gehört?

    Neumann: Nein. Die größte Überraschung war eigentlich die Tatsache, dass man, während das gesamt Flick-Verfahren lief - also, der Untersuchungsausschuss des Bundestages tagte von 83 bis 86, die Strafverfahren liefen nicht nur gegen Politiker, sondern gegen Wirtschaftsführer, die Presse praktisch täglich über diesen Vorfall unterrichtete, der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl kurz vor seinem Rücktritt stand - dass man dennoch einfach weitergemacht hat. Es wurden Schwarzgelder einkassiert, auf Schweizer Konten gebracht, es wurde eine Million in Bargeld angenommen, nicht deklariert; es verschwand dann in den Händen derer, die das aufzuteilen hatten. Es wurden Spenden fingiert - ich denke an die 20 Millionen der Hessen, die in die Schweiz gebracht worden sind, als 'jüdische Vermächtnisse' dann zurückgebracht wurden. Alles dies ist so schlimm gewesen; das war für mich die größte Überraschung.

    Thiel: Sie haben viele Bereiche zu untersuchen in diesem Ausschuss. Bleiben wir mal beim Parteispendenkomplex: Die CDU sagt, es ist alles aufgeklärt. Stimmt das?

    Neumann: Nein, das weiß sie ja auch ganz genau. Ich nenne nur eben zwei Punkte, weil das ganz klar ist: Wir wissen bisher immer noch nicht, wo Helmut Kohl sein Geld herbekommen hat; wir wissen auch gar nicht den Umfang - er behauptet: 2,1 Millionen. Und wir wissen vor allen Dingen nicht, woher kommen die vielen Millionen, die auf diese Schweizer Konten geflossen sind? Wer hat denn das Geld gegeben und mit welchem Zweck hat er es gegeben? Das ist doch das, was die Öffentlichkeit interessiert. Und hier ist die Aufklärung noch gar nicht so weit gekommen, dass wir auch nur annähernd sagen können: Wir haben alles getan, um das aufzuklären.

    Thiel: Der CDU-Geschäftsführer Willi Hausmann sagt aber, es ist nichts Neues mehr zu finden. Haben Sie denn alle Belege bekommen?

    Neumann: Nein, das ist auch nicht ganz richtig. Wir werden ja, etwa in der Schweiz, noch zwei Zeugen vernehmen zu den Schweizer Konten. Und ich bin fest davon überzeugt, dass die eidesstattliche Versicherung des Bevollmächtigten von Herrn Kiep, Lüthje, der gesagt hat, dieses Geld kommt aus dem Bereich Siemens, dass diese richtig ist. Ich habe gar keinen Anlass, daran zu zweifeln. Nur den Beweis haben wir noch nicht erbringen können, wenn man nicht die eidesstattliche Versicherung als solche als Beweis ansieht.

    Thiel: Bleiben wir bei Siemens; da gab es - eben durch Uwe Lüthje, durch den ehemaligen CDU-Generalbevollmächtigten - den Hinweis. Wie können Sie eine solche Spur weiter verfolgen?

    Neumann: Ja, ich habe das ja seit letzten Sommer versucht, auch der CDU klarzumachen, wie so etwas möglich ist. Man muss zunächst mal an die Einzahlungsbelege ran. Es hat ja bis Mai d.J. gedauert, dass wir überhaupt die Einzahlungsbelege bekommen haben, und ich habe mich nur konzentriert auf eine einzige Einzahlung von 2 Millionen Mark am 26.11.1990, weil das eben innerhalb einer Aufbewahrungsfrist der Bankbelege liegt. Und tatsächlich: Im Mai habe ich nun diesen Beleg gekriegt und festgestellt, dass dieses Geld eingezahlt worden ist von einem Herrn Steinmann. Der hat auf Anfrage ganz schnell erklärt, er habe das Geld von Herrn Weyrauch gekriegt. Und jetzt kommt das Überraschende: Herr Weyrauch erklärt uns, er kann sich an eine Bareinzahlung von 2 Millionen Mark nicht mehr erinnern. Wir wissen aber zwischenzeitlich, dass Herr Weyrauch sich an ganz andere Vorgänge mit viel geringeren Summen minutiös erinnern kann. Das heißt, im Augenblick stocken wir bei der Auskunftspflicht des Herrn Weyrauch. Die CDU hätte das Recht, ihn zu zwingen. Er war ihr Wirtschaftsberater und ist vertraglich verpflichtet, Auskunft zu geben.

    Thiel: Also mangelnde Aufklärung in der CDU?

    Neumann: Ich glaube, dass ein großer Teil der CDU und auch in der jetzigen Parteispitze Aufklärung will, aber offensichtlich noch nicht mit der richtigen Energie daran gegangen ist. Es gibt aber auch einen großen Teil, der am liebsten diese Affäre einschlafen lassen will, also nach dem Motto: 'Wir sitzen das aus'. Aber man sieht ja nach eineinhalb Jahren, das klappt diesmal nicht.

    Thiel: Helmut Kohl sagt, er wusste nichts von den schwarzen Kassen. Walther Leisler-Kiep, der Schatzmeister, sagt, er kannte Norfolk auch nicht. Wer hat denn von den damaligen Vorgängen was wissen müssen; wer waren die Verantwortlichen nach Ihren bisherigen Erkenntnissen?

    Neumann: Also, Helmut Kohl wusste natürlich von seinen eigenen schwarzen Kassen. Aber er sagt, von den Schweizer Konten wusste er nichts - also wo die jährliche Million in bar eingezahlt sein soll, die aus dem Siemens-Bereich kamen. Wissen musste es ja der Sonderbevollmächtigte; der hat ja in einer eidesstattlichen Erklärung uns das mitgeteilt. Wissen musste es auch der Wirtschaftsberater Weyrauch, denn der hat das Geld in kleinen Tranchen nach Deutschland gebracht. Und er selbst hat ja auch zwei Millionen eingezahlt - eben am 26.11.1990. Und da es um so große Summen geht, bin ich sicher, dass der Sonderbevollmächtigte auch seinen Schatzmeister, nämlich der Bevollmächtigte den Schatzmeister ihn informiert hat. Also auch Walther Leisler-Kiep wusste nach meiner Einschätzung von diesen Geldern. Warum er heute uns das verschweigt oder das sogar leugnet, ist mir unbegreiflich. Ich kann das nur aus den besonderen Beziehungen zu der Firma Siemens heraus erklären.

    Thiel: In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem Verdacht, dass die Bundesregierung damals käuflich, bestechlich gewesen ist. Konnten Sie diesen Verdacht inzwischen erhärten? Gibt es dafür Beweise?

    Neumann: Wir sind ja noch nicht am Ende, und uns fehlen zu wichtigen Teilbereichen Zeugen - etwa zu der Frage der Saudi-Spürfüchse konnten wir nicht vernehmen den Staatssekretär Pfahls, der international gesucht wird, der eine entscheidende Rolle spielt in diesem Komplex und offensichtlich 3,8 Millionen Mark bekommen hat für seine Tätigkeit in diesem Bereich. Wir konnten nicht vernehmen Herrn Schreiber, der 1 Million gegeben hat im Zusammenhang mit dieser Lieferung. Und wir haben noch Aussageverweigerungsrecht bei einigen Zeugen. Also, ich kann das nicht endgültig sagen. Im Augenblick nach dem jetzigen Stand sehe ich allerdings keinen Hinweis darauf, dass eine direkte Zahlung versprochen ist - Zug um Zug gegen Genehmigung der Lieferung bzw. Bereitstellung der Spürfüchse. Aber es lässt sich folgendes System erkennen: Eine Regierungsentscheidung wird getroffen, und anschließend wird kassiert - im Falle der Spürfüchse eine Million auf dem Parkplatz in Sankt Margarethen. Im Fall Ehlerding: Es wird eine Entscheidung getroffen, die dem Steuerzahler - wenn sie so durchgeführt worden wäre - eine Milliarde Mark gekostet hätte, und anschließend wird kassiert - in diesem Fall fünf Millionen von Ehlerding. Wir wissen, dass im Bereich Leuna zumindest einzelne Leute der CDU auch kassiert haben, Frau Hürland-Büning etwa. Also, man kann schon ein gewisses System erkennen. Von einer Bestechlichkeit jetzt schon zu reden, wäre verfrüht.

    Thiel: In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage auch den Zeugen, nach ihrem Verhalten im Untersuchungsausschuss. Wie beurteilen Sie das? Die meisten haben entweder das Aussageverweigerungsrecht in Anspruch genommen oder können sich an entscheidende Details nicht erinnern. Wie beurteilen Sie das Verhalten der Zeugen?

    Neumann: Nun, es gibt Zeugen, die sich wohl bemühen, auszusagen. Ich will meinen, dass von den 108 Zeugen, die wir vernommen haben, der größte Teil sich bemüht, auszusagen. Aber es gibt natürlich ganz entscheidende Zeugen, die von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen, und zwar berechtigt, weil strafrechtliche Ermittlungsverfahren laufen oder wo es ganz glaubhaft ist, dass sie, wenn sie wahrheitsgemäß aussagen würden, sich selbst solchen Ermittlungen aussetzen würden. Da kann man wenig machen. Aber dann gibt es eben einen Teil von Zeugen, bei denen ganz offensichtlich die Erinnerungslücken vorgespielt sind oder die uns auch plump die Unwahrheit sagen. Das sind allerdings die Ausnahmefälle. Wir haben gesagt, und ich sage das auch noch mal ganz deutlich: Immer dann, wenn ich das Gefühl habe, dass hier wir vorsätzlich belogen werden, gebe ich die Sache an die Staatsanwaltschaft in Berlin zur weiteren Ermittlung.

    Thiel: Können Sie eigentlich während staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen parallel im Untersuchungsausschuss ihren Auftrag wirklich erfüllen?

    Neumann: Ja, uns bleibt nichts anderes übrig. Man muss sich die Zeitabläufe einfach mal vor Augen führen. Bei dem Flick-Verfahren hat es vom Anfang der Ermittlungen bis zum Ende - etwa im Fall Leisler-Kiep - 11 Jahre gedauert. Wir haben nur zweieinhalb Jahre zur Verfügung, um aufzuklären. Also, wir müssen parallel unsere Aufklärung betreiben und bekommen ja auch in vielen Fällen Hilfen von der Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen.

    Thiel: Der Vorwurf kommt aber: 'Als Tiger gestartet und dann als Bettvorleger gelandet' - der Untersuchungsausschuss ohne konkrete Ergebnisse. Was sagen Sie dazu? Ist er nur noch das politische Kampfinstrument?

    Neumann: Nein, das ist so die Vorstellung von vielen Menschen, die glauben, dass Riesensensationen bei den öffentlichen Beweisaufnahmen herauskommen. Das ist der Ausnahmefall. In Wirklichkeit versuchen wir, Sachverhalte festzustellen und beweiserhebliche Tatsachen festzustellen, die dann in einem Bericht nieder-geschrieben werden, um den anschließend zu bewerten und die politischen Verantwortlichkeiten festzustellen. Wir glauben, und ich bin auch persönlich überzeugt, dass wir sehr viel herausbekommen haben. Die Leute vergessen nur manchmal, was im Laufe der Wochen, der Monate an die Öffentlichkeit gelangt ist und was zum großen Teil auf die Initiativen oder auf die Ermittlungen unseres Untersuchungsausschusses zurückzuführen ist.

    Thiel: Dieter Holzer und Karl-Heinz Schreiber reden eigentlich nur mit der Presse. Holger Pfahls ist untergetaucht. Nun kam aber in der letzten Woche eine ganz positive Nachricht: Sie können neue Zeugen befragen. Um wen handelt es sich?

    Neumann: Ja, das ist für Insider schon eine ganz erfreuliche Sache, dass die französische Regierung uns gestattet als deutschen Untersuchungsausschuss, in Frankreich Zeugen zu vernehmen. Und es haben sich eine Reihe von Zeugen bereiterklärt, in Frankreich auszusagen. Das ist Herr Tarallo, das ist Guelfi, und das ist natürlich der bekannte Alfred Sirven, der allerdings in der Justizvollzugsanstalt einsitzt. Und wir hoffen auch, dass wir den früheren Außenminister Dumas noch hören können - eben alle zu dem Komplex 'Privatisierung von Leuna - Minol'.

    Thiel: Seit 1997 ist der Verkauf von Leuna - Minol an den französischen Erdöl-Konzern Elf-Aquitaine in den Schlagzeilen. Sie fahren nun im September nach Paris. Bisher wurde von den ehemaligen Elf-Managern immer von Geldflüssen nach Deutschland berichtet. Haben Sie große Erwartungen an die Zeugen? Werden sie nun Empfängernamen nennen?

    Neumann: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber natürlich: Ausgangspunkt dieser ganzen Vorwürfe sind französische Ermittlungen und sind eben diese Zeugen, wie etwa Herr Tarallo, der immer darauf hingewiesen hat, dass Gelder an deutsche Politiker geflossen sind, und er hat auf die CDU gewiesen. Das heißt also, wenn diese Zeugen bei ihren Aussagen bleiben, dann müssen wir fragen: Welche Namen habt Ihr? Das ist unsere Aufgabe. Ich bin aber nicht sicher, ob das geschehen wird.

    Thiel: Leuna hat die deutschen Staatsanwaltschaften bisher wenig interessiert. Der Genfer Generalstaatsanwalt Bernard Bertossa beklagt die deutsche Funkstille. Jetzt kommen 60 Ordner über die deutsche Spur in die Bundesrepublik. Was versprechen Sie sich davon?

    Neumann: Herr Bertossa hat ja abgelehnt, bei uns auszusagen. Das ist auch nach Schweizer Recht wohl nicht möglich, weil die Schweizer Justizbehörden nur deutschen Justizbehörden Unterlagen und Dokumente, also Akten geben können. Und nachdem keine deutsche Justizbehörde die angefordert hat, hat er sie praktisch angeboten. Und wir erwarten in diesen Unterlagen Belege für den Verdacht, den die Generalstaatsanwaltschaft bzw. der Untersuchungsrichter Perraudin geäußert hat, den Verdacht, dass von den 256 Millionen Franc, die von Elf-Aquitaine gezahlt worden sind, alles oder ein Teil an öffentliche Entscheidungsträger oder auch an gewählte Vertreter - das heißt also an Abgeordnete - gezahlt worden sind. So heißt es ausdrücklich in dem Dossier von Perraudin. Und deshalb sind diese 60 Akten sehr wichtig für uns, und ich hoffe, dass wir sie bald bekommen.

    Thiel: Dieter Holzer - die Schlüsselfigur in diesem Skandal - sagt nun aber, dass die rund 80 Millionen Mark ausschließlich sein Honorar gewesen sind und er die persönlich kassiert hat. Also - eigentlich nichts dran an diesem Skandal, oder haben Sie inzwischen mehr als nur Verdachtsmomente?

    Neumann: Also, wir haben erst mal zur Kenntnis genommen, dass Dieter Holzer die Aussage verweigert hat - das ist sein Recht -, sich aber öffentlich äußert; da unterliegt er nicht der Wahrheitspflicht. Aber für uns war wichtig: Er hat sich schriftlich geäußert gegenüber der Staatsanwaltschaft. Und das, was er als Tätigkeitsmerkmale genannt hat, wofür er die 80 Millionen Mark bekommen hat - man muss das ja immer wiederholen, 80 Millionen D-Mark -, genau diese Tätigkeitsmerkmale will auch Herr Dr. Friedrichs, der frühere Bundeswirtschaftsminister, erfüllt haben. Das heißt, er hat uns als Zeuge ausgesagt, dass er folgende Maßnahmen - a, b, c, d, e - getroffen hat; er hat nie etwas von einem Herrn Holzer gehört. Aber zwei Leute, die das gleiche machen, die müssten eigentlich voneinander gehört haben. Und dass Herr Dr. Friedrichs von Elf-Aquitaine beauftragt worden ist, auch Honorar dafür bekommen hat in ziemlicher Höhe, das steht fest; das hat er auch nicht bestritten. Also, Herr Holzer ist da in eine schwierige Lage mit seiner Aussage gekommen.

    Thiel: Wofür musste eigentlich damals Schmiergeld bezahlt werden von Elf? Es gab doch nur einen Interessenten bei diesem Leuna-Deal, nämlich Elf?

    Neumann: Ja, das wird oft falsch gesehen. Es ging gar nicht um die Frage, wer die Leuna-Minol bekam. Das war wohl sehr frühzeitig klar, dass das nach Elf-Aquitaine ging. Das Schmiergeld wurde gezahlt nach den Aussagen gegenüber der Presse, um die Subventionen zu sichern, denn dieser Aufbau von Leuna-Minol rechnete sich für Elf-Aquitaine nur dann, wenn die Subventionen, die öffentlichen Gelder, in dem Umfange flossen, wie man sich das vorgestellt hatte. Und dafür brauchte man die Unterstützung der Bundes- und der Landesregierung. Und es gab noch einen zweiten Punkt: Es war die Gefahr, dass eine Pipeline gebaut wurde zwischen Wilhelmshaven und Leuna, und die hätte das Werk auch unrentabel gemacht. Und die musste auf jeden Fall verhindert werden. Für diese beiden Punkte, so sagen die Leuna-Verantwortlichen, musste Lobby betrieben werden, oder - wie sie sagten - die 'afrikanische Methode' angewandt werden. Jeder kann sich selbst darunter vorstellen, was damit gemeint ist.

    Thiel: In diesem Zusammenhang sollte auch der heutige Bundeskanzler und damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder gehört werden. Die Ausschussmehrheit hat dies abgelehnt. Warum?

    Neumann: Also, es gibt aus den Unterlagen, die wir von der niedersächsischen Landesregierung bekommen haben, keinen Anhaltspunkt dafür, dass er etwas gemacht hat in dem Zusammenhang. Es gab zwar ein Gespräch mit Herrn Dr. Friedrichs, aber zu einem Zeitpunkt, als die Pipeline schon durch die Maßnahmen der Regierung in Sachsen-Anhalt verhindert worden ist. Wir werden deshalb Herrn Münch, der damals Ministerpräsident war, hören zu dieser Frage. Und anhand des zeitlichen Ablaufs wird man feststellen, dass das Gespräch zwischen Herrn Schröder und Herrn Dr. Friedrichs für Elf-Aquitaine in diesem Fall später lag und damit kein Einfluss von Niedersachsen erfolgt ist in diese Richtung.

    Thiel: Nicht alle Komplexe konnten wir hier besprechen und können Sie auch in Ihrem Untersuchungsausschuss, Herr Neumann, abschließend untersuchen. Wenn es erfolgsversprechende Ansätze gibt, dann wird es einen neuen Untersuchungsausschuss geben, sagen Sie. Welche Bereiche wird es betreffen?

    Neumann: Das kann ich nicht sagen. Am Ende unserer Beweisaufnahme - also Ende des Jahres/Anfang nächstes Jahr -, wenn wir unseren Bericht schreiben, dann sehen wir, ob es noch Möglichkeiten gibt, weitere Aufklärung, und zwar entscheidende Aufklärung - nicht in Nebengebieten - zu machen. Und wenn das der Fall ist, dann würden wir allerdings dem Bundestag empfehlen - dem neuen Bundestag empfehlen -, zu überlegen, ob der Ausschuss fortgesetzt wird. Falls das nicht der Fall ist, dann wird solch eine Empfehlung nicht abgegeben.

    Thiel: Könnte es sein, dass Sie Teile im Abschlussbericht dann auch offen lassen müssen?

    Neumann: Ja, selbstverständlich, denn es laufen ja parallel zu unserem Abschlussbericht eine Reihe von Strafverfahren. Man muss ja daran denken, dass die Anklagen gegen Kanther und gegen Prinz Seim Wittgenstein noch nicht zugelassen sind und die Hauptverhandlungen noch nicht eröffnet sind. Das Verfahren wegen der Saudi-Panzer in Augsburg beginnt erst im November. Also, während wir unseren Bericht schreiben, werden Hauptverhandlungen und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft weitergehen, so dass wir notgedrungen Dinge offen lassen müssen.