Doris Simon: Es könnte ein schwerer Gang werden heute für den älteren Herrn mit dem durchgedrückten Rücken. Heute soll das Wiesbadener Landgericht urteilen über den früheren Bundesinnenminister Manfred Kanther, ebenso über den mitangeklagten Horst Weihrauch, früher Finanzberater der CDU. Es geht auch um die schwarzen Kassen der hessischen CDU. Es geht um zehn Millionen Euro ungeklärter Herkunft, die Manfred Kanther - damals Generalsekretär der Hessen-CDU - 1983 auf einem Konto in der Schweiz deponiert hatte. Damit hatte er bewusst ein neues Parteiengesetz umgangen, das die Offenlegung von Vermögen verlangte. Als die schwarze Kasse enttarnt wurde, waren nur noch 8,5 Millionen Euro in ihr. Die CDU musste in der Folge 22 Millionen Euro Strafe zahlen und die Staatsanwaltschaft klagte Kanther und Weihrauch wegen Untreue an. Jetzt hat sie Geldstrafen gefordert: für den früheren Innenminister 72.000 Euro, den früheren Finanzberater 36.000 Euro. Die Verteidigung plädiert auf Freispruch. – Am Telefon ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Volker Neumann, der den Vorsitz inne hatte im Bundestagsuntersuchungsausschuss zur CDU-Spendenaffäre. Herr Neumann, was erwarten Sie? Mit was für einem Urteil rechnen Sie?
Volker Neumann: Also das ist ganz schwer zu sagen, weil das eine schwierige juristische Frage ist. Ob diese Vorgänge verjährt sind, ist die eine Frage und zweitens, ob der Untreuetatbestand erfüllt ist. Das ist einer der schwierigsten Tatbestände im Strafgesetzbuch. Ich kann das nicht voraussagen, weil ich den Prozess im Einzelnen nicht verfolgt habe. Unabhängig aber von diesem Urteil bleibt, dass Herr Kanther politisch etwas getan hat, was nicht akzeptabel ist, dass er nämlich gegen das Parteiengesetz, aber vor allen Dingen auch gegen das Grundgesetz verstoßen hat, denn das Grundgesetz legt ja schon fest, dass die Parteifinanzen transparent sind.
Simon: Was bringt es Ihrer Meinung nach, wenn Manfred Kanther und Horst Weihrauch nun verurteilt werden? Wirkt das wirklich abschreckend?
Neumann: Das glaube ich schon. Zum einen muss man sagen, dass wir jetzt in das Parteiengesetz eigene Straftatbestände eingebaut haben, aber zum anderen würde dann deutlich werden, dass man ungestraft so etwas nicht machen kann, einerseits in der Öffentlichkeit für Gesetz und Ordnung eintreten, ja sogar den Eid schwören, die Gesetze zu wahren, und andererseits die Gesetze zu umgehen. Insofern glaube ich, ist das schon heilsam, ganz abgesehen von der Strafe, die ja ihn trifft und aber auch schon die Partei getroffen hat. Es steht ja dann auch noch die Frage eines Schadensersatzanspruchs offen.
Simon: Ja. Gehen Sie in dieser Frage davon aus, dass die CDU eine Schadensersatzanklage gegen Manfred Kanther anstrengt? Als Erinnerung: sie musste ja 21 Millionen Euro Strafe zahlen an die Bundestagskasse wegen des eben fehlerhaften Rechenschaftsberichtes, in dem die schwarzen Kassen nicht auftauchten.
Neumann: Also ich habe da meine Bedenken. Es hätte ja schon solche Ansprüche gegeben gegen Walter Leisler-Kiep, der die Millionen von Walter Schreiber genommen hat, der aber auch noch Gelder für die Bundes-CDU schwarz verwaltet hat in der Schweiz. Es gab die Möglichkeit, Ansprüche zu erheben gegen Lüttje, den damaligen Schatzmeister, der leider inzwischen verstorben ist. Also ich denke, es wird nicht passieren, weil alle die Angst haben werden, dass in einem solchen Zivilprozess möglicherweise weitere Tatsachen bekannt werden, die die Dinge noch viel schlimmer machen. Ich glaube wir wissen nicht alles in dieser Parteispendenaffäre. Wir wissen ja bis heute noch nicht, woher das Geld gekommen ist, das die Bundes-CDU in der Schweiz auf schwarzen Konten hat, und wir wissen auch gar nicht, woher das Geld gekommen ist, das Kanther auf den Schweizer Konten hatte.
Simon: Genau dieser Punkt konnte auch nicht geklärt werden jetzt in dem Verfahren in Wiesbaden. Fest steht nur: Als die schwarze Kasse der Hessen-CDU in der Schweiz enttarnt wurde, enthielt sie noch etwa 8,5 Millionen Euro. Die hat dann der hessische CDU-Vorsitzende Koch als rechtmäßiges Eigentum der hessischen CDU beansprucht und er hat dies damit begründet, dieses schwarz geparkte Geld sei aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen und staatlichen Zuschüssen. Jetzt hat sich aber wieder auch in diesem Prozess gezeigt, was sich schon früher andeutete, dass das Geld, was eben von der Hessen-CDU in die Schweiz ging, schon vorher außerhalb des offiziellen Parteitags geführt wurde. So etwas tut man doch nicht mit Geld, was man reguliert bekommt. Durfte die Hessen-CDU das Geld überhaupt zurückfordern und auch bekommen?
Neumann: Also das ist schon eine Frage. Sie haben vollkommen Recht. von 1969 bis 1980 sind über die so genannten staatsbürgerlichen Vereinigungen über 200 Millionen damals D-Mark an die CDU geflossen und man vermutet immer, dass ein Restbestand von diesem Geld das Geld ist, was in die Schweiz gegangen ist, dass man also einen zweiten Grund hatte zu verheimlichen, woher das Geld kam. Wenn das so ist, dann stellt sich tatsächlich die Frage, durfte sie das Geld behalten. Aber wir wissen ja: Sie hat ja vorher von diesen Schweizer Konten bereits viele Millionen abgezogen, die dann als jüdische Vermächtnisse getarnt worden und in die Hessen-CDU geflossen sind.
Simon: Sie sagten eingangs, inzwischen gäbe es ja weitergehende Regeln im Parteiengesetz. Nun liegt es 22 Jahre zurück, dass Manfred Kanther und die anderen diese zehn Millionen Euro Schwarzgeld in die Schweiz geschafft haben. Sind heutzutage denn nicht nur die Vorschriften, sondern auch die Kontrollen ausreichend, dass sich so etwas nicht mehr wiederholt?
Neumann: Ich habe häufiger schon erklärt, die Kontrollen wären dann ausreichend, wenn das Bewusstsein für das Unrecht bei allen Parteien so wäre, dass so etwas nicht mehr passiert. Ich habe eher das Gefühl, man passt besser auf. Wir haben ja diese Parteispendenaffäre erleben müssen als zweite nach der Flick-Affäre, bei der auch unrechtmäßigerweise Parteigelder eingesammelt worden sind eben über diese staatsbürgerlichen Vereinigungen. Man hat also einen zweiten Fall gehabt, und deshalb schließe ich nicht aus, dass in fünf oder zehn Jahren wir einen ähnlichen Skandal haben, wenn wir uns nicht immer wieder bewusst werden, dass es eine Verpflichtung nach dem Grundgesetz und nach dem Parteiengesetz ist, die Einnahmen der Parteien transparent zu machen.
Simon: Die vielen Parteispendenskandale und Prozesse, angefangen von Flick bis heute, können Sie eigentlich nachvollziehen, dass manche Leute meinen, all diese Aufklärung habe im Grunde nur dazu geführt, dass Politiker heute geschickter und eleganter umgehen mit Schwarzgeld und illegalen Parteispenden als früher?
Neumann: Natürlich ärgert mich auch, wie leicht vergesslich die Menschen sind und wie Ehrungen vorgenommen werden von Leuten wie bei dem ehemaligen Bundeskanzler Kohl, wo vergessen wird, dass er gegen ein Gesetz verstoßen hat, was er selbst geschaffen hat, und das in einer Zeit, in der eine Affäre hochbrodelte, nämlich die Flick-Affäre, dass also so viel Energie aufgewendet worden ist, gegen Gesetze zu verstoßen, und dass man dies alles bei Seite schiebt. Deshalb macht mich das so skeptisch, ob nicht so etwas wieder passieren kann. Ich denke es ist wirklich eine Frage des Bewusstseins und weniger der Gesetze, dass Parteispendenaffären dieser Art verhindert werden können.
Simon: Das heißt weiterhin helfen nur Appelle?
Neumann: Appelle und Erinnerungen daran. Ich finde es ist wichtig, dass solche Ereignisse wie ein solcher Prozess zum Anlass genommen werden, daran zu erinnern. Wir haben ja möglicherweise noch einmal die Gelegenheit, wenn Herr Pfahls oder Herr Schreiber vor Gericht gestellt werden. Also das ist wichtig, dass auch alle die, die das damals nicht verfolgt haben, heute wissen, was vor sich gegangen ist.
Simon: Heute soll das Urteil fallen in Wiesbaden gegen den früheren Bundesinnenminister Manfred Kanther. Das war ein Gespräch mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Volker Neumann.
Volker Neumann: Also das ist ganz schwer zu sagen, weil das eine schwierige juristische Frage ist. Ob diese Vorgänge verjährt sind, ist die eine Frage und zweitens, ob der Untreuetatbestand erfüllt ist. Das ist einer der schwierigsten Tatbestände im Strafgesetzbuch. Ich kann das nicht voraussagen, weil ich den Prozess im Einzelnen nicht verfolgt habe. Unabhängig aber von diesem Urteil bleibt, dass Herr Kanther politisch etwas getan hat, was nicht akzeptabel ist, dass er nämlich gegen das Parteiengesetz, aber vor allen Dingen auch gegen das Grundgesetz verstoßen hat, denn das Grundgesetz legt ja schon fest, dass die Parteifinanzen transparent sind.
Simon: Was bringt es Ihrer Meinung nach, wenn Manfred Kanther und Horst Weihrauch nun verurteilt werden? Wirkt das wirklich abschreckend?
Neumann: Das glaube ich schon. Zum einen muss man sagen, dass wir jetzt in das Parteiengesetz eigene Straftatbestände eingebaut haben, aber zum anderen würde dann deutlich werden, dass man ungestraft so etwas nicht machen kann, einerseits in der Öffentlichkeit für Gesetz und Ordnung eintreten, ja sogar den Eid schwören, die Gesetze zu wahren, und andererseits die Gesetze zu umgehen. Insofern glaube ich, ist das schon heilsam, ganz abgesehen von der Strafe, die ja ihn trifft und aber auch schon die Partei getroffen hat. Es steht ja dann auch noch die Frage eines Schadensersatzanspruchs offen.
Simon: Ja. Gehen Sie in dieser Frage davon aus, dass die CDU eine Schadensersatzanklage gegen Manfred Kanther anstrengt? Als Erinnerung: sie musste ja 21 Millionen Euro Strafe zahlen an die Bundestagskasse wegen des eben fehlerhaften Rechenschaftsberichtes, in dem die schwarzen Kassen nicht auftauchten.
Neumann: Also ich habe da meine Bedenken. Es hätte ja schon solche Ansprüche gegeben gegen Walter Leisler-Kiep, der die Millionen von Walter Schreiber genommen hat, der aber auch noch Gelder für die Bundes-CDU schwarz verwaltet hat in der Schweiz. Es gab die Möglichkeit, Ansprüche zu erheben gegen Lüttje, den damaligen Schatzmeister, der leider inzwischen verstorben ist. Also ich denke, es wird nicht passieren, weil alle die Angst haben werden, dass in einem solchen Zivilprozess möglicherweise weitere Tatsachen bekannt werden, die die Dinge noch viel schlimmer machen. Ich glaube wir wissen nicht alles in dieser Parteispendenaffäre. Wir wissen ja bis heute noch nicht, woher das Geld gekommen ist, das die Bundes-CDU in der Schweiz auf schwarzen Konten hat, und wir wissen auch gar nicht, woher das Geld gekommen ist, das Kanther auf den Schweizer Konten hatte.
Simon: Genau dieser Punkt konnte auch nicht geklärt werden jetzt in dem Verfahren in Wiesbaden. Fest steht nur: Als die schwarze Kasse der Hessen-CDU in der Schweiz enttarnt wurde, enthielt sie noch etwa 8,5 Millionen Euro. Die hat dann der hessische CDU-Vorsitzende Koch als rechtmäßiges Eigentum der hessischen CDU beansprucht und er hat dies damit begründet, dieses schwarz geparkte Geld sei aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen und staatlichen Zuschüssen. Jetzt hat sich aber wieder auch in diesem Prozess gezeigt, was sich schon früher andeutete, dass das Geld, was eben von der Hessen-CDU in die Schweiz ging, schon vorher außerhalb des offiziellen Parteitags geführt wurde. So etwas tut man doch nicht mit Geld, was man reguliert bekommt. Durfte die Hessen-CDU das Geld überhaupt zurückfordern und auch bekommen?
Neumann: Also das ist schon eine Frage. Sie haben vollkommen Recht. von 1969 bis 1980 sind über die so genannten staatsbürgerlichen Vereinigungen über 200 Millionen damals D-Mark an die CDU geflossen und man vermutet immer, dass ein Restbestand von diesem Geld das Geld ist, was in die Schweiz gegangen ist, dass man also einen zweiten Grund hatte zu verheimlichen, woher das Geld kam. Wenn das so ist, dann stellt sich tatsächlich die Frage, durfte sie das Geld behalten. Aber wir wissen ja: Sie hat ja vorher von diesen Schweizer Konten bereits viele Millionen abgezogen, die dann als jüdische Vermächtnisse getarnt worden und in die Hessen-CDU geflossen sind.
Simon: Sie sagten eingangs, inzwischen gäbe es ja weitergehende Regeln im Parteiengesetz. Nun liegt es 22 Jahre zurück, dass Manfred Kanther und die anderen diese zehn Millionen Euro Schwarzgeld in die Schweiz geschafft haben. Sind heutzutage denn nicht nur die Vorschriften, sondern auch die Kontrollen ausreichend, dass sich so etwas nicht mehr wiederholt?
Neumann: Ich habe häufiger schon erklärt, die Kontrollen wären dann ausreichend, wenn das Bewusstsein für das Unrecht bei allen Parteien so wäre, dass so etwas nicht mehr passiert. Ich habe eher das Gefühl, man passt besser auf. Wir haben ja diese Parteispendenaffäre erleben müssen als zweite nach der Flick-Affäre, bei der auch unrechtmäßigerweise Parteigelder eingesammelt worden sind eben über diese staatsbürgerlichen Vereinigungen. Man hat also einen zweiten Fall gehabt, und deshalb schließe ich nicht aus, dass in fünf oder zehn Jahren wir einen ähnlichen Skandal haben, wenn wir uns nicht immer wieder bewusst werden, dass es eine Verpflichtung nach dem Grundgesetz und nach dem Parteiengesetz ist, die Einnahmen der Parteien transparent zu machen.
Simon: Die vielen Parteispendenskandale und Prozesse, angefangen von Flick bis heute, können Sie eigentlich nachvollziehen, dass manche Leute meinen, all diese Aufklärung habe im Grunde nur dazu geführt, dass Politiker heute geschickter und eleganter umgehen mit Schwarzgeld und illegalen Parteispenden als früher?
Neumann: Natürlich ärgert mich auch, wie leicht vergesslich die Menschen sind und wie Ehrungen vorgenommen werden von Leuten wie bei dem ehemaligen Bundeskanzler Kohl, wo vergessen wird, dass er gegen ein Gesetz verstoßen hat, was er selbst geschaffen hat, und das in einer Zeit, in der eine Affäre hochbrodelte, nämlich die Flick-Affäre, dass also so viel Energie aufgewendet worden ist, gegen Gesetze zu verstoßen, und dass man dies alles bei Seite schiebt. Deshalb macht mich das so skeptisch, ob nicht so etwas wieder passieren kann. Ich denke es ist wirklich eine Frage des Bewusstseins und weniger der Gesetze, dass Parteispendenaffären dieser Art verhindert werden können.
Simon: Das heißt weiterhin helfen nur Appelle?
Neumann: Appelle und Erinnerungen daran. Ich finde es ist wichtig, dass solche Ereignisse wie ein solcher Prozess zum Anlass genommen werden, daran zu erinnern. Wir haben ja möglicherweise noch einmal die Gelegenheit, wenn Herr Pfahls oder Herr Schreiber vor Gericht gestellt werden. Also das ist wichtig, dass auch alle die, die das damals nicht verfolgt haben, heute wissen, was vor sich gegangen ist.
Simon: Heute soll das Urteil fallen in Wiesbaden gegen den früheren Bundesinnenminister Manfred Kanther. Das war ein Gespräch mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Volker Neumann.