Ude: Grüß Sie Gott.
Breker: Am Abend in Hannover wird es um die Neuordnung der Gemeindefinanzen gehen. Ein Punkt darin: die Gewerbesteuer. Sie soll möglicherweise auf eine breitere Basis gestellt werden. Herr Ude, die Union hingegen fordert nicht zuletzt hier in diesem Sender, die Gewerbesteuer ganz abzuschaffen. Könnten Sie mit einer Abschaffung der Gewerbesteuer leben und wenn, unter welchen Bedingungen?
Ude: Die Abschaffung der Gewerbesteuer wäre eine helle Katastrophe für alle Städte und Gemeinden. Das ist eine Idee der Industrie, von der sämtliche seriöse Politiker Abstand genommen haben. Das kommt überhaupt nicht in Frage. Es ist ja die wichtigste Einnahmequelle der Städte und Gemeinden und damit unverzichtbar. Was wir aber brauchen ist eine Reform der Gemeindefinanzen, eine Reform der Gewerbesteuer mit dem Ziel, sie zu stärken. Denn gerade in den letzten Jahren hat sich herausgestellt, welche Löcher die Steuervermeidungsstrategie großer Unternehmen in die Stadtsäckel hineinreißen kann. Da gab es ja zum Teil Einbrüche um 50, um 60, in einigen Städten sogar um 100 Prozent. Das heißt, die Gewerbesteuer muss wieder auf gesunde Beine gestellt werden. Dazu gehört, dass sie auf mehr Schultern verteilt wird als bisher und dass sie mehr Sachverhalte erfasst, nicht nur den erklärten steuerlichen Gewinn.
Breker: Herr Ude, das klingt wie: verbreitern und verkomplizieren.
Ude: Nicht verkomplizieren, sondern einfach den wirtschaftlichen Realitäten Rechnung tragen. Es ist heute so, dass die Unternehmen praktisch selber nach Belieben entscheiden können, ob sie einen Gewinn erklären oder ob sie ihn im Zuge einer Steuervermeidungsstrategie wegfertigen, etwa in Form von Leasing-Zahlungen, Miet- oder Fachzahlungen an eigene Tochtergesellschaften, an eigene Leasing-Gesellschaften, Finanzierungs- oder Vermietungsgesellschaften. Es kann doch nicht sein, dass am Ende nur noch der Mittelstand, das Handwerk brav die Steuern zahlt, aber international agierende Konzerne sich ihrer Pflicht völlig entziehen können.
Breker: Herr Ude, der Antrieb bei dieser Reform der Gemeindefinanzierung ist deshalb besonders groß, weil nämlich durch die Neuschaffung des Arbeitslosengeldes II der Bund mehr belastet wird als die Kommunen und die Kommunen entlastet werden dadurch, dass die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe gemeinsam dieses Arbeitslosengeld II ausmachen werden. Wissen Sie schon, wie viel die Stadt München etwa sparen wird durch diese Zusammenlegung?
Ude: Die Zusammenlegung soll die Kommunen entlasten. Das ist richtig. Es ist aber noch nicht garantiert. Ich lobe ungern eine Reform, bevor ich das endgültige Ergebnis kenne. Hier wird ja noch kräftig gerangelt über die Auswirkungen und wer die Vorteile bekommen soll. Wenn wir vollkommen von der Sozialhilfe für Dauerarbeitslose entlastet würden, würde das in München tatsächlich mit 80 Millionen zu Buche schlagen pro Jahr. Das würde aber gerade ausreichen, um die Einnahmeverluste wegen der vorgezogenen Steuerreform wieder auszugleichen, denn die schlägt negativ mit 70 Millionen im Jahr 2004 zu Buche. Daraus wird deutlich: Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ist zwar notwendig, um den Kommunen eine Entlastung zu bringen. Aber nur, wenn sie vollkommen bei den Kommunen verbleibt würde sie ausreichen, um die Folgen der vorgezogenen Steuerreform auszugleichen. Wenn wir nur einen Teil der Entlastung behalten dürften, würde es nicht einmal dafür ausreichen. Deswegen richten sich alle Blicke auf die Gemeindefinanzreform. Das ist das Kernstück der Reformarbeit, um die Finanznot der Kommunen zu beenden.
Breker: Da sind Sie guten Mutes.
Ude: "Guten Mutes" klingt mir etwas zu optimistisch. Ich habe eine solide Grundlage, denn ich kann sagen, die Forderungen des deutschen Städtetages werden auch geteilt und voll mitgetragen vom Landkreistag und vom Gemeindeverbund. Wir haben Unterstützung bekommen von den Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen, wir haben die Gewerkschaften an unserer Seite, wir haben das Kanzlerwort vom 14. März in seiner Grundsatzrede, dass die Gewerbesteuer gestärkt werden soll, und wir haben diesen Punkt als Programmteil in der Agenda 2010. Das war für viele Kommunalpolitiker der Grund, sich in der Endabwägung positiv zur Agenda 2010 zu äußern. Da kann man jetzt nicht nachträglich das Herzstück wieder herausoperieren.
Breker: Herr Ude, wenn das denn tatsächlich letzten Endes umgesetzt werden sollte, kann man dann davon ausgehen, dass das Problem kommunale Finanzierung, Kommunen und Gemeinden zu finanzieren, dauerhaft gelöst ist? Oder werden wir in ein, zwei, drei Jahren vor dem Problem stehen, hier wieder aktiv werden zu müssen?
Ude: Nein. Wenn man Flickschusterei betreibt, also etwa Anteile von der Umsatzsteuer herzunehmen, die dann aber in jedem Haushaltsjahr erneut zur Debatte stehen, käme das heraus, was Sie befürchten: Dass man nur eine Zeit überbrückt und dann nur alle Probleme wieder von vorne losgehen. Wenn wir aber eine Gewerbesteuerreform erhalten, die dauerhaft die Schlupflöcher für große Konzerne schließt und die die freien Berufe, die ja ein enormer Wirtschaftsfaktor sind, mit einbezieht, wäre das die dauerhafte, die nachhaltige Lösung. Dann hätte man auch die lästigen Kommunalpolitiker - das kann ich versprechen - für lange Zeit los und müsste nicht die nächsten Klagelieder befürchten.
Breker: Könnte man, Herr Ude, denn diese Neuordnung dann auch als Steuervereinfachung verstehen?
Ude: Es wird sicherlich für manche etwas komplizierter, weil Freiberufler zum Beispiel erst eine Gewerbesteuer zahlen müssen, die sie dann wieder bei der Einkommenssteuer geltend machen können. Auf der anderen Seite wäre es aber auch eine Vereinfachung, weil viele umfangreiche Vertragswerke zur Steuervermeidung nicht mehr notwendig wären, weil es kein Entkommen mehr gibt. Das muss ja eigentlich nicht nur im Interesse der Kommunen sein, sondern auch eine Wirtschaft, die kapiert, wie wichtig die Finanzkraft der Kommunen ist, damit unsere Infrastruktur nicht verlottert, vom Straßennetz bis zu den Schulen und Bibliotheken und den Kultureinrichtungen, und die unverzichtbar ist, damit die Kommunen öffentliche Aufträge an die Wirtschaft geben. Wenn die Kommunen zusammenbrechen, gibt es auch keine öffentlichen Aufträge für die örtliche Wirtschaft.
Breker: Das war in den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk der Oberbürgermeister der Stadt München Christian Ude. Herr Ude, vielen Dank für dieses Gespräch.
Ude: Vielen Dank für Ihr Interesse.
Breker: Am Abend in Hannover wird es um die Neuordnung der Gemeindefinanzen gehen. Ein Punkt darin: die Gewerbesteuer. Sie soll möglicherweise auf eine breitere Basis gestellt werden. Herr Ude, die Union hingegen fordert nicht zuletzt hier in diesem Sender, die Gewerbesteuer ganz abzuschaffen. Könnten Sie mit einer Abschaffung der Gewerbesteuer leben und wenn, unter welchen Bedingungen?
Ude: Die Abschaffung der Gewerbesteuer wäre eine helle Katastrophe für alle Städte und Gemeinden. Das ist eine Idee der Industrie, von der sämtliche seriöse Politiker Abstand genommen haben. Das kommt überhaupt nicht in Frage. Es ist ja die wichtigste Einnahmequelle der Städte und Gemeinden und damit unverzichtbar. Was wir aber brauchen ist eine Reform der Gemeindefinanzen, eine Reform der Gewerbesteuer mit dem Ziel, sie zu stärken. Denn gerade in den letzten Jahren hat sich herausgestellt, welche Löcher die Steuervermeidungsstrategie großer Unternehmen in die Stadtsäckel hineinreißen kann. Da gab es ja zum Teil Einbrüche um 50, um 60, in einigen Städten sogar um 100 Prozent. Das heißt, die Gewerbesteuer muss wieder auf gesunde Beine gestellt werden. Dazu gehört, dass sie auf mehr Schultern verteilt wird als bisher und dass sie mehr Sachverhalte erfasst, nicht nur den erklärten steuerlichen Gewinn.
Breker: Herr Ude, das klingt wie: verbreitern und verkomplizieren.
Ude: Nicht verkomplizieren, sondern einfach den wirtschaftlichen Realitäten Rechnung tragen. Es ist heute so, dass die Unternehmen praktisch selber nach Belieben entscheiden können, ob sie einen Gewinn erklären oder ob sie ihn im Zuge einer Steuervermeidungsstrategie wegfertigen, etwa in Form von Leasing-Zahlungen, Miet- oder Fachzahlungen an eigene Tochtergesellschaften, an eigene Leasing-Gesellschaften, Finanzierungs- oder Vermietungsgesellschaften. Es kann doch nicht sein, dass am Ende nur noch der Mittelstand, das Handwerk brav die Steuern zahlt, aber international agierende Konzerne sich ihrer Pflicht völlig entziehen können.
Breker: Herr Ude, der Antrieb bei dieser Reform der Gemeindefinanzierung ist deshalb besonders groß, weil nämlich durch die Neuschaffung des Arbeitslosengeldes II der Bund mehr belastet wird als die Kommunen und die Kommunen entlastet werden dadurch, dass die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe gemeinsam dieses Arbeitslosengeld II ausmachen werden. Wissen Sie schon, wie viel die Stadt München etwa sparen wird durch diese Zusammenlegung?
Ude: Die Zusammenlegung soll die Kommunen entlasten. Das ist richtig. Es ist aber noch nicht garantiert. Ich lobe ungern eine Reform, bevor ich das endgültige Ergebnis kenne. Hier wird ja noch kräftig gerangelt über die Auswirkungen und wer die Vorteile bekommen soll. Wenn wir vollkommen von der Sozialhilfe für Dauerarbeitslose entlastet würden, würde das in München tatsächlich mit 80 Millionen zu Buche schlagen pro Jahr. Das würde aber gerade ausreichen, um die Einnahmeverluste wegen der vorgezogenen Steuerreform wieder auszugleichen, denn die schlägt negativ mit 70 Millionen im Jahr 2004 zu Buche. Daraus wird deutlich: Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ist zwar notwendig, um den Kommunen eine Entlastung zu bringen. Aber nur, wenn sie vollkommen bei den Kommunen verbleibt würde sie ausreichen, um die Folgen der vorgezogenen Steuerreform auszugleichen. Wenn wir nur einen Teil der Entlastung behalten dürften, würde es nicht einmal dafür ausreichen. Deswegen richten sich alle Blicke auf die Gemeindefinanzreform. Das ist das Kernstück der Reformarbeit, um die Finanznot der Kommunen zu beenden.
Breker: Da sind Sie guten Mutes.
Ude: "Guten Mutes" klingt mir etwas zu optimistisch. Ich habe eine solide Grundlage, denn ich kann sagen, die Forderungen des deutschen Städtetages werden auch geteilt und voll mitgetragen vom Landkreistag und vom Gemeindeverbund. Wir haben Unterstützung bekommen von den Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen, wir haben die Gewerkschaften an unserer Seite, wir haben das Kanzlerwort vom 14. März in seiner Grundsatzrede, dass die Gewerbesteuer gestärkt werden soll, und wir haben diesen Punkt als Programmteil in der Agenda 2010. Das war für viele Kommunalpolitiker der Grund, sich in der Endabwägung positiv zur Agenda 2010 zu äußern. Da kann man jetzt nicht nachträglich das Herzstück wieder herausoperieren.
Breker: Herr Ude, wenn das denn tatsächlich letzten Endes umgesetzt werden sollte, kann man dann davon ausgehen, dass das Problem kommunale Finanzierung, Kommunen und Gemeinden zu finanzieren, dauerhaft gelöst ist? Oder werden wir in ein, zwei, drei Jahren vor dem Problem stehen, hier wieder aktiv werden zu müssen?
Ude: Nein. Wenn man Flickschusterei betreibt, also etwa Anteile von der Umsatzsteuer herzunehmen, die dann aber in jedem Haushaltsjahr erneut zur Debatte stehen, käme das heraus, was Sie befürchten: Dass man nur eine Zeit überbrückt und dann nur alle Probleme wieder von vorne losgehen. Wenn wir aber eine Gewerbesteuerreform erhalten, die dauerhaft die Schlupflöcher für große Konzerne schließt und die die freien Berufe, die ja ein enormer Wirtschaftsfaktor sind, mit einbezieht, wäre das die dauerhafte, die nachhaltige Lösung. Dann hätte man auch die lästigen Kommunalpolitiker - das kann ich versprechen - für lange Zeit los und müsste nicht die nächsten Klagelieder befürchten.
Breker: Könnte man, Herr Ude, denn diese Neuordnung dann auch als Steuervereinfachung verstehen?
Ude: Es wird sicherlich für manche etwas komplizierter, weil Freiberufler zum Beispiel erst eine Gewerbesteuer zahlen müssen, die sie dann wieder bei der Einkommenssteuer geltend machen können. Auf der anderen Seite wäre es aber auch eine Vereinfachung, weil viele umfangreiche Vertragswerke zur Steuervermeidung nicht mehr notwendig wären, weil es kein Entkommen mehr gibt. Das muss ja eigentlich nicht nur im Interesse der Kommunen sein, sondern auch eine Wirtschaft, die kapiert, wie wichtig die Finanzkraft der Kommunen ist, damit unsere Infrastruktur nicht verlottert, vom Straßennetz bis zu den Schulen und Bibliotheken und den Kultureinrichtungen, und die unverzichtbar ist, damit die Kommunen öffentliche Aufträge an die Wirtschaft geben. Wenn die Kommunen zusammenbrechen, gibt es auch keine öffentlichen Aufträge für die örtliche Wirtschaft.
Breker: Das war in den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk der Oberbürgermeister der Stadt München Christian Ude. Herr Ude, vielen Dank für dieses Gespräch.
Ude: Vielen Dank für Ihr Interesse.