Wagener: Was bislang schon alles passiert ist in Berlin, ist Stoff wie aus einem Politthriller. Ein gigantisches Bankhausdebakel beschert einer eh schon gebeutelten Stadt neue Milliardenbelastungen; darüber zerbricht dann die Koalitionsregierung. Und nun stehen Neuwahlen an, die das gesamte bestehende politische Gefüge der Metropole so heftig durcheinanderwirbeln können, dass schon jetzt der Emotionspegel heftig ausschlägt. Im Zentrum der Aufgeregtheiten steht die PDS. Selten zuvor war sie so im Blickpunkt des Interesses wie jetzt, könnte sie doch demnächst als Koalitionspartner mit der SPD auf der Regierungsbank Platz nehmen. Am Telefon ist Gabriele Zimmer, die Vorsitzende der Partei. Guten Morgen.
Zimmer: Guten Morgen.
Wagener: Frau Zimmer, Neuwahlen im Herbst: Die PDS wird hofiert als Koalitionspartner wie nie zuvor. Wird in Berlin der bundesweite Akzeptanzdurchbruch geprobt?
Zimmer: Wir werden sehen. Es ist ja nicht nur so, dass die PDS hofiert wird; es wird ja auch anhand der PDS ein Richtungswahlkampf festgemacht so nach dem Motto: ?Wer mit der PDS zusammen darüber nachdenkt, überhaupt einen Politikwechsel zu vollziehen, der beschmutzt sich schon'. Die CDU versucht das ja nun ganz massiv. Ich denke aber, dass im Rahmen dieses Wahlkampfes in erster Linie die Frage nach der Zukunft Berlins stehen sollte. Insofern wird es natürlich eine entscheidende Frage sein: Kann die PDS in dieser Auseinandersetzung mit eigenen Vorstellungen sich öffentliches Gehör verschaffen?
Wagener: Der neue Spitzenkandidat der SPD Klaus Wowereit hat Ihre Arbeit - also die Arbeit der Partei - in den Stadtbezirken als sehr konstruktiv gelobt. Er ließ aber auch anklingen, dass er sich deutliche Worte zum 40. Jahrestag des Mauerbaues am 13. August von Ihrer Partei wünscht. Wird es eine Entschuldigung oder Worte des Bedauerns geben?
Zimmer: Wir haben uns in jedem Jahr bisher zu dem 13. August verhalten; wir haben uns zum 17. Juni verhalten. Ich glaube, die PDS hat wie keine andere Partei, die während des kalten Krieges Verantwortung für einen Teil Deutschlands getragen hat, sich mit Geschichte auseinandergesetzt, und zwar nicht, um sich politisch irgendwo anzubiedern, sondern um das eigene Verhältnis zu den Menschen in diesem Land zu klären - und vor allem, um deutlich zu machen, an welchen Stellen wir glaubhaft auch politische Erneuerung durchgesetzt haben. Insofern betrachte ich diese Aufforderungen, die jetzt von mehreren Seiten kommen, eigentlich als relativ gegenstandslos. Das heißt nicht, dass wir irgendwo zulassen werden, dass die PDS sich zu den Ereignissen überhaupt nicht äußert oder vielleicht sogar Positionen einnehmen wird, die wieder nach hinten gehen.
Wagener: Trotzdem, es liegt an Ihrer Partei natürlich. Am 13. August wird die allgemeine Aufmerksamkeit schon bei Ihrer Partei sein. Man wird genau zuhören, was gesagt werden wird. Also, es liegt nicht nur daran, dass der politische Gegner nun versucht, Sie an diesem Tag vorführen zu wollen.
Zimmer: Nein, das sehe ich auch nicht so. Ich denke schon, dass wir die Aufmerksamkeit hinsichtlich der Positionen der PDS zur Demokratie und zu Menschenrechten die ganzen letzten Monate schon erreicht haben und - ich denke - auch mit eigenen Erklärungen deutlich gemacht haben, worum es uns eigentlich geht. Insofern verstehe ich das mit dem 13. August, die PDS wird sich dazu auch äußern. Wir werden in den nächsten Tagen im Parteivorstand beispielsweise eine Position der Historischen Kommission der PDS zu diesem Thema haben und uns damit auseinandersetzen und uns dazu natürlich auch äußern.
Wagener: Rot-rot in Berlin, was ja möglich ist, hat auf jeden Fall eine andere Qualität als rot-rot in Schwerin. Ist das denn dann wirklich das Ende des ?Kalten Krieges' in Berlin, wenn es denn soweit kommt?
Zimmer: Also, es wäre der Stadt nur zu wünschen, vor allem den Berlinerinnen und Berlinern, dass endlich auch in Berlin für die gesamte Stadt gedacht wird und nicht nur aus der Westberliner Sicht, so wie wir es die ganzen letzten 10-11 Jahre erlebt haben, dass der alte Filz weiter existiert und auf das gesamte Berlin ausgetragen worden ist.
Wagener: Trotzdem wird Ihre Partei bis heute noch in Berlin vom Verfassungsschutz beobachtet. Wie verträgt sich das . . .
Zimmer: . . . das ist für mich ein Anachronismus - ja nicht nur in Berlin selber, sondern auch in Bayern, wo die PDS ja nun wirklich noch sehr maginal ist. Also ich glaube, das sind für mich eigentlich alte Dinge aus dem kalten Krieg, wo man ein altes Feinddenken noch vor sich herträgt - insbesondere an die kommunistischen Vorstellungen.
Wagener: Was hat denn Ihre Partei für ein Verhältnis zu den Liberalen? Möglicherweise kommt es ja dann doch zu einer Koalition aus drei, vielleicht sogar aus vier Partnern?
Zimmer: Ja, für mich sind die Liberalen - wenn sie in das Berliner Abgeordnetenhaus einziehen - natürlich eine wichtige politische Kraft. Und man wird sehen müssen, inwieweit sich hier politische Vorstellungen decken können. Zweifel habe ich natürlich, wenn es um die Frage geht, dass die Liberalen - so wie ich das von Herrn Rexrodt gehört habe - natürlich viel über die Privatisierung in Berlin nachdenken. Also ich glaube, da stehen sie schon einem ganz unterschiedlichen Konzept dann gegenüber.
Wagener: Und was kann die PDS zur Lösung der Schuldenkrise in Berlin beitragen?
Zimmer: Ja, ich glaube, wir werden über neue Prioritätensetzungen im Haushalt nachdenken müssen. Ich gehe davon aus, dass bisher diese Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit in Berlin noch nicht auf den Tisch gelegt worden ist und natürlich erst einmal geschaut werden muss, ob das, was allein durch die Bankenkrise hervorgerufen worden ist, wirklich das Alleinige ist - oder ob es noch mehr aufzuklären gibt. Man muss wissen, vor welchem Hintergrund man agiert. Und diese Klarheit wird dann eingefordert von uns.
Wagener: Soweit die PDS-Vorsitzende Gabriele Zimmer. Berlins Finanzdesaster könnte politisch auch für die F.D.P zu einem unverhofften Glücksfall werden. Bei den Senatswahlen vor zwei Jahren blieben sie auf der Strecke, doch außerhalb Berlins haben die Liberalen seitdem punkten können. In Nordrhein-Westfalen landete Jürgen Möllemann mit fast 10 Prozent sogar einen Coup, und mit Guido Westerwelle als neuen Parteichef liegen die Liberalen nach jüngsten Umfragen in etwa ähnlich hoch. Am Telefon begrüße ich nun Guido Westerwelle, den Vorsitzenden. Einen schönen guten Morgen.
Westerwelle: Einen schönen guten Morgen.
Wagener: Herr Westerwelle - die F.D.P. im Herbst wieder im Senat, ist das realistisch?
Westerwelle: Ich rechne damit, dass die F.D.P. so stark abschneiden wird bei diesen Abgeordnetenhauswahlen, dass wir mit einer der beiden großen Parteien eine Regierung bilden können. Und ich glaube, da waren diese ganzen Diskussionen über die Regierungsbeteiligung mit der PDS eher ein Sturm im Wasserglas. Ich sehe nicht, dass diese Partei, die ja in den letzten Wahlen stetig abgenommen hat oder sich auf niedrigem Niveau eingependelt hat, dass die zulegen wird in Berlin.
Wagener: Sie sagen, Sie stehen für eine der beiden großen Parteien als Koalitionspartner zur Verfügung; mit wem denn am liebsten?
Westerwelle: Das wird der Wähler erstens mal entscheiden, und zweitens ist das eine Aufgabe, die die Berliner F.D.P. erst noch beantworten muss. Da wird es keine Direktiven aus der Bundespartei geben.
Wagener: Interessant ist ja, dass gerade Sie in den letzten Tagen doch eher bundespolitisch auf Distanz zur Union gegangen sind. In Berlin würden Sie das jetzt anders bewerten wollen?
Westerwelle: Also, ich sehe - offen gestanden - nicht, dass die Amtszeit von Herrn Diepgen fortgesetzt werden kann. Das ist auch die Meinung von Günter Rexrodt, dem Landesvorsitzenden der Freien Demokraten in Berlin. Der Herr Diepgen regiert jetzt etwa so lange, wie der alte Bundeskanzler Helmut Kohl regiert hat, und unterm Strich kann man gewisse Verschleiß- und Verbrauchserscheinungen erkennen. Es sind auch Abgehobenheiten erkennbar gewesen, und beide Parteien - CDU als auch SPD - tragen ja als große Koalitionspartner Verantwortung für diesen Filzskandal in Berlin, aber der Regierende Bürgermeister scheint doch sehr weit weg vom Volk zu sein, wenn er jetzt Neuwahlen immer weiter hinauszögern möchte. Wir als F.D.P. drängen auf schnelle Neuwahlen. Der Wähler muss jetzt das Wort bekommen, und wenn er auf Zeit spielt, dann zeigt das, dass er Angst vorm Wähler hat.
Wagener: Heißt das, wenn die CDU sich entschließen sollte, ohne Diepgen als Spitzenkandidat anzutreten, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Koalition mit der F.D.P. dann danach zu gründen, größer ist als mit Diepgen?
Westerwelle: Das muss dann natürlich selbstverständlich erst einmal die CDU beantworten. Warum soll ich darüber spekulieren? Da schießen ja jetzt schon allerlei Namen ins Kraut. Das ist auch nicht meine Aufgabe. Nur ist es tatsächlich so, dass Herr Diepgen offensichtlich die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt hat. Ich muss auf der anderen Seite aber auch feststellen: Auch die Sozialdemokraten machen sich hier einen schlanken Fuß, wenn sie den Eindruck erwecken wollen, das sei alles eine Affäre der CDU. Das ist eine Affäre, die bei der CDU und bei CDU-Politikern liegt, aber es ist eine Affäre, für die auch der große Koalitionspartner SPD Verantwortung trägt. Und ich merke, dass viele Bürgerinnen und Bürger jetzt nach einer unbelasteten Alternative suchen. Und die einzige unbelastete bürgerliche Alternative bei dieser Wahl im Herbst ist dann die F.D.P.
Wagener: Klaus Wowereit, der neue Spitzenmann bei den Sozialdemokraten, sieht natürlich Ihre Partei auch als Möglichkeit, in einer Koalition mit eingebunden zu werden, allerdings erst an dritter Stelle. Würden Sie denn da überhaupt noch wollen - nach den Grünen, nach der PDS?
Westerwelle: Herr Wowereit fängt jetzt gerade mal an und wird sich jetzt gerade erstmal einen Namen machen. Ich habe gar keinen Zweifel daran: Wenn Herr Wowereit bei Herrn Schröder in die Lehre geht, dann wird er sehr schnell auch die nötige Flexibilität mitbringen, wenn es um Koalitionspartner geht. Ob Herr Wowereit überhaupt in der Lage ist, einen Koalitionspartner sich zu suchen, das entscheidet erst einmal der Wähler. Ich wundere mich über diejenigen, die jetzt schon anhand von Meinungsumfragen im Frühjahr des Jahres 2001 oder im Sommer des Jahres 2001 feststellen wollen, wie das Ergebnis im Herbst 2002 sein wird. Ich wundere mich über diejenigen, die schon fest von einer Regierungsbeteiligung der PDS ausgehen, und ich warne auch andere Parteien, diese herbeizureden oder die PDS großzureden. Ich rechne nicht damit, dass die PDS zulegt; ich glaube, sie wird eher abnehmen. Zulegen - deutlich zulegen - wird dagegen die F.D.P., das liegt im Trend der Partei, den die F.D.P. hat in den letzten zwei Jahren permanent zugelegt. Und dann - glaube ich - wird es auch auf die F.D.P. zukommen, eine Regierung mit einer der beiden großen Parteien zu bilden. Wer das dann sein wird, das wird sicherlich erst einmal der Wähler entscheiden, denn der soll jetzt das Wort bekommen.
Wagener: Es kann natürlich auch anders kommen, dass SPD, Grüne, F.D.P. und PDS zusammen rechnerisch eine Koalition bilden könnten, so dass also eine 3er-Koalition vielleicht auch gar nicht reicht, also nur zu viert eine Regierung gestellt werden kann. Steht die F.D.P. dann zur Verfügung - zusammen mit der PDS in einer Vierer-Koalition Berlin zu regieren?
Westerwelle: Bei allem Respekt - jetzt befinden Sie sich wirklich im Reich der völligen Spekulation. Und offen gestanden: An diesen phantasievollen Spekulationen werde ich mich nicht beteiligen. Das heißt erstens, vom Wahlausgang ist das nahezu ausgeschlossen, und zum Zweiten: Die PDS ist ja keine Partei, die Probleme löst. Sie ist eine Partei, die Probleme braucht, um politisch erfolgreich zu sein; die PDS ist das Echo der Vergangenheit, sie ist nicht Zukunft; deswegen wird sie auch nicht gewählt werden. Davon bin ich fest überzeugt. Und wir als Liberale befinden uns ja in der größtmöglichen Distanz auch zum Sozialismus, und ich bin sicher, dass es mit F.D.P. und PDS an keiner Stelle auf Landes- oder Bundesebene eine strukturelle Zusammenarbeit geben wird.
Wagener: Der Vorsitzende der Liberalen, Guido Westerwelle, heute morgen im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen für das Interview.
Westerwelle: Sehr gerne, auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio
Zimmer: Guten Morgen.
Wagener: Frau Zimmer, Neuwahlen im Herbst: Die PDS wird hofiert als Koalitionspartner wie nie zuvor. Wird in Berlin der bundesweite Akzeptanzdurchbruch geprobt?
Zimmer: Wir werden sehen. Es ist ja nicht nur so, dass die PDS hofiert wird; es wird ja auch anhand der PDS ein Richtungswahlkampf festgemacht so nach dem Motto: ?Wer mit der PDS zusammen darüber nachdenkt, überhaupt einen Politikwechsel zu vollziehen, der beschmutzt sich schon'. Die CDU versucht das ja nun ganz massiv. Ich denke aber, dass im Rahmen dieses Wahlkampfes in erster Linie die Frage nach der Zukunft Berlins stehen sollte. Insofern wird es natürlich eine entscheidende Frage sein: Kann die PDS in dieser Auseinandersetzung mit eigenen Vorstellungen sich öffentliches Gehör verschaffen?
Wagener: Der neue Spitzenkandidat der SPD Klaus Wowereit hat Ihre Arbeit - also die Arbeit der Partei - in den Stadtbezirken als sehr konstruktiv gelobt. Er ließ aber auch anklingen, dass er sich deutliche Worte zum 40. Jahrestag des Mauerbaues am 13. August von Ihrer Partei wünscht. Wird es eine Entschuldigung oder Worte des Bedauerns geben?
Zimmer: Wir haben uns in jedem Jahr bisher zu dem 13. August verhalten; wir haben uns zum 17. Juni verhalten. Ich glaube, die PDS hat wie keine andere Partei, die während des kalten Krieges Verantwortung für einen Teil Deutschlands getragen hat, sich mit Geschichte auseinandergesetzt, und zwar nicht, um sich politisch irgendwo anzubiedern, sondern um das eigene Verhältnis zu den Menschen in diesem Land zu klären - und vor allem, um deutlich zu machen, an welchen Stellen wir glaubhaft auch politische Erneuerung durchgesetzt haben. Insofern betrachte ich diese Aufforderungen, die jetzt von mehreren Seiten kommen, eigentlich als relativ gegenstandslos. Das heißt nicht, dass wir irgendwo zulassen werden, dass die PDS sich zu den Ereignissen überhaupt nicht äußert oder vielleicht sogar Positionen einnehmen wird, die wieder nach hinten gehen.
Wagener: Trotzdem, es liegt an Ihrer Partei natürlich. Am 13. August wird die allgemeine Aufmerksamkeit schon bei Ihrer Partei sein. Man wird genau zuhören, was gesagt werden wird. Also, es liegt nicht nur daran, dass der politische Gegner nun versucht, Sie an diesem Tag vorführen zu wollen.
Zimmer: Nein, das sehe ich auch nicht so. Ich denke schon, dass wir die Aufmerksamkeit hinsichtlich der Positionen der PDS zur Demokratie und zu Menschenrechten die ganzen letzten Monate schon erreicht haben und - ich denke - auch mit eigenen Erklärungen deutlich gemacht haben, worum es uns eigentlich geht. Insofern verstehe ich das mit dem 13. August, die PDS wird sich dazu auch äußern. Wir werden in den nächsten Tagen im Parteivorstand beispielsweise eine Position der Historischen Kommission der PDS zu diesem Thema haben und uns damit auseinandersetzen und uns dazu natürlich auch äußern.
Wagener: Rot-rot in Berlin, was ja möglich ist, hat auf jeden Fall eine andere Qualität als rot-rot in Schwerin. Ist das denn dann wirklich das Ende des ?Kalten Krieges' in Berlin, wenn es denn soweit kommt?
Zimmer: Also, es wäre der Stadt nur zu wünschen, vor allem den Berlinerinnen und Berlinern, dass endlich auch in Berlin für die gesamte Stadt gedacht wird und nicht nur aus der Westberliner Sicht, so wie wir es die ganzen letzten 10-11 Jahre erlebt haben, dass der alte Filz weiter existiert und auf das gesamte Berlin ausgetragen worden ist.
Wagener: Trotzdem wird Ihre Partei bis heute noch in Berlin vom Verfassungsschutz beobachtet. Wie verträgt sich das . . .
Zimmer: . . . das ist für mich ein Anachronismus - ja nicht nur in Berlin selber, sondern auch in Bayern, wo die PDS ja nun wirklich noch sehr maginal ist. Also ich glaube, das sind für mich eigentlich alte Dinge aus dem kalten Krieg, wo man ein altes Feinddenken noch vor sich herträgt - insbesondere an die kommunistischen Vorstellungen.
Wagener: Was hat denn Ihre Partei für ein Verhältnis zu den Liberalen? Möglicherweise kommt es ja dann doch zu einer Koalition aus drei, vielleicht sogar aus vier Partnern?
Zimmer: Ja, für mich sind die Liberalen - wenn sie in das Berliner Abgeordnetenhaus einziehen - natürlich eine wichtige politische Kraft. Und man wird sehen müssen, inwieweit sich hier politische Vorstellungen decken können. Zweifel habe ich natürlich, wenn es um die Frage geht, dass die Liberalen - so wie ich das von Herrn Rexrodt gehört habe - natürlich viel über die Privatisierung in Berlin nachdenken. Also ich glaube, da stehen sie schon einem ganz unterschiedlichen Konzept dann gegenüber.
Wagener: Und was kann die PDS zur Lösung der Schuldenkrise in Berlin beitragen?
Zimmer: Ja, ich glaube, wir werden über neue Prioritätensetzungen im Haushalt nachdenken müssen. Ich gehe davon aus, dass bisher diese Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit in Berlin noch nicht auf den Tisch gelegt worden ist und natürlich erst einmal geschaut werden muss, ob das, was allein durch die Bankenkrise hervorgerufen worden ist, wirklich das Alleinige ist - oder ob es noch mehr aufzuklären gibt. Man muss wissen, vor welchem Hintergrund man agiert. Und diese Klarheit wird dann eingefordert von uns.
Wagener: Soweit die PDS-Vorsitzende Gabriele Zimmer. Berlins Finanzdesaster könnte politisch auch für die F.D.P zu einem unverhofften Glücksfall werden. Bei den Senatswahlen vor zwei Jahren blieben sie auf der Strecke, doch außerhalb Berlins haben die Liberalen seitdem punkten können. In Nordrhein-Westfalen landete Jürgen Möllemann mit fast 10 Prozent sogar einen Coup, und mit Guido Westerwelle als neuen Parteichef liegen die Liberalen nach jüngsten Umfragen in etwa ähnlich hoch. Am Telefon begrüße ich nun Guido Westerwelle, den Vorsitzenden. Einen schönen guten Morgen.
Westerwelle: Einen schönen guten Morgen.
Wagener: Herr Westerwelle - die F.D.P. im Herbst wieder im Senat, ist das realistisch?
Westerwelle: Ich rechne damit, dass die F.D.P. so stark abschneiden wird bei diesen Abgeordnetenhauswahlen, dass wir mit einer der beiden großen Parteien eine Regierung bilden können. Und ich glaube, da waren diese ganzen Diskussionen über die Regierungsbeteiligung mit der PDS eher ein Sturm im Wasserglas. Ich sehe nicht, dass diese Partei, die ja in den letzten Wahlen stetig abgenommen hat oder sich auf niedrigem Niveau eingependelt hat, dass die zulegen wird in Berlin.
Wagener: Sie sagen, Sie stehen für eine der beiden großen Parteien als Koalitionspartner zur Verfügung; mit wem denn am liebsten?
Westerwelle: Das wird der Wähler erstens mal entscheiden, und zweitens ist das eine Aufgabe, die die Berliner F.D.P. erst noch beantworten muss. Da wird es keine Direktiven aus der Bundespartei geben.
Wagener: Interessant ist ja, dass gerade Sie in den letzten Tagen doch eher bundespolitisch auf Distanz zur Union gegangen sind. In Berlin würden Sie das jetzt anders bewerten wollen?
Westerwelle: Also, ich sehe - offen gestanden - nicht, dass die Amtszeit von Herrn Diepgen fortgesetzt werden kann. Das ist auch die Meinung von Günter Rexrodt, dem Landesvorsitzenden der Freien Demokraten in Berlin. Der Herr Diepgen regiert jetzt etwa so lange, wie der alte Bundeskanzler Helmut Kohl regiert hat, und unterm Strich kann man gewisse Verschleiß- und Verbrauchserscheinungen erkennen. Es sind auch Abgehobenheiten erkennbar gewesen, und beide Parteien - CDU als auch SPD - tragen ja als große Koalitionspartner Verantwortung für diesen Filzskandal in Berlin, aber der Regierende Bürgermeister scheint doch sehr weit weg vom Volk zu sein, wenn er jetzt Neuwahlen immer weiter hinauszögern möchte. Wir als F.D.P. drängen auf schnelle Neuwahlen. Der Wähler muss jetzt das Wort bekommen, und wenn er auf Zeit spielt, dann zeigt das, dass er Angst vorm Wähler hat.
Wagener: Heißt das, wenn die CDU sich entschließen sollte, ohne Diepgen als Spitzenkandidat anzutreten, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Koalition mit der F.D.P. dann danach zu gründen, größer ist als mit Diepgen?
Westerwelle: Das muss dann natürlich selbstverständlich erst einmal die CDU beantworten. Warum soll ich darüber spekulieren? Da schießen ja jetzt schon allerlei Namen ins Kraut. Das ist auch nicht meine Aufgabe. Nur ist es tatsächlich so, dass Herr Diepgen offensichtlich die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt hat. Ich muss auf der anderen Seite aber auch feststellen: Auch die Sozialdemokraten machen sich hier einen schlanken Fuß, wenn sie den Eindruck erwecken wollen, das sei alles eine Affäre der CDU. Das ist eine Affäre, die bei der CDU und bei CDU-Politikern liegt, aber es ist eine Affäre, für die auch der große Koalitionspartner SPD Verantwortung trägt. Und ich merke, dass viele Bürgerinnen und Bürger jetzt nach einer unbelasteten Alternative suchen. Und die einzige unbelastete bürgerliche Alternative bei dieser Wahl im Herbst ist dann die F.D.P.
Wagener: Klaus Wowereit, der neue Spitzenmann bei den Sozialdemokraten, sieht natürlich Ihre Partei auch als Möglichkeit, in einer Koalition mit eingebunden zu werden, allerdings erst an dritter Stelle. Würden Sie denn da überhaupt noch wollen - nach den Grünen, nach der PDS?
Westerwelle: Herr Wowereit fängt jetzt gerade mal an und wird sich jetzt gerade erstmal einen Namen machen. Ich habe gar keinen Zweifel daran: Wenn Herr Wowereit bei Herrn Schröder in die Lehre geht, dann wird er sehr schnell auch die nötige Flexibilität mitbringen, wenn es um Koalitionspartner geht. Ob Herr Wowereit überhaupt in der Lage ist, einen Koalitionspartner sich zu suchen, das entscheidet erst einmal der Wähler. Ich wundere mich über diejenigen, die jetzt schon anhand von Meinungsumfragen im Frühjahr des Jahres 2001 oder im Sommer des Jahres 2001 feststellen wollen, wie das Ergebnis im Herbst 2002 sein wird. Ich wundere mich über diejenigen, die schon fest von einer Regierungsbeteiligung der PDS ausgehen, und ich warne auch andere Parteien, diese herbeizureden oder die PDS großzureden. Ich rechne nicht damit, dass die PDS zulegt; ich glaube, sie wird eher abnehmen. Zulegen - deutlich zulegen - wird dagegen die F.D.P., das liegt im Trend der Partei, den die F.D.P. hat in den letzten zwei Jahren permanent zugelegt. Und dann - glaube ich - wird es auch auf die F.D.P. zukommen, eine Regierung mit einer der beiden großen Parteien zu bilden. Wer das dann sein wird, das wird sicherlich erst einmal der Wähler entscheiden, denn der soll jetzt das Wort bekommen.
Wagener: Es kann natürlich auch anders kommen, dass SPD, Grüne, F.D.P. und PDS zusammen rechnerisch eine Koalition bilden könnten, so dass also eine 3er-Koalition vielleicht auch gar nicht reicht, also nur zu viert eine Regierung gestellt werden kann. Steht die F.D.P. dann zur Verfügung - zusammen mit der PDS in einer Vierer-Koalition Berlin zu regieren?
Westerwelle: Bei allem Respekt - jetzt befinden Sie sich wirklich im Reich der völligen Spekulation. Und offen gestanden: An diesen phantasievollen Spekulationen werde ich mich nicht beteiligen. Das heißt erstens, vom Wahlausgang ist das nahezu ausgeschlossen, und zum Zweiten: Die PDS ist ja keine Partei, die Probleme löst. Sie ist eine Partei, die Probleme braucht, um politisch erfolgreich zu sein; die PDS ist das Echo der Vergangenheit, sie ist nicht Zukunft; deswegen wird sie auch nicht gewählt werden. Davon bin ich fest überzeugt. Und wir als Liberale befinden uns ja in der größtmöglichen Distanz auch zum Sozialismus, und ich bin sicher, dass es mit F.D.P. und PDS an keiner Stelle auf Landes- oder Bundesebene eine strukturelle Zusammenarbeit geben wird.
Wagener: Der Vorsitzende der Liberalen, Guido Westerwelle, heute morgen im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen für das Interview.
Westerwelle: Sehr gerne, auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio