Sperl: Guten Morgen.
Durak: Wie lautet denn die Schlagzeile Ihrer Zeitung zum angesprochenen Problem?
Sperl: Die ist das Ergebnis einer Umfrage, die wir gestern gemacht haben, und lautet 'Große Mehrheit begrüßt Neuwahl'.
Durak: Aha! Aber...
Sperl: Das heißt, nach der Umfrage sind 63 Prozent in Österreich für Wahlen.
Durak: Aber was Sie noch nicht haben, ist 'Große Mehrheit will...' - welche Koalition?
Sperl: Das ist klar, ja.
Durak: Was denken Sie denn, Herr Sperl, wird es eine Neuauflage der Koalition ÖVP/FPÖ geben?
Sperl: Zum jetzigen Zeitpunkt ist das nur schwer vorstellbar. Denn der, wenn man so will, rechtsliberale Flügel der FPÖ ist ja eliminiert. Riess-Passer, Grasser, dieser Jungstar als Finanzminister und auch der Infrastrukturminister Reichelt sind gegangen, ebenso der Klubchef im Parlament Westentaler. Und Riess-Passer hat doch für eine Abkehr von den rein nationalistischen Formeln der FPÖ gestanden und hat versucht, so etwas wie eine rechtsliberal-konservative Linie aufzubauen und damit ist sie gescheitert. Und daher ist es wirklich kaum vorstellbar, dass in der ÖVP noch einmal eine Mehrheit für eine solche Koalition zu finden ist.
Durak: Das würde ja heißen, Herr Sperl, dass der Noch-Bundeskanzler Schüssel künftig nicht dabei sein wird, denn er hat ja nicht ausgeschlossen, dass er eine Neuauflage der Koalition anstreben würde.
Sperl: Natürlich, er muss siegen, er ist zum Siegen verdammt. Das heißt, er müsste von momentan 27 Prozent auf mindestens 32, 33 Prozent steigen und zumindest den Gleichstand mit der SPÖ erreichen, die im Moment bei den Umfragen auf 37 Prozent liegt. Und das ist eine sehr sehr hohe Latte. Aber Schüssel hat die Neuwahl wagen müssen, weil er sonst in gigantische Turbulenzen in Bezug auf die EU-Erweiterung gekommen wäre.
Durak: Herr Sperl, woran ist denn die FPÖ von Jörg Haider gescheitert? An Haider selbst oder am Spagat zwischen Regierungsverantwortung und immer noch Opposition?
Sperl: Einerseits deswegen, weil Jörg Haider es ganz einfach nie geschafft hat, den Spagat selbst zu leben, nämlich der Regierungsmannschaft genug Freiheit zu lassen, um in dieser Regierung Politik zu gestalten, und andererseits eben von sich aus Vorschläge zu machen. Er ist so egomanisch, dass er immer der Meinung ist, nicht nur die FPÖ sondern die Regierung muss das tun, was er will. Er sagt ja immer: das Volk steht hinter mir, ich spreche für das Volk. Das ist diese populistische Attitüde.
Durak: Das stimmt nicht.
Sperl: Und das stimmt ganz einfach nicht. Jemand, der 27 Prozent hat, hinter dem steht nicht das Volk. Und das sind dann Dinge, die auf Dauer für eine Regierung nicht aushaltbar sind.
Durak: Nun ist ja Jörg Haider nicht ungeschickt. Es ist ja damit zu rechnen, dass er einen sehr stark polarisierenden Wahlkampf führen wird, auch mit bekannten Themen, Ausländerthemen und die Steuersenkung. Denken Sie nicht, dass es ihm gelingen könnte, bis zum November, so es denn dahin kommt, genügend Leute auf seine Seite zu bringen, dass es zu einer weiteren schwarz-blauen Koalition reicht?
Sperl: Naja, er ist ein enormer Stimmenfänger, das haben Sie gesagt, und es ist sicher so, dass er mit der Opposition gegen die Osterweiterung mit der Stimmungsmache bezüglich der Benes-Dekrete und dann auch noch mit den Ausländerthemen punkten wird. Und es werden genug Österreicher, zumal ältere Österreicher ihren Winterurlaub in Mallorca verschieben, um dieses besonders menschenfreundliche Programm des Jörg Haider zu unterstützen. Das ist keine Frage. Nur es wird ein rechtsradikales Programm sein und da wird sich die FPÖ gut überlegen müssen, mit so einer Partei noch einmal mitzugehen.
Durak: Eine andere Variante wäre ja eine rot-grüne Regierung in Wien, das wäre die erste dieser Art. Geben Sie dieser Möglichkeit eine Chance?
Sperl: Ja, das hat eine hohe Chance, aber nur dann, wenn sich das rechnerisch ausgeht. Und dazu müsste sich die grüne Partei fast verdoppeln...
Durak: Von jetzt zehn?
Sperl: Sie liegt jetzt bei sieben. Und dann müsste sie auf ungefähr 14 Prozent gehen und gleichzeitig muss die sozialdemokratische Partei unter Gusenbauer nicht nur die 32 Prozent wiederholen, die sie bei der letzten Wahl gehabt haben, sie müssen zulegen. Sie müssen auf 34, 35 Prozent gehen. Das ist nicht ausgeschlossen, aber es ist auch eine sehr, sehr schwere Aufgabe, vor allem, weil Gusenbauer ja noch keine Wahl geschlagen hat, und weil er vor allem in den letzten Monaten thematisch nicht gezeigt hat, dass er eine wirkliche Kraft entwickelt, auch populäre Themen zu haben oder Vorschläge zu haben, wo in der Bevölkerung die Meinung entsteht, dass sie wirklich zukunftsweisende Fragen aufwerfen.
Durak: Die Sozialdemokraten hätten ja, jedenfalls aus der Ferne betrachtet entnehme ich das Kommentaren, einen anderen Mann, der bekannter ist und mehr Profil hätte. Das ist der Wiener Bürgermeister Michael Häupl. Geben Sie ihm eine Chance?
Sperl: Ja, das ist eine Möglichkeit. Aber es wird in unseren lieben Nachbarländern meistens vergessen, dass Österreich nicht nur aus Wien besteht sondern auch aus den Alpenländern. Normal sagt man, es ist eine Alpenrepublik. Es ist in Wirklichkeit eine Alpenrepublik und eine Donaurepublik und der Michael Häupl ist so ein politischer Fiaker und ein Vertreter der Donaurepublik, dort wo die Bierkultur in die Weinkultur übergeht. Und da ist die große Frage, ob er akzeptiert wird in Westösterreich. Und dazu kommt noch: er hat in der Wiener Staatsregierung fast nur schwache Leute. Er ist kein Mann, der in der Lage ist, ein starkes Team aufzubauen. Und das ist sicherlich eine Schwäche. Er ist ein vote-getter, das ist richtig, aber seine Qualitäten als Regierungsmacher werden überschätzt.
Durak: So eine schöne Formulierung kann es nur bei Ihnen geben, 'politischer Fiaker'. Abschließend gefragt, Herr Sperl diese Regierungskrise und so wie jetzt 'gelöst' ist, kommt das eher einem Befreiungsschlag für Österreich gleich oder einer Erschütterung?
Sperl: Ich glaube, alle die, die sich die Wende gewünscht haben, das reicht doch von vielen in der Wirtschaft bishin zu vielen in der Industrie und auch hinein bis in intellektuelle Kreise, für die ist das eine Erschütterung, weil sie an dieses Experiment geglaubt haben und gedacht haben, das kann man durchziehen. Für all die kritischen Leute, die grün orientierten, die sozialdemokratischen und dann auch, würde ich fast sagen, für die katholischen Hubertusmäntel, das heißt, schon traditionelle Katholiken, die aber starke Umweltanliegen haben und sozialpolitisch denken, für die ist das ein Befreiungsschlag.
Durak: Gerfried Sperl, Chefredakteur der Tageszeitung Der Standard. Herzlichen Dank, Herr Sperl, für das Gespräch.
Sperl: Bitteschön.
Link: Interview als RealAudio
Durak: Wie lautet denn die Schlagzeile Ihrer Zeitung zum angesprochenen Problem?
Sperl: Die ist das Ergebnis einer Umfrage, die wir gestern gemacht haben, und lautet 'Große Mehrheit begrüßt Neuwahl'.
Durak: Aha! Aber...
Sperl: Das heißt, nach der Umfrage sind 63 Prozent in Österreich für Wahlen.
Durak: Aber was Sie noch nicht haben, ist 'Große Mehrheit will...' - welche Koalition?
Sperl: Das ist klar, ja.
Durak: Was denken Sie denn, Herr Sperl, wird es eine Neuauflage der Koalition ÖVP/FPÖ geben?
Sperl: Zum jetzigen Zeitpunkt ist das nur schwer vorstellbar. Denn der, wenn man so will, rechtsliberale Flügel der FPÖ ist ja eliminiert. Riess-Passer, Grasser, dieser Jungstar als Finanzminister und auch der Infrastrukturminister Reichelt sind gegangen, ebenso der Klubchef im Parlament Westentaler. Und Riess-Passer hat doch für eine Abkehr von den rein nationalistischen Formeln der FPÖ gestanden und hat versucht, so etwas wie eine rechtsliberal-konservative Linie aufzubauen und damit ist sie gescheitert. Und daher ist es wirklich kaum vorstellbar, dass in der ÖVP noch einmal eine Mehrheit für eine solche Koalition zu finden ist.
Durak: Das würde ja heißen, Herr Sperl, dass der Noch-Bundeskanzler Schüssel künftig nicht dabei sein wird, denn er hat ja nicht ausgeschlossen, dass er eine Neuauflage der Koalition anstreben würde.
Sperl: Natürlich, er muss siegen, er ist zum Siegen verdammt. Das heißt, er müsste von momentan 27 Prozent auf mindestens 32, 33 Prozent steigen und zumindest den Gleichstand mit der SPÖ erreichen, die im Moment bei den Umfragen auf 37 Prozent liegt. Und das ist eine sehr sehr hohe Latte. Aber Schüssel hat die Neuwahl wagen müssen, weil er sonst in gigantische Turbulenzen in Bezug auf die EU-Erweiterung gekommen wäre.
Durak: Herr Sperl, woran ist denn die FPÖ von Jörg Haider gescheitert? An Haider selbst oder am Spagat zwischen Regierungsverantwortung und immer noch Opposition?
Sperl: Einerseits deswegen, weil Jörg Haider es ganz einfach nie geschafft hat, den Spagat selbst zu leben, nämlich der Regierungsmannschaft genug Freiheit zu lassen, um in dieser Regierung Politik zu gestalten, und andererseits eben von sich aus Vorschläge zu machen. Er ist so egomanisch, dass er immer der Meinung ist, nicht nur die FPÖ sondern die Regierung muss das tun, was er will. Er sagt ja immer: das Volk steht hinter mir, ich spreche für das Volk. Das ist diese populistische Attitüde.
Durak: Das stimmt nicht.
Sperl: Und das stimmt ganz einfach nicht. Jemand, der 27 Prozent hat, hinter dem steht nicht das Volk. Und das sind dann Dinge, die auf Dauer für eine Regierung nicht aushaltbar sind.
Durak: Nun ist ja Jörg Haider nicht ungeschickt. Es ist ja damit zu rechnen, dass er einen sehr stark polarisierenden Wahlkampf führen wird, auch mit bekannten Themen, Ausländerthemen und die Steuersenkung. Denken Sie nicht, dass es ihm gelingen könnte, bis zum November, so es denn dahin kommt, genügend Leute auf seine Seite zu bringen, dass es zu einer weiteren schwarz-blauen Koalition reicht?
Sperl: Naja, er ist ein enormer Stimmenfänger, das haben Sie gesagt, und es ist sicher so, dass er mit der Opposition gegen die Osterweiterung mit der Stimmungsmache bezüglich der Benes-Dekrete und dann auch noch mit den Ausländerthemen punkten wird. Und es werden genug Österreicher, zumal ältere Österreicher ihren Winterurlaub in Mallorca verschieben, um dieses besonders menschenfreundliche Programm des Jörg Haider zu unterstützen. Das ist keine Frage. Nur es wird ein rechtsradikales Programm sein und da wird sich die FPÖ gut überlegen müssen, mit so einer Partei noch einmal mitzugehen.
Durak: Eine andere Variante wäre ja eine rot-grüne Regierung in Wien, das wäre die erste dieser Art. Geben Sie dieser Möglichkeit eine Chance?
Sperl: Ja, das hat eine hohe Chance, aber nur dann, wenn sich das rechnerisch ausgeht. Und dazu müsste sich die grüne Partei fast verdoppeln...
Durak: Von jetzt zehn?
Sperl: Sie liegt jetzt bei sieben. Und dann müsste sie auf ungefähr 14 Prozent gehen und gleichzeitig muss die sozialdemokratische Partei unter Gusenbauer nicht nur die 32 Prozent wiederholen, die sie bei der letzten Wahl gehabt haben, sie müssen zulegen. Sie müssen auf 34, 35 Prozent gehen. Das ist nicht ausgeschlossen, aber es ist auch eine sehr, sehr schwere Aufgabe, vor allem, weil Gusenbauer ja noch keine Wahl geschlagen hat, und weil er vor allem in den letzten Monaten thematisch nicht gezeigt hat, dass er eine wirkliche Kraft entwickelt, auch populäre Themen zu haben oder Vorschläge zu haben, wo in der Bevölkerung die Meinung entsteht, dass sie wirklich zukunftsweisende Fragen aufwerfen.
Durak: Die Sozialdemokraten hätten ja, jedenfalls aus der Ferne betrachtet entnehme ich das Kommentaren, einen anderen Mann, der bekannter ist und mehr Profil hätte. Das ist der Wiener Bürgermeister Michael Häupl. Geben Sie ihm eine Chance?
Sperl: Ja, das ist eine Möglichkeit. Aber es wird in unseren lieben Nachbarländern meistens vergessen, dass Österreich nicht nur aus Wien besteht sondern auch aus den Alpenländern. Normal sagt man, es ist eine Alpenrepublik. Es ist in Wirklichkeit eine Alpenrepublik und eine Donaurepublik und der Michael Häupl ist so ein politischer Fiaker und ein Vertreter der Donaurepublik, dort wo die Bierkultur in die Weinkultur übergeht. Und da ist die große Frage, ob er akzeptiert wird in Westösterreich. Und dazu kommt noch: er hat in der Wiener Staatsregierung fast nur schwache Leute. Er ist kein Mann, der in der Lage ist, ein starkes Team aufzubauen. Und das ist sicherlich eine Schwäche. Er ist ein vote-getter, das ist richtig, aber seine Qualitäten als Regierungsmacher werden überschätzt.
Durak: So eine schöne Formulierung kann es nur bei Ihnen geben, 'politischer Fiaker'. Abschließend gefragt, Herr Sperl diese Regierungskrise und so wie jetzt 'gelöst' ist, kommt das eher einem Befreiungsschlag für Österreich gleich oder einer Erschütterung?
Sperl: Ich glaube, alle die, die sich die Wende gewünscht haben, das reicht doch von vielen in der Wirtschaft bishin zu vielen in der Industrie und auch hinein bis in intellektuelle Kreise, für die ist das eine Erschütterung, weil sie an dieses Experiment geglaubt haben und gedacht haben, das kann man durchziehen. Für all die kritischen Leute, die grün orientierten, die sozialdemokratischen und dann auch, würde ich fast sagen, für die katholischen Hubertusmäntel, das heißt, schon traditionelle Katholiken, die aber starke Umweltanliegen haben und sozialpolitisch denken, für die ist das ein Befreiungsschlag.
Durak: Gerfried Sperl, Chefredakteur der Tageszeitung Der Standard. Herzlichen Dank, Herr Sperl, für das Gespräch.
Sperl: Bitteschön.
Link: Interview als RealAudio