Engels: Herr Diepgen, der Unmut der Bürger bricht sich Bahn. Können Sie dafür Verständnis aufbringen?
Diepgen: Also ich glaube, dass sehr verständlich ist, dass über die Entwicklung in der Bank Unmut und Unverständnis besteht, wobei die Zusammenhänge sehr kompliziert sind und auch die Zahlen, die beispielsweise von Ihnen genannt worden sind, ja so nicht ganz richtig sind. Im Hinblick auf beispielsweise die Verpflichtung aus dem Landeshaushalt handelt es sich um Eigenkapital, Deckung für die Bank selbst - das ist eine Investition. Aber das sind alles zu technische Fragestellungen. Richtig ist, dass wir hier eine große Schwierigkeit haben, dass wir ein strukturelles Haushaltsloch haben, dass das mit teilungsbedingten Lasten zu tun hat und dass die Berliner jetzt den Eindruck haben: Nun wird das nochmal schlimmer. Wir müssen in der Tat mal in dem Gesamtsparkurs zulegen, wobei wir insgesamt wegen der teilungsbedingten Folgekosten und der Überzeugung der Gesamtrepublik der Vergangenheit - ‚Berlin ja Hauptstadt, und das läuft dann alles von alleine' - werden wir noch einmal insgesamt die Frage klären müssen: Welch Dinge kann sich Berlin leisten und welche Dinge müssen in Berlin, in der Hauptstadt Deutschlands, auch wegen der teilungsbedingten Fragen - beispielsweise der Finanzierung des Wohnungsbaus - irgendwie anders finanziert werden - das heißt insgesamt, eigentlich über einen Fonds ‚Deutsche Teilung'.
Engels: Mit welchem Konzept wollen Sie denn nun konkret das Geld beschaffen - Fonds ‚Deutsche Teilung'? Aber was steht im Sparkatalog des Finanzsenators Kurth?
Diepgen: Wir haben natürlich völlig zu recht jetzt getrennt. Es gibt einmal das, was wir in Berlin alleine machen müssen; es gibt weitere Konzentration auf die Kernaufgaben des Staates. Wir werden die Verwaltungsreform weiter vorantreiben, das wird auch zur weiteren Straffung führen. Ich glaube, es ist notwendig, einmal darauf hinzuweisen: Wir haben in Berlin - anders als in den Ländern Saarland und Bremen, die ja die sogenannte ‚Haushaltsnotlage' haben - den Haushalt in den letzten Jahren um über 10 Prozent zurückgeführt. In den anderen Ländern gab es da noch Steigerungen. Wir haben 60.000 Planstellen im Bereich der öffentlichen Verwaltung abgebaut. Sie sehen also, dass es hier massive Veränderungen gab, bis hin dazu, dass die Verwaltungsreform dazu geführt hat, von früher 23 Bezirken in der Stadt es jetzt nur noch 12 gibt. Diese Schritte müssen konsequent fortgesetzt werden, wobei wir drauf achten müssen aus meiner Sicht, die Aufbauart in der Stadt selbst, so dass in der Zukunft Arbeitsplätze entstehen, Wirtschaftskraft - und wir eigene Steuerkraft gewinnen und nicht ständig auf andere hoffen müssen -, diese Politik muss auf der anderen Seite fortgesetzt werden.
Engels: Diese Ideen sind das eine. Auf der anderen Seite scheint ja sogar der eigene Koalitionspartner das zu bezweifeln. Ihr Koalitionspartner hat mit der Aufkündigung offen gedroht, falls Sie die Finanzkrise nicht lösen - so äußerte sich Klaus Wowereit. Auch gestern trafen Sie sich mit dem SPD-Landesvorsitzenden Peter Strieder; Ergebnisse sind nicht bekannt. Haben Sie denn auch Ihn überzeugt?
Diepgen: Also, ich muss mal sehr klar hier sagen: Wir haben seit über 10 Jahren hier in Berlin eine Koalition. Die Finanzverantwortung will ich jetzt gar nicht wegen der sozialdemokratischen Führung des Ressorts auf die SPD in besonderer Weise zuordnen; ich stehe auch dort zu der Grundposition der Haushaltspolitik. Ich erwarte von der Sozialdemokratie hier auch ganz konkrete Vorschläge. Das betrifft insbesondere den Bereich von Investitionen. Neuinvestitionen wird es in Berlin kaum noch geben, sondern mehr bauliche Unterhaltung, das heißt Bestandswahrung von dem, was in Berlin entstanden ist - ich sage immer: Bauliche Unterhaltungen an Schulen muss natürlich jeweils konkret gemacht werden. Aber das ist ein Stückchen Umsteuerung. Von den Aufbauarbeiten und -notwendigkeiten, insbesondere im Ostteil der Stadt, werden wir zur Bestandspflege übergehen. Das erwarte ich allerdings auch von der Sozialdemokratie, auch gerade im Bereich der Verknüpfung von Arbeitsmarkt und Sozialpolitik - hier erwarte ich klare Konzepte. Und das, wo übrigens beide Koalitionsparteien - Sie merken, ich versuche zusammenzuhalten - in der Vergangenheit einzelne Vorstellungen geblockt haben, übrigens auch aus politischer Vorsicht, Zurückhaltung, da muss es jetzt zu Entscheidungen kommen. Das betrifft Bäderorganisation, um nur ein Thema aufzunehmen, aber auch Veräußerungen von einigen städtischen Gesellschaften.
Engels: Sie sagen, Sie versuchen zusammenzuhalten. Nun scheint das SPD-Fraktionsvorsitzender Wowereit schon nicht mehr tun zu wollen. Er wirft Ihnen vor, den Ernst der Lage nicht erkannt zu haben. Besteht denn überhaupt noch ein Vertrauensverhältnis mit der SPD?
Diepgen: Ich halte Ihre Frage für völlig berechtigt. Manche Äußerungen der Sozialdemokraten - und zwar unterschiedlich bei einzelnen Personen - machen deutlich: Im Grunde wollen die zu anderen Ufern. Dann müssen sie es allerdings auch klar und deutlich formulieren. Eines halte ich mal fest: Die CDU hat einen klaren Wählerauftrag - auch für eine Politik der Modernisierung und der sozialen Verantwortung. Bei einzelnen Sozialdemokraten höre ich in der letzten Zeit den Begriff ‚soziale Verantwortung' überhaupt nicht mehr. Das ist mit mir nicht machbar. Und unter dem Gesichtspunkt werden wir sehen, wie man sich im Augenblick dabei zusammenrauft, wobei ich nochmal darauf hinweise: Die CDU hat über 40 Prozent der Wählerstimmen, die SPD etwas über 22. Eine Neuwahl bringt strukturell keine wirklichen Veränderungen hier in Berlin selbst . . .
Engels: . . . aber es wäre vielleicht eine glatte und auch saubere Lösung an dieser Stelle und das, was die Wähler fordern.
Diepgen: . . . ob die Wähler das fordern: Seien Sie mal bitte vorsichtig. Also, die Wähler haben vor eineinhalb Jahren eine klare Entscheidung getroffen. Und die Tatsache, dass die SPD - zusammen mit der PDS - nun endlich wieder ins Abgeordnetenhaus will, wo sie zweimal abgewählt worden sind: Das ist ja noch nicht Wählervotum. Also, ich weiß durchaus, die Positionen der Berlinerinnen und Berliner und den Auftrag und die Forderung an die Politik einzuschätzen. Aber nun ist nicht jede Meinungsumfrage, die Sie dort machen - die waren übrigens da sehr differenziert, was die Berlinerinnen und Berliner vorgetragen haben, auch in den Fragestellungen - das wollen wir mal sehen.
Engels: Kommen wir noch einmal zu den Forderungen der SPD. Neben dieser Forderung, dass die Finanzkrise bald geordnet werden muss, gibt es auch die Forderung, dass die CDU sich vom früheren CDU-Fraktionschef Landowsky, einem langen Wegbereiter, deutlicher distanzieren solle. Wäre das ein Punkt des Entgegenkommens von Ihnen?
Diepgen: Ich glaube nicht, dass das ein entscheidender Punkt ist zur Lösung der anstehenden Fragen. Also, meiner Ansicht nach müssen wir uns auf folgendes konzentrieren, und das mache ich: Erstens ‚Lösung der Bankenfrage', wobei wir das nicht nur der Bank alleine überlassen können und dem Bankvorstand, sondern da haben wir als Haupteigentümer eine wichtige Verantwortung dabei. Dabei geht es darum, dass man sich bei der Bank auf die wichtigsten Stärken - das ist das Sparkassengeschäft - konzentriert, strategische Partner findet und dabei auch dafür Sorge trägt, dass die tatsächliche Belastung, die im Berliner Landeshaushalt durch Kreditaufnahme dabei bestehen kann - Eigenkapitalausstattung, das sind in der konkreten Form 200 Millionen Mark -, dass diese soweit wie möglich reduziert werden können. Es geht darum, dass wir bald wieder Renditeerwartungen haben, also Gewinne der Bank auch in den Haushalt mit einsetzen können. Das ist der eine wichtige Punkt - die Zusammenarbeit mit strategischen Partnern. Der zweite Punkt ist die Vorbereitung
Engels: . . . zum Beispiel die Nord-LB ? . . .
Diepgen: . . . das betrifft die Nord-LB, das betrifft auch andere. Nur - wissen Sie: Darüber nun eine öffentliche Diskussion zu machen und vor allen Dingen die Bank klein reden, damit durch hohe Wertberichtigungen im Augenblick - hohe Rückstellungen im Augenblick - gegebenenfalls Partner der Zukunft diese Gewinne jeweils zu Lasten des Landes Berlin heben können, das ist nicht die Verantwortung, die man hier übernehmen kann und darf. Der nächste Punkt ist die Frage des Nachtragshaushalts. Da hat der Finanzsenator, der Kollege Kurth, ein klares umfassendes Konzept vorgelegt. Dieses soll noch ergänzt werden durch Strukturentscheidungen oder Haushaltsentscheidungen, die in die mittelfristige Finanzplanung mit hineingehen. So, darauf müssen wir uns konzentrieren. Und dabei geht es gleichzeitig darum, dass die Institutionen, die für Wirtschaftswachstum -Arbeitsplätze - in der Stadt geschaffen worden sind und weiter ausgebaut werden müssen, dass die nicht in Schwierigkeiten kommen. So - darauf muss man sich im Augenblick konzentrieren. Und dann stehen übrigens noch die Verhandlungen auch über das, was man ‚Finanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland' nennt, unmittelbar bevor. Das steht in 14 Tagen bei der Ministerpräsidentenkonferenz an.
Engels: Sie planen so, als ob Sie die Zustimmung der SPD für dieses Konzept bereits haben. Nun tagt erst heute abend der Koalitionsausschuss; von Einigung ist da erstmal keine Rede.
Diepgen: Ich habe Ihnen eben gesagt, was meine Auffassung dabei ist. Es ist auch meine Verantwortung, das klar zu sagen - das sage ich den Sozialdemokraten, das sage ich den Berlinerinnen und Berlinern. Und ich kann nur hier festhalten: Die Sozialdemokraten, die eine - übrigens die Behauptung, es sei eine CDU-Bank, ist ein absoluter Unsinn, sowohl, wenn man die Geschichte der Bank kennt, die Amtsträger der Bank weiß; und ich sage mal: Ich habe in der vergangenen Legislaturperiode - übrigens, weil ich die Kollegin Fugmann-Heesing sehr geschätzt habe, bin ich davon ausgegangen - und ich mache ihr auch keine Vorwürfe -, dass sie die Fragestellung der Entwicklung in der Bank sehr genau im Griff und im Blick hatte.
Engels: Vielen Dank. Das war Eberhard Diepgen, der Regierende Bürgermeister von Berlin. Für die schlechte Leitungsqualität bitten wir um Nachsicht. Vielen Dank Herr Diepgen für das Gespräch.
Diepgen: Bitte schön; auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio