"Es gibt ganz wenig Ausgedachtes in "Neverwake". Das einzige, was ich mir ausgedacht habe, ist die Perspektive, dass es in etwa 20,30 Jahren richtig gesponserte Computerspielligen geben wird, so wie heute die Bundesliga im Fußballbereich. Das ist im Grunde genommen nur eine Hochrechnung von dem, was zur Zeit so in der Computerspielbranche passiert. Es gibt schon erste Computerspielolympiaden, aber die sind noch ganz klein, und sie finden auch nur in ein paar Ländern statt. Das wird sich meiner Meinung nach in den kommenden Jahrzehnten (..) ausweiten. Ich glaube, dies wird ein Versuch sein, sich ein Überleben zu sichern in einer Welt, in der man sonst vielleicht überhaupt keine Chancen, gar keine Perspektiven mehr sieht. Das bezieht sich dann auf eine Welt, die ich in meinem vorherigen Buch, in "Todestag", geschildert habe. "Neverwake" ist dann sozusagen der nächste Schritt, das heißt, wir konzepieren die Welt, so wie sie ist, wir können sie nicht mehr ändern, wie es dieser Typ in "Todestag" noch versucht hat. Wir können nur dieses tun: Wir können Computerspiele machen, und wir sind gut darin. Wir sind schnell, wir sind geschickt mit den Händen, wir haben eine schnelle Auffassungsgabe, also lass uns in die Liga kommen und lass uns Schotter machen."
Zwei Novellen verknüpft Meißner anhand der Rahmenhandlung solch einer Computerspielliga; ihr Schlauplatz; das heruntergekommene Berlin-Neukölln, nunmehr das Eldorado der Computerkids. Da ist zum einen Otis Esch, mit 32 Jahren ein Greis in der Szene, der nach der Liga von einer Programmierfirma angeheuert wird für einen brisanten Spiele-Test. Denn sein eigentlicher Job ist, herauszufinden, in welchem mentalen Nirwana sich der erste Testspieler nach mehreren ununterbrochenen Spieltagen befindet. Und während es für Esch ein Trip in die Hölle der Virtualität werden wird, kämpfen zugleich "Suicider" und "Smugglerboy", zwei 16jährige Spieler, verzweifelt um den begehrten und hindernisreichen Aufstieg in die erste Liga, wo der Ruhm und das Geld zu warten scheinen. Bewusst versetzt Meißner den Leser unmittelbar in diese Welt hinein und verzichtet auf jede Erklärung von außen. Und so nehmen vor allem die Spielsequenzen selbst den größten Raum ein und werden von Meißner - selbst ein Spieler mit jahrelanger Erfahrung - in einer Beschreibungspräzision vilsualisiert, die an Fotorealismus erinnert und den Leser zwangsweise zum Zuschauer, ja Mitspieler verwandelt. Der Autor:
"Ich als Schriftsteller habe jetzt nicht die Aufgabe, zu bewerten, ist das jetzt eine bessere oder eine schlechtere Welt. Ich finde es erst mal nötig, darauf überhaupt hinzuweisen, dass es sich um eine neue Dimension handelt, denn wenn man sich das Feuilleton in D anguckt, findet diese Kultur dort nicht statt. Das wächst in die Gesellschaft hinein. Genau wie das Kino oder das Fernsehen sich eingewachsen hat, wird auch das Medium Computerspiel sich einwachsen und wird irgendwann nicht mehr wegzudenken sein. Und da kann man doch nicht früh genug damit anfangen, dem Medium ernsthaft gegenüberzutreten, aufgeschlossen gegenüberzutreten, auch mit Begeisterung, mit Faszination, zu gucken, was ist das Faszinierende daran, und es trotzdem jetzt nicht zu vergöttern und vollkommen kritiklos darzustellen."
Tatsächlich verhandelt der Roman - obwohl stark eine Art Insider-Perspektive simulierend -das Für und Wider dieser Welt: Denn so wenig Meißner die knallharte Ökonomie ausblendet, die hinter den Kulissen der Branche herrscht und von der Sehnsucht der Kids nach Ersatzwelten lebt; so wenig will er diese Sehnsucht allein als baren Eskapismus, als Realitätsflucht verstanden wissen. Für den Spieler, so erklärt es eine der Figuren, sei das Spiel eine A t Uterus, das technologisierte Gewand der uralten Suche nach Heimat und Geborgenheit. Und noch etwas gibt Meißner zu bedenken: die quasi sportliche Herausforderung:
"Das Eskapismusproblem ist ja kein Problem, das jetzt der Computerspielbranche per se inhärent ist. Das gibt es in der Literatur ja genauso. Die Leute haben ja immer schon Bücher gelesen, Abenteuerromane oder delektierende Literatur, um sich aus ihrem Alltag hinaus zu schleudern und was anderes zu erleben. Was am Computerspielmedium allerdings neu ist, ist die Faszination, die ausgehen kann von einer gut durchdachten, einfach auch magnetisch wirkenden virtuellen Welt, in die man sich, man ein komplexes Computerrollenspiel spielt, für über hundert Stunden einklinkt. Also ein normaler Spielfilm fesselt einen für zwei Stunden, Computerspiele können einen halt für das fünzigfache an den Bildschirm fesseln. Mttterweile ist es ja schon gang und gäbe, dass man ohne Lösungsbuch zu einem Spiel gar nicht mehr durch kommt."
Vor allem aber die mythische Figur eines archaischen Kampfes von Gut gegen Böse scheint die Spiele und Spieler gleichermaßen zu beseelen. ''Confrontation" heißt der sprechende Titel des Spiels, in dem "Suicider" und "Smugglerboy" ihre Kräfte messen: Ein Spiel, das von der Bedrohung der Erde durch den in den Orbit geschossenen Weltraumschrott ausgeht und, wie so viele seinesgleichen, nichts weniger verhandelt als Welterrettungsphantasien. Bewusst rückt Meißner daher das Medium durch Querverweise auf science-fiction-Filme und -Romane in eine künstlerische Tradition. Und wie in den artverwandten Genres, ist auch im Computerspiel das Gute nicht ohne den Furor der Vernichtung zu haben - eine Kippfigur, die Meißner schon in seinen Büchern "Starrish Ruies" und "Todestag" beleuchtet hat:
"Vernichtung ist ja das elementare Vorwärtskommen. In "Neverwake", da ist es insofern spannend, als dieses Zerstörungspotential, das bei Computerspielen ja immer ganz besonders evident ist, weil es ja so sichtbar ist. Da muss man eigentlich ganz vorsichtig argumentieren: was ist Zerstörung? Ist sozusagen eine virtuelle Zerstörung eine reale Zerstörung, oder ist es nicht nur vielmehr eine neue Art von künstlicher Beleuchtung, weil halt eine Explosion zu sehen ist? Es gibt eine Stelle, wo eine Figur sagt: Es gibt gar nichts besseres auf der Welt als einen guten virtuellen Krieg. Und dann sagt eine andere Figur: Aber ist das nicht furchtbar, dieses Hauen und Stechen und Morden? Aber die Argumentationen laufen richtig aneinander vorbei. Für den einen hat das ja mit Hauen und Stechen überhaupt nichts zu tun. Für den ist das Ästhetik, für den ist das Kunstempfinden, dieser virtuelle Krieg. Von solch einer Art Gegenüberstellung der Meinungen ist auch der Roman selbst formal geprägt. Einen durch Kommentare oder Erklärungen orientierungsstiftenden Erzähler hat Meissner bewusst ausgeschlagen und nochmals, wie schon in "Todestag", auf das Verfahren eines eher thetischen, inventarisierenden Erzählens zurückgegriffen, was dem Roman den Charakter einer Plattform verleiht:
"Ich versuche ganz generell immer, sobald ich mich beschlossen habe, ein Rhema zu bearbeiten, eine Sprache zu finden für dieses Thema und eine wm, die diesem Thema auch angemessen wäre. Bei "Neverwake" hatte ich die Herausforderung, virtuelle Welten thematisieren zu wollen, aber gleichzeitig versuchen zu wollen, die ja auch Leuten nahe zu bringen, die nicht unbedingt den Großteil ihrer Jugend in Computerspielwelten verbracht haben."
So taucht der Leser von fotorealistisch eingefangenen virtuellen Räumen in delierierende Empfindungswelten der Spieler, wechselt sich Straßenjargon mit poetischem Bilderrausch ab. Allein der übermäßige Gebrauch von Angliszismen und Insidervokabular, der solch einem abbildenden den Verfahren geschuldet scheint, droht den neugierigen Laienleser in Ratlosigkeit zu versetzen. Doch noch das ist Programm: .
"Ich persönlich mag ja gerade dieses betuliche Erzählen nicht (..) Ich linde, dass alle deutschen Romane der Gegenart sich ähneln, als wären sie alle geklont worden. Es gibt immer so einen "Ich nehme dich jetzt an die Hand, lieber Leser, und zeige dir guck mal da und da, diese Person denkt jetzt das und das, weil vor 3 Jahren ist seine Frau überfahren worden und so weiter. Ich schreibe alle meine Bücher ausnahmslos für Leute, die in der Lage sind, auch selber Verbindungen herzustellen. Nichts liegt mir ferner als Literatur zu machen für Leute, die sich einfach nur zurücklehnen und sich berieseln lassen wollen. Diese Art von Literatur, die gibt es einfach schon, 97% des literarischen Marktes funktioniert so. Und ich finde, dass dieser andere Bestandteil von dem, was Literatur auch noch sein könnte, nämlich eben herausfordern, auch kreativ wirkend auf den Leser selber, dass dieser Bestandteil des literarischen Marktes zu kurz kommt. Und da versuche ich meine Bücher anzubieten, auf diesem Sektor."
Zwei Novellen verknüpft Meißner anhand der Rahmenhandlung solch einer Computerspielliga; ihr Schlauplatz; das heruntergekommene Berlin-Neukölln, nunmehr das Eldorado der Computerkids. Da ist zum einen Otis Esch, mit 32 Jahren ein Greis in der Szene, der nach der Liga von einer Programmierfirma angeheuert wird für einen brisanten Spiele-Test. Denn sein eigentlicher Job ist, herauszufinden, in welchem mentalen Nirwana sich der erste Testspieler nach mehreren ununterbrochenen Spieltagen befindet. Und während es für Esch ein Trip in die Hölle der Virtualität werden wird, kämpfen zugleich "Suicider" und "Smugglerboy", zwei 16jährige Spieler, verzweifelt um den begehrten und hindernisreichen Aufstieg in die erste Liga, wo der Ruhm und das Geld zu warten scheinen. Bewusst versetzt Meißner den Leser unmittelbar in diese Welt hinein und verzichtet auf jede Erklärung von außen. Und so nehmen vor allem die Spielsequenzen selbst den größten Raum ein und werden von Meißner - selbst ein Spieler mit jahrelanger Erfahrung - in einer Beschreibungspräzision vilsualisiert, die an Fotorealismus erinnert und den Leser zwangsweise zum Zuschauer, ja Mitspieler verwandelt. Der Autor:
"Ich als Schriftsteller habe jetzt nicht die Aufgabe, zu bewerten, ist das jetzt eine bessere oder eine schlechtere Welt. Ich finde es erst mal nötig, darauf überhaupt hinzuweisen, dass es sich um eine neue Dimension handelt, denn wenn man sich das Feuilleton in D anguckt, findet diese Kultur dort nicht statt. Das wächst in die Gesellschaft hinein. Genau wie das Kino oder das Fernsehen sich eingewachsen hat, wird auch das Medium Computerspiel sich einwachsen und wird irgendwann nicht mehr wegzudenken sein. Und da kann man doch nicht früh genug damit anfangen, dem Medium ernsthaft gegenüberzutreten, aufgeschlossen gegenüberzutreten, auch mit Begeisterung, mit Faszination, zu gucken, was ist das Faszinierende daran, und es trotzdem jetzt nicht zu vergöttern und vollkommen kritiklos darzustellen."
Tatsächlich verhandelt der Roman - obwohl stark eine Art Insider-Perspektive simulierend -das Für und Wider dieser Welt: Denn so wenig Meißner die knallharte Ökonomie ausblendet, die hinter den Kulissen der Branche herrscht und von der Sehnsucht der Kids nach Ersatzwelten lebt; so wenig will er diese Sehnsucht allein als baren Eskapismus, als Realitätsflucht verstanden wissen. Für den Spieler, so erklärt es eine der Figuren, sei das Spiel eine A t Uterus, das technologisierte Gewand der uralten Suche nach Heimat und Geborgenheit. Und noch etwas gibt Meißner zu bedenken: die quasi sportliche Herausforderung:
"Das Eskapismusproblem ist ja kein Problem, das jetzt der Computerspielbranche per se inhärent ist. Das gibt es in der Literatur ja genauso. Die Leute haben ja immer schon Bücher gelesen, Abenteuerromane oder delektierende Literatur, um sich aus ihrem Alltag hinaus zu schleudern und was anderes zu erleben. Was am Computerspielmedium allerdings neu ist, ist die Faszination, die ausgehen kann von einer gut durchdachten, einfach auch magnetisch wirkenden virtuellen Welt, in die man sich, man ein komplexes Computerrollenspiel spielt, für über hundert Stunden einklinkt. Also ein normaler Spielfilm fesselt einen für zwei Stunden, Computerspiele können einen halt für das fünzigfache an den Bildschirm fesseln. Mttterweile ist es ja schon gang und gäbe, dass man ohne Lösungsbuch zu einem Spiel gar nicht mehr durch kommt."
Vor allem aber die mythische Figur eines archaischen Kampfes von Gut gegen Böse scheint die Spiele und Spieler gleichermaßen zu beseelen. ''Confrontation" heißt der sprechende Titel des Spiels, in dem "Suicider" und "Smugglerboy" ihre Kräfte messen: Ein Spiel, das von der Bedrohung der Erde durch den in den Orbit geschossenen Weltraumschrott ausgeht und, wie so viele seinesgleichen, nichts weniger verhandelt als Welterrettungsphantasien. Bewusst rückt Meißner daher das Medium durch Querverweise auf science-fiction-Filme und -Romane in eine künstlerische Tradition. Und wie in den artverwandten Genres, ist auch im Computerspiel das Gute nicht ohne den Furor der Vernichtung zu haben - eine Kippfigur, die Meißner schon in seinen Büchern "Starrish Ruies" und "Todestag" beleuchtet hat:
"Vernichtung ist ja das elementare Vorwärtskommen. In "Neverwake", da ist es insofern spannend, als dieses Zerstörungspotential, das bei Computerspielen ja immer ganz besonders evident ist, weil es ja so sichtbar ist. Da muss man eigentlich ganz vorsichtig argumentieren: was ist Zerstörung? Ist sozusagen eine virtuelle Zerstörung eine reale Zerstörung, oder ist es nicht nur vielmehr eine neue Art von künstlicher Beleuchtung, weil halt eine Explosion zu sehen ist? Es gibt eine Stelle, wo eine Figur sagt: Es gibt gar nichts besseres auf der Welt als einen guten virtuellen Krieg. Und dann sagt eine andere Figur: Aber ist das nicht furchtbar, dieses Hauen und Stechen und Morden? Aber die Argumentationen laufen richtig aneinander vorbei. Für den einen hat das ja mit Hauen und Stechen überhaupt nichts zu tun. Für den ist das Ästhetik, für den ist das Kunstempfinden, dieser virtuelle Krieg. Von solch einer Art Gegenüberstellung der Meinungen ist auch der Roman selbst formal geprägt. Einen durch Kommentare oder Erklärungen orientierungsstiftenden Erzähler hat Meissner bewusst ausgeschlagen und nochmals, wie schon in "Todestag", auf das Verfahren eines eher thetischen, inventarisierenden Erzählens zurückgegriffen, was dem Roman den Charakter einer Plattform verleiht:
"Ich versuche ganz generell immer, sobald ich mich beschlossen habe, ein Rhema zu bearbeiten, eine Sprache zu finden für dieses Thema und eine wm, die diesem Thema auch angemessen wäre. Bei "Neverwake" hatte ich die Herausforderung, virtuelle Welten thematisieren zu wollen, aber gleichzeitig versuchen zu wollen, die ja auch Leuten nahe zu bringen, die nicht unbedingt den Großteil ihrer Jugend in Computerspielwelten verbracht haben."
So taucht der Leser von fotorealistisch eingefangenen virtuellen Räumen in delierierende Empfindungswelten der Spieler, wechselt sich Straßenjargon mit poetischem Bilderrausch ab. Allein der übermäßige Gebrauch von Angliszismen und Insidervokabular, der solch einem abbildenden den Verfahren geschuldet scheint, droht den neugierigen Laienleser in Ratlosigkeit zu versetzen. Doch noch das ist Programm: .
"Ich persönlich mag ja gerade dieses betuliche Erzählen nicht (..) Ich linde, dass alle deutschen Romane der Gegenart sich ähneln, als wären sie alle geklont worden. Es gibt immer so einen "Ich nehme dich jetzt an die Hand, lieber Leser, und zeige dir guck mal da und da, diese Person denkt jetzt das und das, weil vor 3 Jahren ist seine Frau überfahren worden und so weiter. Ich schreibe alle meine Bücher ausnahmslos für Leute, die in der Lage sind, auch selber Verbindungen herzustellen. Nichts liegt mir ferner als Literatur zu machen für Leute, die sich einfach nur zurücklehnen und sich berieseln lassen wollen. Diese Art von Literatur, die gibt es einfach schon, 97% des literarischen Marktes funktioniert so. Und ich finde, dass dieser andere Bestandteil von dem, was Literatur auch noch sein könnte, nämlich eben herausfordern, auch kreativ wirkend auf den Leser selber, dass dieser Bestandteil des literarischen Marktes zu kurz kommt. Und da versuche ich meine Bücher anzubieten, auf diesem Sektor."