Klaus Remme: Die Bilder aus New Orleans, sie werden in keinem der Jahresrückblicke 2005 fehlen. Ende August, nach dem Hurrikan Katrina brachen vor der Stadt die Dämme und große Teile von New Orleans liefen voll wie eine Badewanne. Was danach geschah, ist durch die vielen Kameras weltweit live übertragen worden. Hunderttausende mussten die Stadt verlassen. Viele von ihnen sind bisher nicht zurückgekommen. Der Wiederaufbau steckt noch in den Anfängen. Ich habe zu Beginn der Sendung vor einigen Stunden mit Jim Amoss, dem Chefredakteur der dortigen Tageszeitung "The Times Picayne", über die Situation in New Orleans gesprochen. Meine erste Frage, inwiefern er selbst von der Zerstörung betroffen war oder ist?
Jim Amoss: Also ich bin einer der wenigen, der Glück gehabt hat. Ich habe noch ein Haus, in dem ich schon wieder wohne, aber der Bezirk um mich herum ist zum großen Teil unbewohnbar, und man spürt es besonders nachts, also wenn ich jetzt aus meinem Haus herausblicke, sehe ich fast totale Dunkelheit, obwohl ich fast direkt in der Innenstadt wohne, denn die meisten Häuser in meiner Gegend haben immer noch keinen Strom zum Beispiel.
Remme: Wie hat sich das Leben dadurch verändert? Haben Sie Kinder, die zum Beispiel andere Schulen besuchen müssen?
Amoss: Ja, meine Kinder sind schon erwachsen, aber ich spüre das täglich. Die Läden um uns herum sind alle geschlossen, Restaurants, Sie müssen schon ins French Quarter gehen, um welche zu finden, also Sachen, an die man gar nicht denkt, wodurch eine Stadt funktioniert, die gibt es bei uns zum Teil gar nicht oder nur sehr wenige davon.
Remme: Herr Amoss, es war für die Stadt sicher kein Weihnachten wie jedes andere, aber war es eher trostlos oder ist es eher zuversichtlich mit Blick auf den Neubeginn?
Amoss: Ja, also New Orleans ist eine Stadt, die sehr viel Energie hat für sich und eigentlich ziemlich optimistisch gestimmt ist, obwohl man das in den nationalen und, ich glaube, auch in den internationalen Medien gar nicht so sehr liest, und man spürt es, dass jeden Tag etwas mehr Betrieb wieder in Gang kommt, neue Restaurants und Läden eröffnen. Ich bin im großen und ganzen optimistisch, dass die Stadt wieder in Gang kommt, obwohl es eine kleinere Stadt sein wird, also wir hatten vor dem Sturm etwa eine halbe Million Einwohner, und ich glaube, vielleicht innerhalb von drei Jahren werden wir auf 200, 300.000 kommen können.
Remme: Das ist eine Prognose, denn, obwohl der Bürgermeister Ray Nagin appelliert hat, viele der ehemaligen Bewohner sind noch nicht wieder zurückgekehrt. Wundert Sie das?
Amoss: Nein, eigentlich nicht. Es hängt ja sehr viel davon ab, was die New Orleaner glauben, dass in der nächsten Hurrikansaison passieren wird, und ob wir wirklich Deiche und Dämme haben werden, die uns vor einer Überflutung wie Katrina schützen können. Vor etwa einer Woche hat der Kongress etwa 3,1 Milliarden Dollar befürwortet, dass wir neue Deiche und Dämme bauen können, und ich hoffe, dass das die Leute optimistisch stimmen wird und dass viele dann zurückkehren werden in den nächsten Wochen und Monaten.
Remme: Für wie wahrscheinlich halten Sie eine Wiederholung dieser Katastrophe durch Hurrikans?
Amoss: Ich halte es für unwahrscheinlich. Ich meine, erst mal muss der Sturm direkt auf die Stadt zielen, und das ist im letzten Jahrhundert nur zweieinhalb Mal passiert. Ich glaube, dass innerhalb der nächsten sechs Monate jedenfalls provisorische Dämme und Deiche gebaut werden, die uns vor der nächsten Saison schützen werden, und dann im Laufe der nächsten anderthalb bis zwei Jahren, dass wir dann wirklich einen starken Schutz haben können.
Remme: Wir hören von hoher Arbeitslosigkeit in der Stadt. Wie erklärt sich das bei so viel Arbeit, die ja doch zu leisten ist?
Amoss: Das erklärt sich dadurch, dass die Arbeitgeber das Personal nicht finden können, weil etwa 75 Prozent der Stadt unbewohnbar ist. Also die Leute, die arbeiten wollen, finden einfach keine Unterkunft. Arbeitslosigkeit nur in dem Sinne, dass die Jobs zwar da sind, aber die Leute, wir reden jetzt von Kellnern und Ärzten, also fast alle Jobs, man muss irgendwo wohnen können, und das ist zur Zeit sehr schwer hier.
Remme: Unmittelbar nach der Zerstörung begann ja eine Diskussion über die mangelnde Rolle des Staats. Haben Sie das Gefühl, die Opfer bekommen ausreichende Unterstützung von öffentlichen Stellen jetzt in der Folgezeit?
Amoss: Also wir bekommen jetzt endlich fast ausreichende Unterstützung von der Bundesregierung. Der Staat und die Stadt selbst, der Bürgermeister und der Gouverneur, sind sich immer noch nicht ganz einig, in welche Direktion man gehen muss und wie New Orleans wieder aufgebaut werden soll, und das ist eigentlich ein ziemlich großes Problem. Es wird in den nächsten paar Monaten eine Bürgermeisterwahl geben, wo vieles sich entscheiden wird.
Remme: Wenn es stimmt, dass vor allem Farbige von der Zerstörung betroffen wurden, hat die Zerstörung die Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen jetzt verschärft?
Amoss: Also ich würde erst mal bestreiten, dass hauptsächlich Farbige davon betroffen sind. Das war wirklich ein ziemlich egalitärer Sturm, und Sie können sich Viertel von New Orleans anschauen, sowohl die Armen, das berühmte 9th Ward wo hauptsächlich farbige Einwohner gelitten haben, aber auch gegen den [...] zum Beispiel, wo Tausende von Leuten, Schwarze und Weißen, des gehobenen Mittelstandes ebenso betroffen sind. Das ist ein Porträt, das, glaube ich, besonders die nationalen Medien etwas falsch geschildert haben, aber damit kann man natürlich nicht entschuldigen, was den ärmsten Leuten passiert ist.
Remme: Ist denn nicht ein Indiz für die Richtigkeit der These, dass vor allem Farbige die Stadt verlassen mussten, oder stimmt das auch nicht?
Amoss: Nein, das würde ich auch bestreiten. Also es sind ebenso viele weiße, asiatische und hispanische Einwohner wie auch schwarze nicht hier und sind irgendwo in Houston oder in Atlanta sozusagen im Exil.
Remme: Viele sind gegangen, viele mussten gehen. Herr Amoss, was hält Sie in dieser Stadt?
Amoss: Also erst mal habe ich einen Job. Ich muss eine Zeitung herausgeben, und zweitens liebe ich die Stadt sehr und glaube an ihre Zukunft und bin auch optimistisch, dass sie wieder zurückkommt.
Remme: Inwiefern hat sich die Zeitung durch dieses Ereignis verändert?
Amoss: Also erst mal inhaltlich. Wir schreiben fast ausschließlich über den Sturm und seine Nachwirkungen. Und dann auch dadurch, dass wir weniger Leser haben als vorher, obwohl die Zahl von Tag zu Tag und von Woche zu Woche wächst, und dann auch dadurch, dass meine ganze Redaktion von dem Sturm betroffen worden ist und gelitten hat. Also ich habe sehr viele Kollegen, die alles verloren haben, die kein Haus mehr haben. Da bin ich eigentlich die Ausnahme.
Remme: Sie sagen, Sie haben weniger Leser. Schreiben Sie schwarze Zahlen?
Amoss: Wir haben eigentlich ziemlich viele Anzeigen, und deswegen würde ich sagen, ja, wir schreiben schwarze Zahlen, also wir haben Anzeigen von Banken, Hotels, Restaurants, die wieder eröffnen, und ich hoffe, dass das ständig wächst.
Remme: Der Wiederaufbau ist natürlich noch lange nicht abgeschlossen, das sehen wir aus den Bildern, aber abschließend, wird das neue New Orleans dem alten wenigstens ähneln?
Amoss: Also der älteste Teil der Stadt, der Teil der Stadt, der den Touristen am besten bekannt ist, French Quarter, Garden District, ist eigentlich ziemlich gut erhalten und ähnelt wieder dem alten. Es ist der neuere Teil der Stadt, der ihnen bestimmt weniger bekannt ist, also nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut, der etwas zusammenschrumpfen wird und wahrscheinlich dem alten New Orleans sehr wenig ähneln wird.
Jim Amoss: Also ich bin einer der wenigen, der Glück gehabt hat. Ich habe noch ein Haus, in dem ich schon wieder wohne, aber der Bezirk um mich herum ist zum großen Teil unbewohnbar, und man spürt es besonders nachts, also wenn ich jetzt aus meinem Haus herausblicke, sehe ich fast totale Dunkelheit, obwohl ich fast direkt in der Innenstadt wohne, denn die meisten Häuser in meiner Gegend haben immer noch keinen Strom zum Beispiel.
Remme: Wie hat sich das Leben dadurch verändert? Haben Sie Kinder, die zum Beispiel andere Schulen besuchen müssen?
Amoss: Ja, meine Kinder sind schon erwachsen, aber ich spüre das täglich. Die Läden um uns herum sind alle geschlossen, Restaurants, Sie müssen schon ins French Quarter gehen, um welche zu finden, also Sachen, an die man gar nicht denkt, wodurch eine Stadt funktioniert, die gibt es bei uns zum Teil gar nicht oder nur sehr wenige davon.
Remme: Herr Amoss, es war für die Stadt sicher kein Weihnachten wie jedes andere, aber war es eher trostlos oder ist es eher zuversichtlich mit Blick auf den Neubeginn?
Amoss: Ja, also New Orleans ist eine Stadt, die sehr viel Energie hat für sich und eigentlich ziemlich optimistisch gestimmt ist, obwohl man das in den nationalen und, ich glaube, auch in den internationalen Medien gar nicht so sehr liest, und man spürt es, dass jeden Tag etwas mehr Betrieb wieder in Gang kommt, neue Restaurants und Läden eröffnen. Ich bin im großen und ganzen optimistisch, dass die Stadt wieder in Gang kommt, obwohl es eine kleinere Stadt sein wird, also wir hatten vor dem Sturm etwa eine halbe Million Einwohner, und ich glaube, vielleicht innerhalb von drei Jahren werden wir auf 200, 300.000 kommen können.
Remme: Das ist eine Prognose, denn, obwohl der Bürgermeister Ray Nagin appelliert hat, viele der ehemaligen Bewohner sind noch nicht wieder zurückgekehrt. Wundert Sie das?
Amoss: Nein, eigentlich nicht. Es hängt ja sehr viel davon ab, was die New Orleaner glauben, dass in der nächsten Hurrikansaison passieren wird, und ob wir wirklich Deiche und Dämme haben werden, die uns vor einer Überflutung wie Katrina schützen können. Vor etwa einer Woche hat der Kongress etwa 3,1 Milliarden Dollar befürwortet, dass wir neue Deiche und Dämme bauen können, und ich hoffe, dass das die Leute optimistisch stimmen wird und dass viele dann zurückkehren werden in den nächsten Wochen und Monaten.
Remme: Für wie wahrscheinlich halten Sie eine Wiederholung dieser Katastrophe durch Hurrikans?
Amoss: Ich halte es für unwahrscheinlich. Ich meine, erst mal muss der Sturm direkt auf die Stadt zielen, und das ist im letzten Jahrhundert nur zweieinhalb Mal passiert. Ich glaube, dass innerhalb der nächsten sechs Monate jedenfalls provisorische Dämme und Deiche gebaut werden, die uns vor der nächsten Saison schützen werden, und dann im Laufe der nächsten anderthalb bis zwei Jahren, dass wir dann wirklich einen starken Schutz haben können.
Remme: Wir hören von hoher Arbeitslosigkeit in der Stadt. Wie erklärt sich das bei so viel Arbeit, die ja doch zu leisten ist?
Amoss: Das erklärt sich dadurch, dass die Arbeitgeber das Personal nicht finden können, weil etwa 75 Prozent der Stadt unbewohnbar ist. Also die Leute, die arbeiten wollen, finden einfach keine Unterkunft. Arbeitslosigkeit nur in dem Sinne, dass die Jobs zwar da sind, aber die Leute, wir reden jetzt von Kellnern und Ärzten, also fast alle Jobs, man muss irgendwo wohnen können, und das ist zur Zeit sehr schwer hier.
Remme: Unmittelbar nach der Zerstörung begann ja eine Diskussion über die mangelnde Rolle des Staats. Haben Sie das Gefühl, die Opfer bekommen ausreichende Unterstützung von öffentlichen Stellen jetzt in der Folgezeit?
Amoss: Also wir bekommen jetzt endlich fast ausreichende Unterstützung von der Bundesregierung. Der Staat und die Stadt selbst, der Bürgermeister und der Gouverneur, sind sich immer noch nicht ganz einig, in welche Direktion man gehen muss und wie New Orleans wieder aufgebaut werden soll, und das ist eigentlich ein ziemlich großes Problem. Es wird in den nächsten paar Monaten eine Bürgermeisterwahl geben, wo vieles sich entscheiden wird.
Remme: Wenn es stimmt, dass vor allem Farbige von der Zerstörung betroffen wurden, hat die Zerstörung die Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen jetzt verschärft?
Amoss: Also ich würde erst mal bestreiten, dass hauptsächlich Farbige davon betroffen sind. Das war wirklich ein ziemlich egalitärer Sturm, und Sie können sich Viertel von New Orleans anschauen, sowohl die Armen, das berühmte 9th Ward wo hauptsächlich farbige Einwohner gelitten haben, aber auch gegen den [...] zum Beispiel, wo Tausende von Leuten, Schwarze und Weißen, des gehobenen Mittelstandes ebenso betroffen sind. Das ist ein Porträt, das, glaube ich, besonders die nationalen Medien etwas falsch geschildert haben, aber damit kann man natürlich nicht entschuldigen, was den ärmsten Leuten passiert ist.
Remme: Ist denn nicht ein Indiz für die Richtigkeit der These, dass vor allem Farbige die Stadt verlassen mussten, oder stimmt das auch nicht?
Amoss: Nein, das würde ich auch bestreiten. Also es sind ebenso viele weiße, asiatische und hispanische Einwohner wie auch schwarze nicht hier und sind irgendwo in Houston oder in Atlanta sozusagen im Exil.
Remme: Viele sind gegangen, viele mussten gehen. Herr Amoss, was hält Sie in dieser Stadt?
Amoss: Also erst mal habe ich einen Job. Ich muss eine Zeitung herausgeben, und zweitens liebe ich die Stadt sehr und glaube an ihre Zukunft und bin auch optimistisch, dass sie wieder zurückkommt.
Remme: Inwiefern hat sich die Zeitung durch dieses Ereignis verändert?
Amoss: Also erst mal inhaltlich. Wir schreiben fast ausschließlich über den Sturm und seine Nachwirkungen. Und dann auch dadurch, dass wir weniger Leser haben als vorher, obwohl die Zahl von Tag zu Tag und von Woche zu Woche wächst, und dann auch dadurch, dass meine ganze Redaktion von dem Sturm betroffen worden ist und gelitten hat. Also ich habe sehr viele Kollegen, die alles verloren haben, die kein Haus mehr haben. Da bin ich eigentlich die Ausnahme.
Remme: Sie sagen, Sie haben weniger Leser. Schreiben Sie schwarze Zahlen?
Amoss: Wir haben eigentlich ziemlich viele Anzeigen, und deswegen würde ich sagen, ja, wir schreiben schwarze Zahlen, also wir haben Anzeigen von Banken, Hotels, Restaurants, die wieder eröffnen, und ich hoffe, dass das ständig wächst.
Remme: Der Wiederaufbau ist natürlich noch lange nicht abgeschlossen, das sehen wir aus den Bildern, aber abschließend, wird das neue New Orleans dem alten wenigstens ähneln?
Amoss: Also der älteste Teil der Stadt, der Teil der Stadt, der den Touristen am besten bekannt ist, French Quarter, Garden District, ist eigentlich ziemlich gut erhalten und ähnelt wieder dem alten. Es ist der neuere Teil der Stadt, der ihnen bestimmt weniger bekannt ist, also nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut, der etwas zusammenschrumpfen wird und wahrscheinlich dem alten New Orleans sehr wenig ähneln wird.