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Nicht "Ciao", sondern "Mandi"

Im italienischen Friaul sind die Verkehrsschilder, die Straßennamen und der Schulunterricht heute bilingual. Denn nach vielen Jahrzehnten des Vergessens erlebt das Friaulisch, das zur Gruppe der rätoromanischen Sprachen gehört, eine Renaissance in der Region.

Von Kirstin Hausen | 28.12.2009
    Eine Gute-Nacht-Geschichte auf Friaulisch. Tradition bei Renzo Lavia und seiner Enkeltochter. Der 68-jährige Theaterschauspieler liebt seine Muttersprache und spricht sie bei jeder Gelegenheit.

    "Diese Sprache hat so einen süßen, harmonischen Klang. Musikalisch ist sie. Das sage nicht nur ich. Das haben mir italienische Kollegen, mit denen ich auf der Bühne stand, bestätigt, keine Friauler! Sie waren ganz überrascht vom Klang des Friaulischen. Sie hatten einen harten Klang erwartet, ähnlich dem Deutschen, aber das Friaulische ist sehr weich und musikalisch."

    Vielleicht kommt das von den lang gezogenen Vokalen, die so typisch sind. Friaulisch hört sich zunächst an wie ein italienischer Dialekt, aber bei genauerem Hinhören lassen sich auch deutsche Einflüsse heraushören. Würden Außenstehende sagen.

    "Das Friaulische ist beeinflusst? Für uns ist es allein unsere Sprache, so wie auch wir nicht beeinflusst sind, sondern Friauler und fertig."

    Eine eigene Identität, eine eigene Sprache – Renzo Lavia ist zunächst einmal Friauler und dann erst Italiener. Um die Sprache zu pflegen, hat er den Verein Friaulischer Theatergruppen gegründet.

    "Das Theater ist für eine Sprache lebenswichtig, das Theater verkörpert die Wurzeln, die Kultur eines Volkes."

    Besonders in der Zeit um Weihnachten herum sind die Theatergruppen sehr gefragt: Sie spielen volkstümliche Komödien auf den vielen Festen der Friaulischen Emigranten, die zwar auf der ganzen Welt zuhause sind, aber in den Ferien immer wieder in ihre Heimat zurückkehren. Weltweit sprechen etwa 600.000 Menschen die alte rätoromanische Sprache. Doch nur im Friaul hört man den typischen Gruß "Mandi" ganz selbstverständlich auf den Straßen.

    "Unser Mandi ist uns heilig”, sagt Angela Innocente, die mit ihrem Bruder ein Hotel in Udine betreibt und mit Gästen aus der ganzen Welt zu tun hat. Was sie ihnen als Erstes beibringt: in Udine begrüßt man sich mit "Mandi", nicht mit "Ciao".

    "Es gibt verschiedene Übersetzungen von diesem Mandi. 'Ich empfehle dich Gott' ist eine davon, aber so ganz geklärt ist seine Bedeutung nicht."

    Trotzdem: "Mandi" ist ein geflügeltes Wort, im Friaul öffnet es Türen. Das wissen auch die Einwohner der Region Friaul Julisch Venetien, die die Sprache nicht beherrschen. Das sind nicht wenige, weil in zwei von drei Provinzen der Region das Italienische die alte Friaulische Sprache verdrängt hat. Veronika Ursini, die in Triest lebt, keine 70 Kilometer entfernt von Udine, versteht kein Friaulisch.

    "Es ist anders als italienisch und das einzige Wort, das ich verstehe ist 'Mandi' und das benutze ich selbst im Umgang mit Friaulern. Es ist meine Art, ihnen zu zeigen, dass ich ihre spezielle Identität akzeptiere."
    Vor dreizehn Jahren wurde in Italien ein Gesetz verabschiedet, dass das Friaulische als Minderheitensprache unter Schutz stellt. Damit verbunden ist die gesetzliche Verpflichtung, seinen Erhalt zu fördern. Konkret heißt das: Es gibt Geld vom italienischen Staat und von der Region. Die EU hat mit ihrem Europäischen Büro für wenig gesprochene Sprachen zwar eine Anlaufstelle geschaffen, die Regionen mit sprachlichen Minderheiten vernetzt, finanziert jedoch weder Bücher in Friaulisch, noch die Lehrer an den öffentlichen Schulen, die Friaulisch unterrichten. Als Wahlfach. Federico Vicario, Dozent für Friaulisch an der Universität von Udine:

    "In den letzten Jahren wurden Schutzmaßnahmen ergriffen, sowohl von der Region als auch vom italienischen Staat. Aber eine Sprache kann man nicht per Gesetz retten, das geht nur, indem die Eltern mit ihren Kindern in dieser Sprache reden. Was uns Mut macht, sind die Zahlen, die uns aus den Schulen erreichen. 65 Prozent der Eltern, deren Kinder an einer staatlichen Schule in der Provinz Udine eingeschrieben sind, haben dem Unterricht des Friaulischen zugestimmt."

    Federico Vicario ist auch Vizepräsident der Gesellschaft für die Friaulische Sprache. Ein ehrwürdiges Institut, gegründet 1919. Dank der staatlichen Förderung unterhält es in Udine eine Bibliothek. Hier stehen wissenschaftliche Abhandlungen im Regal, aber auch Kinderbücher auf Friaulisch.

    Damit Renzo Lavia seiner Enkeltochter immer neue Gute-Nacht-Geschichten auf friaulisch vorlesen kann.