Poos: Guten Morgen.
Heuer: In Brüssel hat man bekanntlich einen guten Überblick - steht Deutschland in der Europäischen Union wirklich allein da mit seinem entschiedenen Nein zu einem Irak-Krieg?
Poos: Die Darstellung, dass Deutschland allein dastehe, ist eine Darstellung, die ganz gut in den deutschen Wahlkampf passt. Aber das scheint international und besonders auch im Europaparlament nicht der Fall zu sein, denn isoliert ist meiner Meinung nach - und auch den Vorstellungen des Europaparlaments nach - nicht Deutschland, sondern die Bush-Verwaltung und Tony Blair. Und was Bundeskanzler Schröder ausspricht, ist eigentlich die Haltung der Mehrheit der europäischen Staaten.
Heuer: Wieso sagen die europäischen Staaten das denn dann nicht lauter?
Poos: Die meisten halten sich bedeckt, da es ja nicht gut ansteht, Amerika offen zu kritisieren. Andere halten ihre Haltung offen, bis es zu einer UNO-Debatte kommt. Das gilt für die ständigen und nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrats der UNO. Die wollen also ihre Karte nicht aufdecken, bis es zu einer diplomatischen Behandlung hoffentlich in den nächsten Tagen in der UNO kommt. Aber einen ersten Sieg hat diese harte Haltung schon angeführt, nämlich dass es nicht zu einem amerikanischen Alleingang kommt, bis die UNO nicht eine neue Resolution verabschiedet hat. Und jetzt kommt die Zeit der Diplomatie.
Heuer: Diplomatische Initiativen müssen aber auch innerhalb der Europäischen Union vorbereitet und koordiniert werden. Welche Rolle könnte da die deutsche Regierung spielen?
Poos: Die deutsche Regierung wird natürlich genau wie alle anderen mit den anderen Mitgliedstaaten beraten und versuchen, eine gemeinsame Haltung festzulegen. Es scheint mir auch angesichts der englischen Haltung nicht unmöglich, dass das geschieht, denn auch die Nichtmitglieder des Sicherheitsrats haben ja die Möglichkeit, den Text einzusehen und es gibt ständige Koordinierungssitzungen in Brüssel sowie auch in New York. Sie müssen sich also stark machen, dass es bei einem diplomatischen Weg bleibt und dass das Ultimatum, das in die Resolution eingebaut werden soll, wie man hört, nicht zwangsläufig zum Krieg führt. Das darf keinen Automatismus geben.
Heuer: Das sagt Joschka Fischer auch. Welcher europäische Staat, Herr Poos, steht denn am stärksten zu Deutschland?
Poos: Es sind all die kleineren Staaten mit Ausnahme vielleicht Berlusconis und der neuen holländischen Regierung, die wie Sie wissen auch eine starke Beteiligung der Pim Fortuyn-Partei hat.
Heuer: Sie haben es schon erwähnt, die Vereinten Nationen beraten jetzt über diplomatische Wege, den Krieg doch noch zu verhindern. Was müsste denn in einer UN-Resolution stehen, auf die der Irak auch reagiert.
Poos: Erstens mal: die erste Resolution im Jahre 1991 nach der Niederlage Saddam Husseins hat beschlossen, dass der Irak abrüsten soll. Darin stand damals, dass diese Abrüstung des Iraks ein erster Schritt mit dem Ziel sei, im mittleren Osten eine Zone zu schaffen, die frei von Massenvernichtungswaffen und Trägerraketen sei. Es geht also darum, diese Formulierung zu wiederholen, damit es nicht nur um den Irak sondern um die ganze Region geht. Ich denke dabei besonders an Israel. Und zweitens: in den nachfolgenden Resolutionen wurde ein sehr hartes wirtschaftliches Embargo gegen den Irak verhängt und so lange die Abrüstung nicht vollzogen sei, wird dieses Embargo aufrecht erhalten. Man muss also den Irakern sagen: ihr müsst die Inspektoren ins Land lassen und in einer gewissen Zeit wird das Embargo dann aufgehoben und der Irak wird behandelt, wie irgendein anderes Land.
Heuer: Halten Sie es für möglich, dass sich die USA auf eine solche Lösung mit Erwähnung der Aufhebung des Embargos tatsächlich einlassen wird?
Poos: Bei den USA habe ich tatsächlich Zweifel, denn ihnen geht es nicht um die Abrüstung, ihnen geht es um die Wegschaffung des Regimes. Das ist natürlich eine Vorstellung, die in der UNO-Charta überhaupt nicht vorgesehen ist. Es ist also an den anderen europäischen und nichteuropäischen Staaten, in diesem Sinne zu intervenieren. Wenn sie das erfolgreich tun, bliebe den USA nur ein Veto gegen diese Resolution übrig und mit einem Veto können sie natürlich keinen Krieg entfachen, denn die rechtliche Grundlage wäre nicht vorhanden.
Heuer: Glauben Sie umgekehrt, dass Saddam Hussein auf den Versuch verzichten wird, neue chemische oder biologische Waffen oder auch die Atombombe herzustellen, wenn es tatsächlich keinen Irak-Krieg gibt und die Sanktionen aufgehoben werden?
Poos: Saddam Hussein hat meiner Meinung nach ein sehr großes Interesse daran, wenn er die Perspektive sieht, dass die Sanktionen in absehbarer Zeit, das heißt an einem zu bestimmenden Datum, verschwinden, wenn die Inspektoren grünes Licht dazu geben, also keine Massenvernichtungswaffen vorhanden sind oder die vorhandenen zerstört sind und das ist also der diplomatische Weg, den Deutschland vorschlägt und das ist für Europa die einzig richtige Haltung.
Heuer: Und auf Saddam Hussein wäre in diesem Fall Verlass?
Poos: So lange wie die Inspektoren ihre Arbeit ungehindert und ungeniert machen können, ist das keine Frage, ob auf ihn Verlass ist oder nicht. Es gibt ja auf der Welt viele andere Diktatoren, auf die kein Verlass ist. Wenn man gegen alle die Kriege führen will, dann wird die Welt in den nächsten Jahrzehnten sehr schlimm aussehen.
Heuer: Vielen Dank für das Gespräch. Das war Jaques Poos, der ehemalige luxemburgische Außenminister und heute ist er Europaparlamentarier. Danke, Herr Poos.
Poos: Dankesehr.
Link: Interview als RealAudio
Heuer: In Brüssel hat man bekanntlich einen guten Überblick - steht Deutschland in der Europäischen Union wirklich allein da mit seinem entschiedenen Nein zu einem Irak-Krieg?
Poos: Die Darstellung, dass Deutschland allein dastehe, ist eine Darstellung, die ganz gut in den deutschen Wahlkampf passt. Aber das scheint international und besonders auch im Europaparlament nicht der Fall zu sein, denn isoliert ist meiner Meinung nach - und auch den Vorstellungen des Europaparlaments nach - nicht Deutschland, sondern die Bush-Verwaltung und Tony Blair. Und was Bundeskanzler Schröder ausspricht, ist eigentlich die Haltung der Mehrheit der europäischen Staaten.
Heuer: Wieso sagen die europäischen Staaten das denn dann nicht lauter?
Poos: Die meisten halten sich bedeckt, da es ja nicht gut ansteht, Amerika offen zu kritisieren. Andere halten ihre Haltung offen, bis es zu einer UNO-Debatte kommt. Das gilt für die ständigen und nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrats der UNO. Die wollen also ihre Karte nicht aufdecken, bis es zu einer diplomatischen Behandlung hoffentlich in den nächsten Tagen in der UNO kommt. Aber einen ersten Sieg hat diese harte Haltung schon angeführt, nämlich dass es nicht zu einem amerikanischen Alleingang kommt, bis die UNO nicht eine neue Resolution verabschiedet hat. Und jetzt kommt die Zeit der Diplomatie.
Heuer: Diplomatische Initiativen müssen aber auch innerhalb der Europäischen Union vorbereitet und koordiniert werden. Welche Rolle könnte da die deutsche Regierung spielen?
Poos: Die deutsche Regierung wird natürlich genau wie alle anderen mit den anderen Mitgliedstaaten beraten und versuchen, eine gemeinsame Haltung festzulegen. Es scheint mir auch angesichts der englischen Haltung nicht unmöglich, dass das geschieht, denn auch die Nichtmitglieder des Sicherheitsrats haben ja die Möglichkeit, den Text einzusehen und es gibt ständige Koordinierungssitzungen in Brüssel sowie auch in New York. Sie müssen sich also stark machen, dass es bei einem diplomatischen Weg bleibt und dass das Ultimatum, das in die Resolution eingebaut werden soll, wie man hört, nicht zwangsläufig zum Krieg führt. Das darf keinen Automatismus geben.
Heuer: Das sagt Joschka Fischer auch. Welcher europäische Staat, Herr Poos, steht denn am stärksten zu Deutschland?
Poos: Es sind all die kleineren Staaten mit Ausnahme vielleicht Berlusconis und der neuen holländischen Regierung, die wie Sie wissen auch eine starke Beteiligung der Pim Fortuyn-Partei hat.
Heuer: Sie haben es schon erwähnt, die Vereinten Nationen beraten jetzt über diplomatische Wege, den Krieg doch noch zu verhindern. Was müsste denn in einer UN-Resolution stehen, auf die der Irak auch reagiert.
Poos: Erstens mal: die erste Resolution im Jahre 1991 nach der Niederlage Saddam Husseins hat beschlossen, dass der Irak abrüsten soll. Darin stand damals, dass diese Abrüstung des Iraks ein erster Schritt mit dem Ziel sei, im mittleren Osten eine Zone zu schaffen, die frei von Massenvernichtungswaffen und Trägerraketen sei. Es geht also darum, diese Formulierung zu wiederholen, damit es nicht nur um den Irak sondern um die ganze Region geht. Ich denke dabei besonders an Israel. Und zweitens: in den nachfolgenden Resolutionen wurde ein sehr hartes wirtschaftliches Embargo gegen den Irak verhängt und so lange die Abrüstung nicht vollzogen sei, wird dieses Embargo aufrecht erhalten. Man muss also den Irakern sagen: ihr müsst die Inspektoren ins Land lassen und in einer gewissen Zeit wird das Embargo dann aufgehoben und der Irak wird behandelt, wie irgendein anderes Land.
Heuer: Halten Sie es für möglich, dass sich die USA auf eine solche Lösung mit Erwähnung der Aufhebung des Embargos tatsächlich einlassen wird?
Poos: Bei den USA habe ich tatsächlich Zweifel, denn ihnen geht es nicht um die Abrüstung, ihnen geht es um die Wegschaffung des Regimes. Das ist natürlich eine Vorstellung, die in der UNO-Charta überhaupt nicht vorgesehen ist. Es ist also an den anderen europäischen und nichteuropäischen Staaten, in diesem Sinne zu intervenieren. Wenn sie das erfolgreich tun, bliebe den USA nur ein Veto gegen diese Resolution übrig und mit einem Veto können sie natürlich keinen Krieg entfachen, denn die rechtliche Grundlage wäre nicht vorhanden.
Heuer: Glauben Sie umgekehrt, dass Saddam Hussein auf den Versuch verzichten wird, neue chemische oder biologische Waffen oder auch die Atombombe herzustellen, wenn es tatsächlich keinen Irak-Krieg gibt und die Sanktionen aufgehoben werden?
Poos: Saddam Hussein hat meiner Meinung nach ein sehr großes Interesse daran, wenn er die Perspektive sieht, dass die Sanktionen in absehbarer Zeit, das heißt an einem zu bestimmenden Datum, verschwinden, wenn die Inspektoren grünes Licht dazu geben, also keine Massenvernichtungswaffen vorhanden sind oder die vorhandenen zerstört sind und das ist also der diplomatische Weg, den Deutschland vorschlägt und das ist für Europa die einzig richtige Haltung.
Heuer: Und auf Saddam Hussein wäre in diesem Fall Verlass?
Poos: So lange wie die Inspektoren ihre Arbeit ungehindert und ungeniert machen können, ist das keine Frage, ob auf ihn Verlass ist oder nicht. Es gibt ja auf der Welt viele andere Diktatoren, auf die kein Verlass ist. Wenn man gegen alle die Kriege führen will, dann wird die Welt in den nächsten Jahrzehnten sehr schlimm aussehen.
Heuer: Vielen Dank für das Gespräch. Das war Jaques Poos, der ehemalige luxemburgische Außenminister und heute ist er Europaparlamentarier. Danke, Herr Poos.
Poos: Dankesehr.
Link: Interview als RealAudio