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Nicht im Sinne der Patienten

Der niederländische Internet-Arzneihändler DocMorris darf seine deutsche Filiale zunächst weiter betreiben. Das Landgericht Saarbrücken wies in einem Eilverfahren den Antrag einer niedergelassenen Apothekerin auf sofortige Schließung als unbegründet zurück. Der Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Apothekerverbände, Heinz-Günther Wolf, verlangte die Einhaltung nationalen Rechts, wonach Apotheken nicht von Kapitalgesellschaften betrieben werden dürfen.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Die erste "DocMorris-Filiale" in Deutschland, in Saarbrücken, muss nicht geschlossen werden. Mit diesem Urteil wies das Landgericht Saarbrücken den Eilantrag einer Apothekerin der Stadt zurück. Der erhobene Vorwurf unlauterer Wettbewerb sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Protest der Apotheker gegen eine drohende Aufweichung ihres bisher gesetzlich gesicherten Anspruchs, um nicht zu sagen Monopols, dürfte neue Nahrung erhalten, dass sie gegebenenfalls bis nach Karlsruhe gehen. Das darf man sich denken. Eine Internetapotheke mit Geschäften in ganz Deutschland, die auch rezeptfreie Medikamente zu niedrigen Preisen verkauft. Das ist Konkurrenz. Das beinhaltet auch sehr viele andere Möglichkeiten. Heinz-Günther Wolf ist Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände und betreibt wohl auch selbst noch eine Apotheke. Herr Wolf, weshalb fürchten Sie und Ihre Kollegen diese Konkurrenz?

    Heinz-Günther Wolf: Ja wir fürchten nicht die Konkurrenz von "DocMorris". Die sind wir ja schon seit langem gewöhnt, denn "DocMorris" der versendet ja seit 2004 aus Holland nach Deutschland seine Arzneimittel. "DocMorris" hat ganz offensichtlich gelernt, dass er aus der Ein-Prozent-Nische des Versandhandel raus muss und nach Deutschland kommen will, weil er endlich eine feste Apotheke braucht, um wie der Vertreter von "DocMorris" auch gesagt hat, persönlich mit den Patienten reden zu können. Das ist aber nicht das. Wir haben deutsches Recht und wir sind der Auffassung, dass man sich auf deutsches Recht verlassen muss.

    Durak: Egal was in Brüssel gesagt wird?

    Wolf: Egal was in Brüssel gesagt wird, nicht ganz. Aber es gibt ja, wenn in Brüssel abweichendes Recht beschlossen wird ein Prozedere oder zwei Arten von Prozedere die auch bisher üblich sind. Nämlich der erste Weg ist der, dass sich zum Beispiel der, dass sich zum Beispiel der Herr Hecken, wenn er meint, das europäische Recht müsste sich gegen deutsches Recht durchsetzen, dann verschafft er sich eine parlamentarische Mehrheit, indem er mit seinen Kollegen spricht, das ins Parlament einbringt, dann wird das auf dem parlamentarischen Weg ganz öffentlich diskutiert und wenn das eine Mehrheit findet, dann wird dieses europäische Recht in deutsches Recht umgewandelt. Sie erinnern sich bestimmt an die Diskussion der Dienstleistungsrichtlinie. Das ist ein ganz klassischer Weg so gewesen. So ist er in unserem Land vorgesehen. Es gibt aber noch einen zweiten Weg, den hätte Herr Hecken auch beschreiten können, nämlich den Rechtsweg über den Europäischen Gerichtshof und da muss dann in dem Fall, wenn dann die Parlamentarier nicht "schnell genug sind", dann kann der Europäische Gerichtshof hier entscheiden, wie zu verfahren ist. Und weil wir ja alle wollen, dass Recht bleiben muss, dass wir ein Rechtstaat sein wollen, da gibt es diese beiden Wege und alles andere ist der Weg in die Anarchie, das kann niemand wollen.

    Durak: Noch mal zur Erinnerung, der von Ihnen angesprochene Herr Hecken ist der saarländische Gesundheitsminister. Aber Herr Wolf, dass der Minister eines Landes zunächst einmal den Weg über die Parlamentarier nimmt und da es sozusagen sein eigenes Geschäft ist, ist ihm ja nicht vorzuwerfen. Aber was meinen Sie mit Anarchie?

    Wolf: Anarchie ist wenn jeder Minister eines jeden Landes über die Apotheken, über das Apothekenrecht haben die Länder die Aufsicht, wenn jedes Land eine andere Auffassung hat und die ohne sich um deutsches geltendes Recht zu kümmern anders auslegt und sagt, in der EU wird irgendetwas anderes gesagt, dann haben wir nichts mehr vorauf der Bürger verlassen kann.

    Durak: Manche nennen das auch Föderalismus.

    Wolf: Föderalismus ist etwas anderes. Da ist es geregelt. Da kann man genau lesen, welches geltende Recht in welchem Bundesland gilt. Aber Anarchie ist, wenn man nicht weiß, ob das geltende Recht noch gilt oder ob jemand anderes versucht sich da durchzusetzen.

    Durak: Im Augenblick hört es sich an Herr Wolf, als führten Sie einen Streit um des Prinzipswillen. Ich will mal eine andere Argumentation ins Spiel bringen. Das Sozialministerium von Baden-Württemberg ist auch dagegen, dass "DocMorris-Filialen" in Deutschland aufgemacht werden. Begründet das aber unter anderem so: Die Liberalisierung, also die europäische Niederlassungsfreiheit, würde zur Konzentration auf Ballungsräume führen oder in Ballungsräumen.
    Können Sie dieser Argumentation folgen?

    Wolf: Ja die ist völlig richtig. Die können wir auch begucken. In anderen Ländern, in denen eine Niederlassungsfreiheit, beziehungsweise das Betreiben von Apotheken durch Konzerne, durch Großkonzerne erlaubt worden ist, in Norwegen, ist genau das passiert.

    Durak: Das heißt, Sie befürchten, dass Apotheken sterben, wenn "DocMorris" sich breit macht?

    Wolf: Das müssen wir mal begucken. Wir haben eine völlig andere Situation. Sie hatten ja auch erst das Thema angesprochen "DocMorris" ist billig und alle anderen Apotheken sind teuer. Das ist aber bei Lichte betrachtet Unsinn. Gucken Sie sich mal die Anzeigen in den Regionalzeitungen an. In dem Bereich, wo die Preise nicht mehr geregelt sind seit 2004 bei den Arzneimitteln, die der Patient selber kaufen kann, da gibt es schon einen erheblichen Preiswettbewerb. Und "DocMorris" gehört da eher zu den teureren.

    Durak: Naja, "DocMorris" sieht das anders, die Kunden auch. Das zeigt sich ja dann sozusagen an der Apothekentheke, ob man die freiverkäuflichen Medikamente da oder dort preiswerter kriegt…

    Wolf: Genau so ist es…

    Durak: Bleiben wir mal bei der Konzentration Herr Wolf. Bei der Konzentration, die sozusagen Baden-Württemberg befürchtet. Im Augenblick ist ja so die Erfahrung in gewissen Städten oder in vielen Städten ist es so, da trifft man eine Apotheke nach der anderen in den Kernstraßen. Der kommende Konkurrent oder der potentielle Konkurrent "DocMorris" wäre dann eine weitere Apotheke unter vielen. Wettbewerb nennt man das.

    Wolf: Das ist nicht eine weitere Apotheke unter vielen, sondern es werden dann sehr wahrscheinlich Apotheken aufgekauft von vielen Konzernen. Kucken Sie, "DocMorris" ist doch nicht der einzige Interessent für den Markt. Es wird Boots aus England vielleicht kommen. Vielleicht wird Herr Rossmann eine Apothekenkette aufmachen. Da gibt es eine ganz Menge, die daran interessiert sind. Im Ausland kann man sich das angucken. Und Sie sagten gerade die Ballung in den Städten, die wird sich vielleicht verändern. Natürlich! In Norwegen können Sie das angucken, da ist vor drei Jahren genau das passiert, was hier beabsichtigt wird. Und tatsächlich haben die drei Konzerne, drei Konzerne, die den norwegischen Apothekenmarkt innerhalb eines Jahres übernommen haben, die Versorgung in den wirtschaftlich interessanten Gebieten verstärkt und die Qualität auf ländlichen Gebieten verschlechtert.

    Durak: Da könnten ja unsere Apotheken hingehen.

    Wolf: Wenn man das ordnungspolitisch anguckt, dann kann das nicht gewünscht sein. Und die baden-württembergische Ministerin hat Ihnen das ja auch dezidiert geschrieben. Das kann man ja nachlesen.

    Durak: Aber dann könnten doch die gestandenen deutschen Apotheken in die Fläche auch gehen. Das ganze könnte man ja auch unter marktwirtschaftlichem, wirklichem Wettbewerb verstehen, mal abgesehen von der Gesundheit, denn dass die Norweger irgendwie ungesünder leben, kann man ja nicht sagen.

    Wolf: Den Wettbewerb, den gibt es ja erheblich, hatten wir eben schon gesagt.

    Durak: Ja, aber das wäre nur ein zusätzlicher. Das wäre nur ein zusätzlicher Wettbewerb.

    Wolf: Ihr Wettbewerb muss ja, Wettbewerb l´art pour l´art, nur um des Wettbewerbswillen, das müssen Sie mir mal erklären wo da der Vorteil ist. Das habe ich noch nicht begriffen.

    Durak: Es ist zulässig würde ich mal sagen. Es ist nur zulässig.

    Wolf: Nein, wir sind in einem hoch regulierten Gesundheitssystem und Wettbewerb soll ja nützen. Wenn wir uns aber mit Ländern vergleichen, wo genau dieser Wettbewerb ist, der gewünscht ist, zum Beispiel in den USA, da hat das zum Vorteil, wie Sie meinen, dass die Arzneipreise doppelt so hoch sind wie hier bei uns.

    Durak: Sie könnten ja runter gehen.

    Wolf: Das ist ein Ergebnis des Wettbewerbs. Wir haben jetzt staatlich regulierte Preise und ein staatliches Honorar für den Apotheker. Das ist nicht hoch angesetzt. Wettbewerb heißt auch, dass Preise nach oben gehen können und genau das passiert in Norwegen und genau das ist seit langem schon in den USA und England ist auch ein Land, wo Fremdbesitz und Konzerne das Sagen haben. Da sind auch die Arzneipreise höher als in Deutschland, obwohl immer wieder gerne das Gegenteil behauptet wird.

    Durak: Möglicherweise fällt ja die Arzneimittelpreisbindung ohnehin durch die Gesundheitsreform. Das heißt, das ist Ihre Befürchtung, also nicht die Befürchtung, dass dort Unkundige sich sozusagen an der Gesundheit der Leute vergehen?

    Wolf: Eine Interessenslage ändert sich. Sehen Sie, wenn eine Aktiengesellschaft eine Apothekenkette hat, dann gucken die ausschließlich danach, wie die Aktien stehen. Wenn ein Patient in eine Apotheke geht, bei der der Apotheker selbst Eigentümer ist, eigenverantwortlich ist, dann läuft da etwas völlig anderes ab - ich habe selbst auch eine Apotheke -, dann wird nämlich dem Patienten, wenn er irgendwo etwas gelesen hat, es gibt ein neues Wundermittel, gesagt, du das kauf dir mal lieber nicht, weil das nicht gut für dich ist. Und jetzt gucken Sie sich mal an, wenn in einer konzerngebunden Apotheke ein angestellter Apotheker einen Patienten rausschickt und sagt, ich habe dem vom Kauf eines Medikamentes abgeraten. Was glauben Sie, wie schnell der eine Abmahnung auf dem Tisch hat? Das kann doch nicht im Sinne der Patienten und der Verbraucher sein.