Jürgen Liminski: Drei Jahre hat der Kanadier Declan Hill über Manipulationen im Profi-Fußball auf Weltebene recherchiert und nun die Ergebnisse in Buchform vorgelegt. Gestern Abend wurde er im Fernsehen dazu befragt und er erklärte, wie er über Manipulationen selbst bei Weltmeisterschaftsspielen erfuhr.
Declan Hill: Insgesamt waren es vier Spiele, wo man mir gesagt hat, dass die Ergebnisse bereits gefixt wurden, bevor das Spiel überhaupt ausging, bevor das Spiel überhaupt begonnen hat. Eine Woche vorher, zwei Tage vorher, je nachdem. Einmal habe ich während der Halbzeitpause zum Beispiel bei England gegen Ecuador mit jemand gesprochen und da habe ich gesagt, die drei Spiele, England-Ecuador, Italien-Ukraine und Italien-Ghana. Mehr weiß ich nicht, aber die drei. - Also: Das ist die Information, die ich habe. Ich weiß nichts über die anderen Mannschaften, aber diese drei. Und das mit Ghana? Da steckt, glaube ich, mehr dahinter. Bei Ghana-Brasilien geht's, glaube ich, noch weiter.
Liminski: Declan Hill gestern Abend über seine Recherchen zu den sicheren Siegen schon vor dem Anpfiff und mitrecherchiert hat der "Spiegel"-Autor Christoph Biermann, insbesondere was die Bundesliga-Spiele angeht. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Biermann.
Christoph Biermann: Guten Morgen!
Liminski: Herr Biermann, eben hatten wir im Sport gehört, dass der FC Freiburg gegen den SC Karlsruhe gewonnen hat. Was denken Sie, wenn Sie solche Nachrichten hören? Sind Sie skeptisch geworden bei Fußball-Ergebnissen?
Biermann: Nein, nein. Ich glaube, so sehr muss man noch nicht in Aufregung sein, dass man jetzt hinter jedem Fußballspiel vermutet, dass da etwas verschoben sein könnte. Denn wir haben von zwei Spielen berichtet, die verschoben sein könnten, wo es Auffälligkeiten gibt, aber das sind jetzt auch erst mal Einzelfälle und da muss man natürlich jetzt ganz genau gucken, wie sich die Situation darstellt. Ich denke, wir müssen da jetzt nicht in Alarmismus verfallen und denken, jedes Fußballspiel ist ein verschobenes Fußballspiel.
Liminski: Also die Fans sollen sich die Freude am Sport nicht verderben lassen. Aber es wird ja doch immer wieder mal manipuliert. Wie geschieht das denn? Wie muss man sich das vorstellen?
Biermann: Was wir hier haben ist das Problem, dass es einen sehr großen, in den letzten Jahren auch gigantisch gewachsenen globalen Weltwettmarkt gibt, dessen größter Teil in Asien ist, der dort illegal ist, weil in vielen Ländern dort das Wetten nicht erlaubt ist. Im Dunstkreis dessen haben sich dann auch ein paar Kriminelle angesiedelt, die versuchen, über manipulierte Fußballspiele Wettgewinne einzustreichen, wobei man sagen muss, illegaler Wettmarkt bedeutet nicht gleichzeitig, dass jeder illegale Buchmacher in China oder so etwas auch jemand ist, der ein Spiel verschieben kann. Auch der mag diejenigen, die manipulieren, nicht. Aber wie gesagt, wir haben da eine Situation, die natürlich ein bisschen dazu führt, dass es eher Manipulation geben kann. Man muss sich das ein bisschen vorstellen wie die Alkohol-Prohibition in den 20er Jahren in den USA, wo natürlich auch die Menschen weiter Alkohol getrunken haben. Es gab "Speak-Easy's". Aber das ist sozusagen eine komplett illegale und damit auch kriminelle Situation, in der dann möglicherweise - nicht möglicherweise, sondern wir sehen das - die Manipulation eher wachsen kann als bei uns etwa.
Liminski: Gibt es denn keine Alarmsysteme beim DFB oder bei der Fifa, oder warum funktionieren diese Manipulationen?
Biermann: Doch, doch. Diese Alarmsysteme gibt es. Sie sind in den letzten Jahren eingerichtet worden. Die greifen nur nicht richtig, weil sie vor allen Dingen natürlich auf den europäischen Markt gucken. Die Asiaten wetten in Europa, weil sie hier davon ausgehen, dass die Fußballspiele sauber sind, auf die Spiele in Europa. Sie tun das aber in Asien und die Kriminellen, die möglicherweise Spiele verschieben, wetten nicht mehr in Europa, sondern in Asien, teilweise mit illegalen Buchmachern, und das ist von diesen Warnsystemen nicht zu erfassen. Deshalb helfen die dort nicht richtig. Als Gegenbeispiel nenne ich mal den Fall Hoyzer. Wir erinnern uns daran noch: Der deutsche Schiedsrichter, der sich von kroatischen Wettern, Zockern hat kaufen lassen. Die haben noch in Deutschland gesetzt und sind ja auch deshalb aufgefallen. Hätten sie was weiß ich in Vietnam oder in Malaysia oder sonst wo in Asien gesetzt bei illegalen Buchmachern, wäre einem das möglicherweise lange Zeit gar nicht aufgefallen. In dieser Struktur liegt auch das Problem.
Liminski: Um wie viel Geld geht es denn bei diesen Betrügereien? Wie sind da die Größenordnungen?
Biermann: Sie müssen sich vorstellen, dass die Spiele, die wir konkret recherchiert haben, ein Bundesliga-Spiel von Hannover 96 gegen den Ersten FC Kaiserslautern war. Da hat ein malaysischer Staatsbürger, der in Deutschland lebt, 2,8 Millionen Euro gesetzt und hat 2,2, 2,3 Millionen Euro gewonnen. Das heißt, bei solchen Gewinnspannen ist es natürlich sehr gut möglich, Spieler zu schmieren, von diesem Wettgewinn quasi als Betriebskosten Spieler zu kaufen.
Liminski: Wie wird denn das Geld aufgeteilt? Gibt es so etwas wie Tarife bei einer Aufteilung, also 10 Prozent für die Spieler, 50 für die Strippenzieher?
Biermann: Ich glaube, dass man sich das nicht so industrialisiert vorstellen muss, dass es dort quasi Tarifsätze gibt. Man muss auch schauen. Die Frage ist: Wie viele Spieler müssen an so einer Manipulation eigentlich beteiligt sein? Sind es jetzt drei oder vier oder fünf? Sicherlich muss man gar nicht eine ganze Mannschaft kaufen. Was die Situation ja auch jetzt noch komplizierter macht: Da laufen sich die einen die Lunge aus dem Leib und die anderen versuchen, möglichst vorsichtig vielleicht einfach ihre Fehlleistungen einzubauen. Das ist eine sehr, sehr kompliziert und schwierig auch zu entdeckende Geschichte. Deshalb tun sich natürlich auch alle sehr, sehr schwer damit.
Liminski: Kann man es denn entdecken?
Biermann: Ich denke schon. Man muss natürlich Vorsichtsmaßnahmen treffen. Ich denke sicherlich, dass die Fußball-Verbände sich jetzt noch mal ihre Sicherungssysteme ganz genau anschauen müssen und sie global erweitern müssen. Es wird sicherlich viel so etwas wie Erziehung auch stattfinden müssen, dass man den Spielern auch noch mal sagt, wenn sich Leute auf diese oder jene Art und Weise euch nähern, müsst ihr vorsichtig sein. Es werden sicherlich so genannte Whistleblowing-Systeme etabliert werden müssen, dass es Stellen gibt, an denen jemand, dem etwas auffällt, Warnungen hinterlassen kann oder an die er sich wenden kann, und so weiter. Da gibt es eine Fülle von Möglichkeiten, mit denen sich jetzt alle erst mal auseinandersetzen müssen. Das ist auch, wie gesagt, für die Fußball-Verbände nicht einfach, denn sie haben es natürlich da schon mit teilweise auch komplexen und sich global vernetzenden kriminellen Strukturen zu tun. Das ist jetzt nicht einfach nur so eine Situation, da schiebt mal irgendwo einer dran. Man kann davon ausgehen, dass es da in dieser Frage inzwischen auch eine langjährige Expertise bei vielen Leuten gibt, die sich dieses Problems mit großer Erfahrung nähern.
Liminski: Globale Manipulation beim Profi-Fußball. Das war der "Spiegel"-Autor Christoph Biermann. Besten Dank für das Gespräch, Herr Biermann.
Declan Hill: Insgesamt waren es vier Spiele, wo man mir gesagt hat, dass die Ergebnisse bereits gefixt wurden, bevor das Spiel überhaupt ausging, bevor das Spiel überhaupt begonnen hat. Eine Woche vorher, zwei Tage vorher, je nachdem. Einmal habe ich während der Halbzeitpause zum Beispiel bei England gegen Ecuador mit jemand gesprochen und da habe ich gesagt, die drei Spiele, England-Ecuador, Italien-Ukraine und Italien-Ghana. Mehr weiß ich nicht, aber die drei. - Also: Das ist die Information, die ich habe. Ich weiß nichts über die anderen Mannschaften, aber diese drei. Und das mit Ghana? Da steckt, glaube ich, mehr dahinter. Bei Ghana-Brasilien geht's, glaube ich, noch weiter.
Liminski: Declan Hill gestern Abend über seine Recherchen zu den sicheren Siegen schon vor dem Anpfiff und mitrecherchiert hat der "Spiegel"-Autor Christoph Biermann, insbesondere was die Bundesliga-Spiele angeht. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Biermann.
Christoph Biermann: Guten Morgen!
Liminski: Herr Biermann, eben hatten wir im Sport gehört, dass der FC Freiburg gegen den SC Karlsruhe gewonnen hat. Was denken Sie, wenn Sie solche Nachrichten hören? Sind Sie skeptisch geworden bei Fußball-Ergebnissen?
Biermann: Nein, nein. Ich glaube, so sehr muss man noch nicht in Aufregung sein, dass man jetzt hinter jedem Fußballspiel vermutet, dass da etwas verschoben sein könnte. Denn wir haben von zwei Spielen berichtet, die verschoben sein könnten, wo es Auffälligkeiten gibt, aber das sind jetzt auch erst mal Einzelfälle und da muss man natürlich jetzt ganz genau gucken, wie sich die Situation darstellt. Ich denke, wir müssen da jetzt nicht in Alarmismus verfallen und denken, jedes Fußballspiel ist ein verschobenes Fußballspiel.
Liminski: Also die Fans sollen sich die Freude am Sport nicht verderben lassen. Aber es wird ja doch immer wieder mal manipuliert. Wie geschieht das denn? Wie muss man sich das vorstellen?
Biermann: Was wir hier haben ist das Problem, dass es einen sehr großen, in den letzten Jahren auch gigantisch gewachsenen globalen Weltwettmarkt gibt, dessen größter Teil in Asien ist, der dort illegal ist, weil in vielen Ländern dort das Wetten nicht erlaubt ist. Im Dunstkreis dessen haben sich dann auch ein paar Kriminelle angesiedelt, die versuchen, über manipulierte Fußballspiele Wettgewinne einzustreichen, wobei man sagen muss, illegaler Wettmarkt bedeutet nicht gleichzeitig, dass jeder illegale Buchmacher in China oder so etwas auch jemand ist, der ein Spiel verschieben kann. Auch der mag diejenigen, die manipulieren, nicht. Aber wie gesagt, wir haben da eine Situation, die natürlich ein bisschen dazu führt, dass es eher Manipulation geben kann. Man muss sich das ein bisschen vorstellen wie die Alkohol-Prohibition in den 20er Jahren in den USA, wo natürlich auch die Menschen weiter Alkohol getrunken haben. Es gab "Speak-Easy's". Aber das ist sozusagen eine komplett illegale und damit auch kriminelle Situation, in der dann möglicherweise - nicht möglicherweise, sondern wir sehen das - die Manipulation eher wachsen kann als bei uns etwa.
Liminski: Gibt es denn keine Alarmsysteme beim DFB oder bei der Fifa, oder warum funktionieren diese Manipulationen?
Biermann: Doch, doch. Diese Alarmsysteme gibt es. Sie sind in den letzten Jahren eingerichtet worden. Die greifen nur nicht richtig, weil sie vor allen Dingen natürlich auf den europäischen Markt gucken. Die Asiaten wetten in Europa, weil sie hier davon ausgehen, dass die Fußballspiele sauber sind, auf die Spiele in Europa. Sie tun das aber in Asien und die Kriminellen, die möglicherweise Spiele verschieben, wetten nicht mehr in Europa, sondern in Asien, teilweise mit illegalen Buchmachern, und das ist von diesen Warnsystemen nicht zu erfassen. Deshalb helfen die dort nicht richtig. Als Gegenbeispiel nenne ich mal den Fall Hoyzer. Wir erinnern uns daran noch: Der deutsche Schiedsrichter, der sich von kroatischen Wettern, Zockern hat kaufen lassen. Die haben noch in Deutschland gesetzt und sind ja auch deshalb aufgefallen. Hätten sie was weiß ich in Vietnam oder in Malaysia oder sonst wo in Asien gesetzt bei illegalen Buchmachern, wäre einem das möglicherweise lange Zeit gar nicht aufgefallen. In dieser Struktur liegt auch das Problem.
Liminski: Um wie viel Geld geht es denn bei diesen Betrügereien? Wie sind da die Größenordnungen?
Biermann: Sie müssen sich vorstellen, dass die Spiele, die wir konkret recherchiert haben, ein Bundesliga-Spiel von Hannover 96 gegen den Ersten FC Kaiserslautern war. Da hat ein malaysischer Staatsbürger, der in Deutschland lebt, 2,8 Millionen Euro gesetzt und hat 2,2, 2,3 Millionen Euro gewonnen. Das heißt, bei solchen Gewinnspannen ist es natürlich sehr gut möglich, Spieler zu schmieren, von diesem Wettgewinn quasi als Betriebskosten Spieler zu kaufen.
Liminski: Wie wird denn das Geld aufgeteilt? Gibt es so etwas wie Tarife bei einer Aufteilung, also 10 Prozent für die Spieler, 50 für die Strippenzieher?
Biermann: Ich glaube, dass man sich das nicht so industrialisiert vorstellen muss, dass es dort quasi Tarifsätze gibt. Man muss auch schauen. Die Frage ist: Wie viele Spieler müssen an so einer Manipulation eigentlich beteiligt sein? Sind es jetzt drei oder vier oder fünf? Sicherlich muss man gar nicht eine ganze Mannschaft kaufen. Was die Situation ja auch jetzt noch komplizierter macht: Da laufen sich die einen die Lunge aus dem Leib und die anderen versuchen, möglichst vorsichtig vielleicht einfach ihre Fehlleistungen einzubauen. Das ist eine sehr, sehr kompliziert und schwierig auch zu entdeckende Geschichte. Deshalb tun sich natürlich auch alle sehr, sehr schwer damit.
Liminski: Kann man es denn entdecken?
Biermann: Ich denke schon. Man muss natürlich Vorsichtsmaßnahmen treffen. Ich denke sicherlich, dass die Fußball-Verbände sich jetzt noch mal ihre Sicherungssysteme ganz genau anschauen müssen und sie global erweitern müssen. Es wird sicherlich viel so etwas wie Erziehung auch stattfinden müssen, dass man den Spielern auch noch mal sagt, wenn sich Leute auf diese oder jene Art und Weise euch nähern, müsst ihr vorsichtig sein. Es werden sicherlich so genannte Whistleblowing-Systeme etabliert werden müssen, dass es Stellen gibt, an denen jemand, dem etwas auffällt, Warnungen hinterlassen kann oder an die er sich wenden kann, und so weiter. Da gibt es eine Fülle von Möglichkeiten, mit denen sich jetzt alle erst mal auseinandersetzen müssen. Das ist auch, wie gesagt, für die Fußball-Verbände nicht einfach, denn sie haben es natürlich da schon mit teilweise auch komplexen und sich global vernetzenden kriminellen Strukturen zu tun. Das ist jetzt nicht einfach nur so eine Situation, da schiebt mal irgendwo einer dran. Man kann davon ausgehen, dass es da in dieser Frage inzwischen auch eine langjährige Expertise bei vielen Leuten gibt, die sich dieses Problems mit großer Erfahrung nähern.
Liminski: Globale Manipulation beim Profi-Fußball. Das war der "Spiegel"-Autor Christoph Biermann. Besten Dank für das Gespräch, Herr Biermann.