Führer: Guten Morgen.
Durak: Herrscht jetzt Katzenjammer in Leipzig?
Führer: Die Enttäuschung ist schon groß, das kann man nicht verhehlen. Aber nicht Leipzig ist gescheitert, sondern die Idee ist gescheitert, die Olympischen Spiele einmal anders und ganz neu zu gestalten, nämlich als Spiele des Herzens, getragen von einer großen Woge der Begeisterung. Nun werden die Spiele so sein wie immer. Gigantisch. Im Westen nichts Neues.
Durak: Oh, das sind aber sehr kritische Worte, Herr Führer. Sie wollten sicherlich - Sie, die Leipziger, die Sachsen und vielleicht auch die Anderen, die mitgeholfen haben - auch mal wieder etwas aus dem Osten für ganz Deutschland bringen. Nicht zu vergessen, Rostock als Wassersportplatz. Ist das nun alles gescheitert?
Führer: Nein, die Entscheidung, zunächst einmal eine politische Entscheidung, war in Deutschland vom NOK, Leipzig auszuwählen. Diese Entscheidung hat nach wie vor großes Gewicht und ist auch hier entsprechend gewürdigt worden. Die Folgen - alle denken an die wirtschaftlichen Folgen - die sind also durchaus unterschiedlich zu bewerten. Es hätte auch sein können, dass Leipzig durch den Olympiazuschlag ein Stück isoliert worden wäre im Osten. Alles fließt dorthin, wie wir es aus DDR-Zeiten kennen - da war es damals Ostberlin. Das hat erheblichen Hass verursacht. Vielleicht sind wir dem entgangen, aber das ist jetzt zunächst einmal nur ein schwacher Trost. Aber die Entscheidung, Deutschland für Leipzig, die hat nach wie vor großes Gewicht.
Durak: Vielleicht war es ja auch eine falsche Entscheidung, weil man hörte aus dem IOC, Leipzig ist einfach zu klein. Man nimmt Millionenstädte.
Führer: Ja, ich weiß nicht, ob das die Kriterien sein können, denn das war ja nun eine Computerentscheidung, wenn man das so hört. Aber ich denke, das kann nicht das Einzige sein, sondern diese Infrastruktur, die wäre geschafft worden zu erreichen. Wir haben ja noch einige Jahre von 2004 bis 2012. Das wäre durchaus in einem Land wie Deutschland gelungen, was man vielleicht in einem Land wie Russland nicht so sagen könnte, dass da die Dinge so berechenbar und vorhersehbar sind, aber ich finde, man sollte wieder andere Kriterien gewinnen. Besonders diese Kriterien, die am Anfang standen, als die Olympischen Spiele 676 vor Christus ins Leben gerufen wurden, da war ja vor allem der Friedensgedanke da. Es durfte niemand an den Spielen teilnehmen, kein Staat, kein Stamm, der sich im Krieg befindet. Insofern finde ich es schon einen großen Rückschritt, dass die drei kriegsführenden Länder, USA, Großbritannien und Russland drin geblieben sind. Die hätten meiner Meinung nach, dieser olympischen Idee des Anfangs einfach herausfallen müssen.
Durak: Herr Führer, wollen wir von der Politik und der Wirtschaft noch einmal auf die Herzen und die Köpfe kommen - das heißt, ich möchte es gern. In den Wochen und Monaten zuvor, welche Wirkung hatte denn die Olympiabewerbung und das große Engagement - das Sie ja auch mit einer Montagsdemonstration sehr beflügelt haben - auf die Menschen in Leipzig, in Sachsen, auf die Community?
Führer: Ja, das war schon - wie Sie sagen - ein beflügelnder Gedanke, etwas Großes zu tun. Besonders auch, weil ja nun in Deutschland zwei Olympiaden von unterschiedlicher Schwierigkeit waren: 1936 durch die Nazis belastete Olympische Spiele und 1972 überschattet durch die Ermordung israelischer Sportler. Jetzt hätten sie - einfach zu sagen, jetzt, wo die Einheit Deutschland nicht durch Krieg und Sieg, wie es bisher immer zustande gekommen ist und Demütigung anderer Völker, sondern durch diese friedliche Revolution "Olympische Spiele" in diesem geeinten Deutschland - eine ganz andere Funktion. Das spielte natürlich auch bei den Leipzigern und den Sachsen eine Rolle. Vielleicht hat das auch manche in Deutschland beflügelt, einmal zu zeigen, dass Deutschland in der Lage ist, in Frieden und friedliche Spiele zu gestalten, auf ganz andere Weise. Die Herzen schlugen schon sehr für diese Idee, und die Begeisterung war groß.
Durak: Nun ist es ja nicht ausgeschlossen, Herr Führer, der Bundesinnenminister hat es gestern nach der Entscheidung gesagt, dass Leipzig sich nun gemausert hat zum Standort für andere große Sportveranstaltungen. Insofern ist doch nicht alles verloren, oder?
Führer: Verloren ist eh nicht alles. Wenn Sie von Ereignissen sprechen, steht als Nächstes ja auch die Fußball-WM 2006 ins Haus und die Sachsen lassen sich - die Leipziger insbesondere - keineswegs unterkriegen. Wir feiern 2012 in jedem Fall, denn 1212, das ist dann 800 Jahre her, sind die Nikolaikirche und die Thomaskirche erstmals urkundlich erwähnt und ist der Thomanerchor gegründet worden. Wir feiern 2012 in jedem Fall.
Durak: Na wunderbar. Ich denke, der Deutschlandfunk wird auch dabei sein. Herr Führer, Minister Stolpe hat wiederum versprochen, dass die wichtigsten Verkehrsprojekte dennoch umgesetzt werden. Glauben Sie daran?
Führer: Ich glaube an Jesus und nicht an Verkehrsprojekte, aber Vorsicht ist geboten nach den gewaltigen Erfahrungen mit der LKW-Maut. Aber ich denke schon, dass die Projekte, die jetzt im Blick auf Olympia angeschoben worden sind, keine olympischen Projekte sind; die sind einfach notwendig. Wenn das Geld dafür vorhanden ist und der Einsatz, dann wäre es schon schön, wenn diese Dinge verwirklicht werden könnten. Da muss man einfach abwarten, wie es geht. Zu wünschen wäre es.
Durak: Christian Führer, Pfarrer der Nikolaikirche in Leipzig. Nicht nur ein Mann mit Gottvertrauen, sondern auch in den Mut seiner Leipziger und seiner Sachsen. Vielen Dank, Herr Führer für das Gespräch.
Durak: Herrscht jetzt Katzenjammer in Leipzig?
Führer: Die Enttäuschung ist schon groß, das kann man nicht verhehlen. Aber nicht Leipzig ist gescheitert, sondern die Idee ist gescheitert, die Olympischen Spiele einmal anders und ganz neu zu gestalten, nämlich als Spiele des Herzens, getragen von einer großen Woge der Begeisterung. Nun werden die Spiele so sein wie immer. Gigantisch. Im Westen nichts Neues.
Durak: Oh, das sind aber sehr kritische Worte, Herr Führer. Sie wollten sicherlich - Sie, die Leipziger, die Sachsen und vielleicht auch die Anderen, die mitgeholfen haben - auch mal wieder etwas aus dem Osten für ganz Deutschland bringen. Nicht zu vergessen, Rostock als Wassersportplatz. Ist das nun alles gescheitert?
Führer: Nein, die Entscheidung, zunächst einmal eine politische Entscheidung, war in Deutschland vom NOK, Leipzig auszuwählen. Diese Entscheidung hat nach wie vor großes Gewicht und ist auch hier entsprechend gewürdigt worden. Die Folgen - alle denken an die wirtschaftlichen Folgen - die sind also durchaus unterschiedlich zu bewerten. Es hätte auch sein können, dass Leipzig durch den Olympiazuschlag ein Stück isoliert worden wäre im Osten. Alles fließt dorthin, wie wir es aus DDR-Zeiten kennen - da war es damals Ostberlin. Das hat erheblichen Hass verursacht. Vielleicht sind wir dem entgangen, aber das ist jetzt zunächst einmal nur ein schwacher Trost. Aber die Entscheidung, Deutschland für Leipzig, die hat nach wie vor großes Gewicht.
Durak: Vielleicht war es ja auch eine falsche Entscheidung, weil man hörte aus dem IOC, Leipzig ist einfach zu klein. Man nimmt Millionenstädte.
Führer: Ja, ich weiß nicht, ob das die Kriterien sein können, denn das war ja nun eine Computerentscheidung, wenn man das so hört. Aber ich denke, das kann nicht das Einzige sein, sondern diese Infrastruktur, die wäre geschafft worden zu erreichen. Wir haben ja noch einige Jahre von 2004 bis 2012. Das wäre durchaus in einem Land wie Deutschland gelungen, was man vielleicht in einem Land wie Russland nicht so sagen könnte, dass da die Dinge so berechenbar und vorhersehbar sind, aber ich finde, man sollte wieder andere Kriterien gewinnen. Besonders diese Kriterien, die am Anfang standen, als die Olympischen Spiele 676 vor Christus ins Leben gerufen wurden, da war ja vor allem der Friedensgedanke da. Es durfte niemand an den Spielen teilnehmen, kein Staat, kein Stamm, der sich im Krieg befindet. Insofern finde ich es schon einen großen Rückschritt, dass die drei kriegsführenden Länder, USA, Großbritannien und Russland drin geblieben sind. Die hätten meiner Meinung nach, dieser olympischen Idee des Anfangs einfach herausfallen müssen.
Durak: Herr Führer, wollen wir von der Politik und der Wirtschaft noch einmal auf die Herzen und die Köpfe kommen - das heißt, ich möchte es gern. In den Wochen und Monaten zuvor, welche Wirkung hatte denn die Olympiabewerbung und das große Engagement - das Sie ja auch mit einer Montagsdemonstration sehr beflügelt haben - auf die Menschen in Leipzig, in Sachsen, auf die Community?
Führer: Ja, das war schon - wie Sie sagen - ein beflügelnder Gedanke, etwas Großes zu tun. Besonders auch, weil ja nun in Deutschland zwei Olympiaden von unterschiedlicher Schwierigkeit waren: 1936 durch die Nazis belastete Olympische Spiele und 1972 überschattet durch die Ermordung israelischer Sportler. Jetzt hätten sie - einfach zu sagen, jetzt, wo die Einheit Deutschland nicht durch Krieg und Sieg, wie es bisher immer zustande gekommen ist und Demütigung anderer Völker, sondern durch diese friedliche Revolution "Olympische Spiele" in diesem geeinten Deutschland - eine ganz andere Funktion. Das spielte natürlich auch bei den Leipzigern und den Sachsen eine Rolle. Vielleicht hat das auch manche in Deutschland beflügelt, einmal zu zeigen, dass Deutschland in der Lage ist, in Frieden und friedliche Spiele zu gestalten, auf ganz andere Weise. Die Herzen schlugen schon sehr für diese Idee, und die Begeisterung war groß.
Durak: Nun ist es ja nicht ausgeschlossen, Herr Führer, der Bundesinnenminister hat es gestern nach der Entscheidung gesagt, dass Leipzig sich nun gemausert hat zum Standort für andere große Sportveranstaltungen. Insofern ist doch nicht alles verloren, oder?
Führer: Verloren ist eh nicht alles. Wenn Sie von Ereignissen sprechen, steht als Nächstes ja auch die Fußball-WM 2006 ins Haus und die Sachsen lassen sich - die Leipziger insbesondere - keineswegs unterkriegen. Wir feiern 2012 in jedem Fall, denn 1212, das ist dann 800 Jahre her, sind die Nikolaikirche und die Thomaskirche erstmals urkundlich erwähnt und ist der Thomanerchor gegründet worden. Wir feiern 2012 in jedem Fall.
Durak: Na wunderbar. Ich denke, der Deutschlandfunk wird auch dabei sein. Herr Führer, Minister Stolpe hat wiederum versprochen, dass die wichtigsten Verkehrsprojekte dennoch umgesetzt werden. Glauben Sie daran?
Führer: Ich glaube an Jesus und nicht an Verkehrsprojekte, aber Vorsicht ist geboten nach den gewaltigen Erfahrungen mit der LKW-Maut. Aber ich denke schon, dass die Projekte, die jetzt im Blick auf Olympia angeschoben worden sind, keine olympischen Projekte sind; die sind einfach notwendig. Wenn das Geld dafür vorhanden ist und der Einsatz, dann wäre es schon schön, wenn diese Dinge verwirklicht werden könnten. Da muss man einfach abwarten, wie es geht. Zu wünschen wäre es.
Durak: Christian Führer, Pfarrer der Nikolaikirche in Leipzig. Nicht nur ein Mann mit Gottvertrauen, sondern auch in den Mut seiner Leipziger und seiner Sachsen. Vielen Dank, Herr Führer für das Gespräch.