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"Nicht nachvollziehbar, was hier passiert"

Thomas Böhle, Präsident der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeber, hat ein Ende des Streiks von Erziehern in Kindertagesstätten und Jugendeinrichtungen gefordert. Die Gewerkschaften hätten das Thema Gesundheitsschutz erst entdeckt. Übergreifende Regelungen könnten nur am Verhandlungstisch betroffen werden, betonte Böhle.

Thomas Böhle im Gespräch mit Gerd Breker | 18.05.2009
    Gerd Breker: Sie haben es in den Nachrichten gehört: auch zum Wochenbeginn haben die Erzieher ihre Streiks an den Kindertagesstätten und Jugendeinrichtungen fortgesetzt. Schwerpunkte sind Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und das Saarland. Die Gewerkschaften fordern bessere Arbeitsbedingungen für die etwa 220.000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst.

    Am Telefon bin ich nun verbunden mit Thomas Böhle, Präsident der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeber. Guten Tag, Herr Böhle.

    Thomas Böhle: Guten Morgen, Herr Breker.

    Breker: Herr Böhle, haben Sie Verständnis für den Streik der Erzieherinnen?

    Böhle: Es ist schwierig, Verständnis für einen Streik zu haben, dem in Wirklichkeit jede nachvollziehbare Legitimation fehlt.

    Breker: Und die Argumente, die leuchten Ihnen auch nicht ein, ein besserer Gesundheitsschutz?

    Böhle: Ein besserer Gesundheitsschutz ist etwas, wogegen sich die Arbeitgeber überhaupt nicht stellen. Wir würden ohne weiteres verhandeln, wir haben auch bereits erklärt, dass wir am 27. Mai gesprächsbereit sind. Nur haben wir auch gesagt, bei der Wichtigkeit dieses Themas ist es notwendig, dass sich die obersten Gremien der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeber damit befassen, und das tun wir am Tag vorher. Das ist bereits seit Wochen bekannt und insofern ist das nicht nachvollziehbar, was hier passiert.

    Breker: Kann denn ein besserer Gesundheitsschutz so lange warten?

    Böhle: Wissen Sie, die Gewerkschaften haben viele Jahre gebraucht, um das Thema zu entdecken, und sie haben es zu dem Zeitpunkt entdeckt, zu dem sie festgestellt haben, dass sie in der Frage der Bezahlung und der Eingruppierung in der Friedenspflicht sind. Diese Friedenspflicht gilt noch bis Ende des Jahres und diese Zeit sollten wir nutzen, um zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen bei der Eingruppierung, beim Entgelt. Diese Verhandlungen sind auf einem guten Weg.

    Wir sind auch bereit, über Gesundheitsschutz zu sprechen. Sie müssen bedenken, dass die Gewerkschaften das Thema erst Ende März in Form eines Tarifvertragsentwurfs auf den Tisch gelegt haben und dann ultimativ gesagt haben, wenn ihr Arbeitgeber bis Ende April nicht bereit seid zu unterschreiben, dann geht nichts. Wir sagen, wir müssen uns ordentlich aufstellen, wir müssen in unseren Gremien Beschluss fassen, wir müssen eine Verhandlungskommission bilden. Das werden wir alles tun am 26. Mai und am 27. haben wir bereits einen Termin.

    Breker: Aber ist es nicht ein Skandal, wenn ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern Arbeitsbedingungen zumutet, die eigentlich nicht zumutbar sind?

    Böhle: Wer sagt das, dass das nicht zumutbar ist?

    Breker: Das sagen zum Beispiel die Streikenden.

    Böhle: Ich habe ein bisschen Schwierigkeiten zu verstehen, dass man im Erzieherberuf davon ausgeht, dass es keine Lärmbelastungen gibt, dass man es von heute auf morgen für skandalös hält, dass natürlich gehoben werden muss. Was wichtig ist, dass wir die Belastungen lindern, und ich sage, dies geschieht in vielerlei Hinsicht bereits jetzt. In München beispielsweise bauen wir seit Jahren die Einrichtungen nach. Das heißt, wir sorgen für Lärmschutz, wir sorgen auch dafür, dass der Bewegungsapparat gestärkt wird, indem wir Rückenschulen, indem wir Bewegungsprogramme anbieten. Und wir haben zum Beispiel auch standardmäßig höhenverstellbares Mobiliar. Also alles, was hier gefordert wird, wo hier so getan wird, dass es das nicht gäbe, gibt es vielerorts. Ich meine, man kann sich sehr wohl darauf verständigen, auch übergreifende Regelungen zu treffen, aber dann lassen wir uns das am Verhandlungstisch tun und nicht auf der Straße.

    Breker: Sie sagen "gibt es vielerorts". Ich kann hier den Kollegen von ver.di zitieren. Stefan Sass hat im "Münchner Merkur" gesagt, die Gewerkschaft Verdi fordert überall die gleichen Bedingungen wie in München, wo wir Sie ja gerade erreichen und wovon Sie ja gerade gesprochen haben. Das was für die Erzieherin in München gilt, das kann doch für jeden Erzieher in der ganzen Republik gelten?

    Böhle: Ich gehe davon aus, dass man in München einen relativ hohen Standard hat. Das betrifft ja jetzt nicht nur den Gesundheitsschutz im direkten Sinne, sondern auch das gesamte Thema Fortbildung. Wir halten uns ein eigenes pädagogisches Institut, in dem wir zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen anbieten, und das können sie nicht in der Fläche von heute auf morgen erwarten. Deswegen muss man die Verhältnisse vor Ort genau betrachten, und da stellt sich die Frage, ob man gut beraten ist, allgemeine, für alle geltende Regelungen ohne Differenzierung der Verhältnisse vor Ort zu treffen. Ich halte es für klug, sich das jeweils genau anzusehen, zu Dienstvereinbarungen zu kommen, zu Betriebsvereinbarungen zu kommen, wo man ganz konkret sich die Situation betrachtet und dann das Nötige tut.

    Breker: Herr Böhle, wie kann dieser Streik zu Ende gebracht werden?

    Böhle: Indem die Gewerkschaften damit aufhören und ihre Kräfte darauf konzentrieren, gemeinsam mit uns Ende Mai zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen.

    Breker: Sie bewegen sich nicht, die Arbeitgeber bewegen sich nicht?

    Böhle: Wie wollen sie sich bewegen, wenn man überhaupt noch nicht ins Gespräch miteinander gekommen ist?

    Breker: Machen Sie einen früheren Termin.

    Böhle: Dazu müssten wir unser Präsidium, unsere Mitgliederversammlung entsprechend einladen. Das geht nicht, wir haben Fristen, die haben wir gewahrt, und das kommt ja nicht überraschend. Wir haben vor Wochen bereits gesagt, wann der Termin ist, zu dem wir gesprächsbereit sind. Wie gesagt, es ist schwer nachvollziehbar, dass bei einem Thema, welches man über Jahre nicht entdeckt, welches man dann im März entdeckt, man dann sagt, jetzt muss das von heute auf morgen geschehen, und man räumt der Gegenseite nicht ein, die Gremien zu befassen. Es ist gute Tradition, dass man das tut. Wir zum Beispiel berücksichtigen immer, wenn ver.di ihr Gremium, die Bundestarifkommission einberuft, und es ist schon ein sehr merkwürdiger Stil, dass das umgekehrt nicht gelten soll.

    Breker: Aber man muss doch zusammenkommen und wer reicht da die erste Hand? Wer sich zuerst bewegt hat verloren?

    Böhle: Wir haben einen Termin! Wir haben am 27. Mai einen Termin. Da setzen wir uns an einen Tisch und da bin ich zuversichtlich, dass wir zu guten Ergebnissen kommen werden.

    Breker: Herr Böhle, wenn wir mal insgesamt auf diesen Streik jetzt blicken, konterkariert das nicht die Bemühungen der Familienministerin um eine Ganztagsbetreuung? Ist das überhaupt wirklich umfassend leistbar, ist das überhaupt bezahlbar?

    Böhle: Ich denke, wenn man flächendeckend eine Ganztagsbetreuung möchte, wenn man die Schlüssel herunterbekommen möchte, wenn man auf der anderen Seite die Einkommen erhöht, dann ist es klar, dass das zu einer erheblichen Kostenexplosion führt. Wenn man allerdings der Meinung ist, dass die frühkindliche Bildung und Erziehung einen solchen Stellenwert hat, dann muss man entsprechende Schritte auch gehen, aber dann muss man natürlich auch die Träger vor Ort - und das sind die Kommunen, die gemeinnützigen, die freien Einrichtungen - finanziell unterstützen.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das Thomas Böhle, er ist Präsident der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeber. Herr Böhle, danke für dieses Gespräch.

    Böhle: Gerne, Herr Breker.