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"Nicht nur Unternehmenssteuersätze senken"

Lange: Wenn es nach der Koalition in Berlin geht, dann könnte diese Wahlperiode bis zum Herbst 2006 sanft ausklingen. Hartz IV umsetzen, ein bisschen nachjustieren aber keine weiteren Zumutungen an den Wähler. Wenn es nicht Wolfgang Clement gäbe. Der Minister für Wirtschaft und Arbeit hat ein neues Reformprojekt ins Gespräch gebracht, für das sich SPD und Grüne nicht so recht erwärmen können. Die Unternehmenssteuern sollen neu gestaltet werden, einheitlich für Konzerne wie für Personengesellschaften, einfacher und vor allem niedriger. Auf einen Zeitplan wollte sich Clement allerdings nicht festlegen. Am Telefon ist nun Ralf Stegner, SPD. Er ist Finanzminister im Rot-Grün regierten Schleswig-Holstein. Guten Morgen Herr Stegner.

Moderator: Peter Lange |
    Stegner: Guten Morgen Herr Lange.

    Lange: Herr Stegner, ich könnte mir vorstellen, dass Ihr erster Gedanke bei diesem Vorstoß so ungefähr lautete: "Muss das jetzt sein?". Liege ich damit richtig?

    Stegner: Nicht ganz. Im Prinzip ist es ja vernünftig, dass wir die Unternehmenssteuern vereinfachen und Sie wissen, Schleswig-Holstein hat selbst einen Vorschlag für ein einfaches Steuerrecht gemacht. Allerdings, wenn die Debatte darauf hinausläuft, schlicht bei den Unternehmen die Steuersätze zu senken und alles andere so zu lassen, wie es ist, dann in der Tat glaube ich, ging das in die falsch Richtung. Denn wir haben ja eigentlich kein Problem mit der effektiven Steuerbelastung, die Unternehmen bezahlen, sondern mit der Kompliziertheit des Steuersystems, mit der nominalen Belastung und damit, dass die einen Steuern bezahlen und die anderen eben nicht.

    Lange: Das heißt, Clement hat recht, wenn er sagt, die Unternehmen zahlen nominal zu hohe Steuern?

    Stegner: Nein, so würde ich das nicht sagen. Die Steuerlast ist nominal recht hoch. Aber gerade international agierende Konzerne wissen sehr wohl, wie viele Steuern sie tatsächlich zahlen müssen. Also, die Behauptung, das sei alles nicht zu durchschauen, die trifft sicher für große Unternehmen nicht zu. Ich sage nur, man kann die Steuersätze senken, wie in Nachbarländern auch, wenn man die Bemessensgrundlage verbreitert, wenn man Subventionen streicht und ein einfaches Steuerrecht macht, wo dann in der Tat nicht mehr die Rechtsform der Unternehmen eine Rolle spielt, sondern Unternehmen gleich behandelt werden. Das kann man alles machen. Aber bitte, in einer großen Steuerreform, die alle betrifft und nicht einfach als Senkung der Unternehmenssteuern. Denn wenn sie die Subventionen nicht streichen, dann fehlen dem Staat Milliarden, das können wir uns nicht leisten. Und da unterscheidet sich die SPD ja deutlich von CDU und FDP. Wir sind der Meinung, wenn wir weiter Steuersenkungen versprechen, die den Staatshaushalt belasten, dann fehlt uns das Geld für Kinderbetreuung, für Bildung, für alle möglichen anderen Dinge, die notwendig sind, und das kann sich der Staat nun wirklich nicht leisten.

    Lange: Das heißt, Unternehmenssteuerreform ja, aber bitte nicht allein.

    Stegner: So ist es richtig und vor allen Dingen, und das macht mich natürlich auch ein wenig skeptisch, sie müssen ja jemanden finden, der dann ja sagt im Subventionsabbau. Theoretisch sind ja Union und FDP dafür, dass sie sagen, wie immer in ihren Sonntagsreden, wir wollen die Subventionen abbauen. Aber wenn dann im Bundesrat abgestimmt wird, über Eigenheimzulage oder über den Agrardiesel, dann sind die glühenden Verfechter, ob das Herr Stoiber oder Herr Wulff oder Herr Koch oder Teufel sind, dann sind sie immer konkret dagegen. Und das geht natürlich nicht. Wir können nicht den Arbeitnehmern Sozialreformen zumuten, die wirklich schwierig sind, die notwendig sind und gleichzeitig sagen, bei den Unternehmen reden wir nur davon, dass wir Subventionen abbauen, tun es aber nicht. Und die glühenden Verfechter der Marktwirtschaft sind plötzlich gar nicht mehr so marktwirtschaftlich, wenn es um ihre eigene Branche oder ihr eigenes Unternehmen geht.

    Lange: Nun tun Sie allerdings ein bisschen so, als ob das in Ihrer eigenen Partei überhaupt keine Probleme gäbe mit diesem Konzept. Ihr Parteifreund Fritz Schösser, DGB-Chef in Bayern, sprach gestern von einem steuerpolitischen Faschingsscherz. Also die Probleme mit der Vermittlung beginnen ja wohl in der SPD selbst.

    Stegner: Ja das liegt aber daran, dass natürlich eine solche Steuerreform für Unternehmen nur in Frage kommen kann, wenn man insgesamt eine gerechte Steuerreform nach dem Motto macht, dass die, die mehr können, auch mehr müssen. Und dass wir das, was wir momentan haben, dass Unternehmen Rekordgewinne haben und dann gleichzeitig, wie bei der Deutschen Bank ankündigen, dass sie Arbeitsplätze abbauen, das funktioniert natürlich nicht. Der Zusammenhang, dass sie einfach die Steuern senken und dann wird das automatische besser und wir haben mehr Wachstum, das steht ja nur in Lehrbüchern. De facto muss man aber sagen, lässt so mancher Unternehmensvertreter und so mancher Manager nicht gerade den Gedanken aufkommen, dass da verantwortlich umgegangen wird und im Übrigen, demotivierte oder ängstliche Mitarbeiter sind auch nicht die Grundlage für ein erfolgreiches Bankgeschäft. Das, was da momentan bei der Deutschen Bank passiert, ist meines Erachtens ein Skandal. Solche Dinge ruinieren die soziale Marktwirtschaft. Das sind keine Leistungsträger, solche Leute, wie der Manager bei der Deutschen Bank. So kann man das nicht machen. Aber wenn man ein vernünftiges Konzept macht, das gerecht ist, das einfach ist, dann könnte man es sehr wohl auch für die Unternehmen leichter machen, gerade für die kleineren Unternehmen. Schauen Sie, so ein Land wie Schleswig-Holstein zum Beispiel hat ja eine eher kleine, mittelständische Struktur und da wären die Unternehmen schon dankbar, wenn wir ein einfacheres Steuersystem hätten. Die Steuersätze sind das eine aber der eigentliche Punkt ist natürlich, dass wir die Lohnnebenkosten senken, dass wir darüber Arbeit günstiger machen und nicht diejenigen bestrafen, die Arbeitsplätze behalten und diejenigen belohnen, wie bei der Deutschen Bank, die Arbeitsplätze abbauen. So darf ein Steuerrecht nicht sein.

    Lange: Bleiben wir noch einen Moment bei der Regierung und der Opposition. Gestern klang das doch ein bisschen hastig, wenn immer gesagt worden ist: "Alles wichtig und wünschenswert, aber mit der Union ist das ja nicht zu machen". Es klang ein bisschen so, als wären Sie dankbar dafür, dass es nun doch nicht klappt, obwohl sie gesagt haben: "Mit uns reden könnt ihr jederzeit".

    Stegner: Nein, so würde ich das nicht sagen. Wir haben ja mit den Damen und Herren von der Union und FDP Erfahrung im Vermittlungsausschuss. Ich sitze ja im Bundesrat, ich weiß, was sie sagen und was sie tun. Und die Konzepte von Union und FDP, mit Verlaub, die taugen nichts. Sie wollen die Gewerbesteuer abschaffen, dass heißt, man entzieht den Kommunen das Geld und man muss doch kapieren, wenn die Kommunen nicht investieren, dann hat das Handwerk vor Ort auch keine Arbeit.

    Lange: Bleiben wir einen Moment bei der Gewerbesteuer. Bei Ihnen wird ja die Großindustrie schon seit Jahrzehnten entlastet durch diese Steueroase Friedrichskoog. Da entgehen dem Fiskus jährlich dreistellige Millionenbeträge, weil so ein kleines Nest keine Gewerbesteuer erhebt und sich deshalb alle Großunternehmen dort mit dem Firmensitz anmelden. Müssen sie nicht zunächst einmal daran gehen?

    Stegner: Ja, das haben wir getan. Diese Steueroase ist geschlossen und das kleine Schleswig-Holstein hat dafür gesorgt, aus Solidarität mit dem reichen Hessen, dass eben nicht mehr Briefkastenfirmen dort sind, die keine Gewerbesteuer bezahlen. Das war eine der ersten Dinge, als ich ins Amt gekommen bin als Finanzminister, die ich in Gang gesetzt habe, an dem mein Vorgänger schon gearbeitet hat. Diese Steueroase ist in der Tat tot und es gilt eben, dass das, was man sagt, auch tun muss. Man kann immer dann über niedrige Sätze reden, wenn die Basis verbreitert wird. Also, bei der Gewerbesteuer geht es nicht darum, sie abzuschaffen, wie Union und FDP das wollen und dann müssen die Arbeitnehmer das bezahlen, sondern eher die Basis zu verbreitern, dass nicht nur der Malermeister und der Schlachter und das kleine Handwerksunternehmen zahlen müssen, sondern eben auch die Rechtsanwälte und die Notare mit ihren Praxen. Und wenn man die Basis verbreitert, dann sind die Steuersätze auch niedriger. Es passt nur zusammen ein Konzept, das insgesamt dazu beiträgt, dass die Arbeit günstiger wird. Niedrigere Sätze gehen immer nur, wenn die Basis breit ist. Und schauen Sie mal nach Estland oder Tschechien, die werden uns ja vorgehalten, die haben natürlich niedrige Steuersätze, aber dort finden Sie die Subventionen nicht in dem Maße, wie bei uns. Die Landwirtschaft wird erheblich weniger gefördert, als bei uns, oder andere Branchen. Dann kann ich auch niedrigere Sätze haben. Aber ich kann nicht nur das eine fordern und das andere dann nicht einlösen. Und da sehe ich bei Union und FDP wirklich überhaupt keine Bereitschaft, wenn es praktisch wird.

    Lange: Trotz des Ansatzes, den Koch und Steinbrück, im vergangen Jahr war es wohl, mal gewählt haben, gemeinsam Subventionsstreichungen vorzunehmen?

    Stegner: Das war immerhin besser als nichts. Obwohl auch da von Koch und Steinbrück im Vermittlungsausschuss weniger übrig geblieben ist, als wir uns gewünscht haben, weil sich auch da zum Beispiel wieder die Union verweigert hat, Subventionen für die Landwirtschaft dann wirklich anzugehen. Es war ein Art Notbehelf und die Initiative war vernünftig. Aber eigentlich müssten wir zu einem einfachen Steuerrecht kommen, das mit diesen ganzen Subventionen auch aufhört und nicht immer nur fordert, die zwei, die es bei den Arbeitnehmern gibt, das sind die Nachtzuschläge und die Sonntagszuschläge und die Entfernungspauschale, die anzugreifen, man muss überall mit den Subventionen runter, dann kann man auch mit den Steuersätzen runter gehen. Das eine passt nur mit dem anderen. Und ich sage es noch mal, Schleswig-Holstein hat ja selbst einen Vorschlag eingebracht, wo das auch eine Grundlage ist. Und ich gehe davon aus, wenn wir erfolgreich sind damit bei unseren Wahlen, dass unser Einfluss darauf dann auch nicht nur innerhalb meiner eigenen Partei zunehmen wird danach, sondern wir auch Chancen haben, uns später damit durchzusetzen im Bundesrat.

    Lange: In den Informationen am Morgen war das Ralf Stegner, SPD-Finanzminister von Schleswig-Holstein. Schönen Dank für das Gespräch.