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Nicht ohne meinen Therapeuten

Die Deutschen gehen zum Therapeuten: Ob bei Depressionen und Ängsten, Lebens- und Sinnkrisen, ob bei Partnerschaftsproblemen oder Erziehungsfragen. Noch nie suchten so viele Menschen Hilfe beim Psychotherapeuten, Psychologen oder Coach.

Von Daniela Wiesler und Silke Kachtik |
    Jeder 3. bis 4., das zeigen Untersuchungen, hat einmal in seinem Leben eine psychische Störung oder Verhaltensstörung. Ist das alles noch "normal"?
    Was früher als verpönt galt, scheint auf den ersten Blick gesellschaftsfähig. Der Gang zum Psychotherapeuten ist für viele fast schon genauso selbstverständlich wie der Termin beim Orthopäden. Auch die Zahl der Selbstdiagnosen ist gestiegen. Liegt es daran, dass wir unsicherer geworden sind und deshalb oft den Blick nach innen richten?

    Die Gesellschaft hat sich verändert. Sie ist in ihren Entwicklungen schneller und unberechenbarer geworden und vermacht damit der Lebens- und Arbeitsrealität immer größere Unsicherheiten. Soziale Netzwerke haben sich entfremdet, Rückhalt findet der Einzelne meist nur noch in der Partnerschaft. Die Belastungen wachsen. Vor allem in der Arbeitswelt wächst der Druck zu "funktionieren". Diagnosen wie das Burn-out-Syndrom häufen sich. Berichte von Ängsten und depressiven Episoden hat fast jeder in seinem Bekanntenkreis schon einmal gehört. Solche Schilderungen schienen früher undenkbar.

    Die Offenheit, mit der in einigen Kreisen mit psychischen Auffälligkeiten umgegangen wird, ist aber nur eine Seite der Medaille. Die aktuelle Antistigma-Kampagne des Bundesgesundheitsministeriums zeigt, dass seelische Erkrankungen immer noch als Tabu gelten und zu Ausgrenzungen führen.
    Vor allem ältere Menschen sind noch in dem Sinne erzogen worden, keine Schwächen zu zeigen. Probleme haben sie vermehrt mit sich selbst ausgemacht. Gleichzeitig galten Menschen jenseits der 50 bis Mitte der 1990er-Jahre als nicht therapierbar. Die Sichtweisen haben sich verändert und die Alterspsychotherapie entpuppt sich als junge und aufstrebende Disziplin.

    Wie belastbar sind die Menschen im Jahre 2010 wirklich?

    Sind sie heute instabiler als früher?

    Was hat sich im Umgang mit seelischen Erkrankungen in den letzten 30, 40 Jahren verändert?

    Sind Therapeut & Coach nur Zeitgeist-Phänomene?

    Welchen Einfluss haben Bildung und Kultur auf die Wahrnehmung psychischer Erkrankungen?

    Inwieweit gelten Kinder heute als vermehrt psychisch auffällig?

    Darüber wollen wir in der "Lebenszeit" diskutieren, mit Experten im Studio und mit unseren Hörern, die sich wie immer kostenlos an der Sendung beteiligen können, unter 00800 44 64 44 64 oder per Mail: dlf.Lebenszeit@dradio.de

    Unsere Gäste im Studio:

    Dipl. Psychologin Uschi Gersch, Psychologische Psychotherapeutin und Coach, Köln

    Prof. Dr. Hartmut Radebold, Arzt, Psychoanalytiker und Begründer der Alterspsychotherapie, Kassel

    Prof. Dr. Hans-Georg Soeffner, Kultursoziologe und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Bonn

    Telefonisch zugeschaltet sind: Prof. Dr. Frank Jacobi, Psychologische Hochschule Berlin, und Heike Hölling, Gesundheitswissenschaftlerin am Robert-Koch-Institut, Berlin