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Nicht verhandelbar

Die Piraten-Partei in Frankfurt am Main will am Karfreitagabend gegen das hessische Feiertagsgesetz demonstrieren. Die evangelische Kirche hält nun mit einer Kampagne dagegen: Auch jene, die mit dem Kreuzestod Jesu nichts anfangen könnten, sollten die bestehende Feiertagskultur respektieren.

Volker Jung im Gespräch mit Andreas Main |
    Andreas Main: Der Karfreitag ist ein stiller Feiertag. Sollte allerdings die Sonne scheinen, dann ist es nicht so still. Zumindest nicht in Teilen Berlins, wo am Karfreitag schon mal eine mobile Party durch den Park ziehen kann. Oder in Frankfurt, wo es im vergangenen Jahr einen Flashmob gab. Da tanzten junge Leute öffentlich zu Musik, dies allerdings aus Kopfhörern.

    Das soll sich in diesem Jahr in ähnlicher Form wiederholen. Die jungen Leute wollen so gegen das Feiertagsgebot in Hessen protestieren. Ebendort, in Hessen, hält die Evangelische Kirche nun dagegen. Sie hat eine Kampagne im Internet gestartet: karfreitag.de. Hier und im öffentlichen Raum auf Plakaten ist eine durchbohrte Hand zu sehen, die den Sieg proklamiert, mit dem Victoryzeichen. Verantwortlich dafür ist Volker Jung, der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Jung!

    Volker Jung: Guten Morgen, Herr Main.

    Main: Herr Jung, genau ein Drittel der hessischen Bevölkerung gehört keiner Kirche an. Warum sollen die sich Gedanken machen über den Karfreitag?

    Jung: Der Karfreitag ist Teil unserer Feiertagskultur und insofern auch, zumindest so ist die derzeitige Rechtslage, gesellschaftlicher Konsens. Eine Feiertagskultur ist darauf angewiesen, dass sie auch von denen respektiert wird, die vielleicht die einzelnen Inhalte der Tage nicht teilen. Insofern verlange ich zunächst mal, auch von denen, die dem Karfreitag kritisch oder ablehnend gegenüber stehen, dass sie die derzeit bestehende Feiertagskultur respektieren.

    Main: Die Debatte und die Feiertagskultur, die verengt sich ja manchmal auf dieses Tanzverbot. Sie haben in einem Interview gesagt, das Tanzverbot sei für Sie keine Bekenntnisfrage. Was ist für Sie nicht verhandelbar, mit Blick auf die Feiertagsgesetze und den "Stillen Tag", den Karfreitag?

    Jung: Wir haben in Hessen eine Rechtslage, die ein Tanzverbot für jeden Sonntag vorsieht, und zwar von vier bis zwölf Uhr. Das weicht zum Teil von den Gesetzgebungen in anderen Bundesländern ab. Und ich habe gesagt, über dieses Tanzverbot an jedem Sonntag von vier bis zwölf Uhr, das auch den 50er-Jahren stammt, da kann man sicher reden. Nicht verhandelbar ist für mich, der "Stille Feiertag", der stille Karfreitag. Das ist einfach vom Thema her ein Tag, der sich dem Leiden und Sterben Jesu, aber eben nicht nur diesem, sondern auch im Prinzip der Betrachtung von Opfern widmet. Dieser Tag ist vom Thema her so, dass er eine besondere Gestaltung verdient. Und dass diese Gestaltung still ist, halte ich für durchaus angemessen. Es geht ja eben nicht nur um das Tanzverbot, es geht auch um die Frage von Sportveranstaltungen an diesem Tag. Dass ein solcher Tag Teil des Feiertagswesens, der Feiertagskultur ist, bereichert meines Erachtens auch ein Land gerade, wenn es ein stiller Tag ist.

    Main: Die Frankfurter Piratenpartei hat für morgen, Karfreitagabend, aufgerufen zu einer Demonstration unter dem Motto "Kommet und tanzet zuhauf". Die Piraten sagen wörtlich: "Keine religiöse Gemeinschaft darf dem Rest der Bevölkerung vorschreiben, wann sie tanzen darf". Sie wissen nun um die Umfrage- und Wahlerfolge der Piraten. Sollten Kirchen die Wünsche von Konfessionslosen stärker berücksichtigen oder womöglich sogar akzeptieren?

    Jung: Nein, es geht hier ja erstmal nicht um die kirchlichen Wünsche, sondern es geht einfach mal um die Frage, – und ich betone bewusst das Stichwort "Feiertagskultur" – welche Feiertagskultur wollen wir und wie kann diese Feiertagskultur dann gestaltet werden.

    Main: Nehmen wir mal als Beispiel die Vereinigten Staaten. Dort ist der Karfreitag ein Werktag. Sie werden aber nicht widersprechen wollen, dass die USA ein durch und durch religiöses Land ist, auch wenn der Staat sich zu einem christlichen Feiertag neutral verhält. Vorbild oder kein Vorbild?

    Jung: Die Frage ist dann, ist der Karfreitag überhaupt ein Feiertag oder wird er als solcher abgeschafft? Die Alternative heißt dann nicht, stiller Feiertag oder Spaß an diesem Feiertag, sondern die Alternative heißt, wollen wir diesen Tag überhaupt als Feiertag oder wollen wir an diesem Tag arbeiten? Sie haben etwa auch in Österreich diesen Karfreitag nicht als Feiertag, oder in anderen katholischen Ländern. Hier ist auch ein besonders protestantischer Akzent gesetzt. Dass dies immer wieder auch mal zur Debatte gestellt werden kann, das ist für mich keine Frage. Wir machen unsere Argumente aber stark.

    Main: Sie sagen, man kann über Feiertagskultur debattieren. Was konkret bringen die Kirchen ein – aus Ihrer Sicht?

    Jung: Eine, natürlich, lange Tradition, aber auch mit den Feiertagen, die Hinwendung zu wichtigen Themen menschlichen Lebens, für die es gut ist, wenn sie einen Platz haben in unserem Leben. Für die es gut ist, wenn wir uns Zeit dafür nehmen, das Leben an diesen Stellen zu unterbrechen. Und jeder Feiertag, jeder Sonntag ist eine Unterbrechung, um innezuhalten. So geht es am Karfreitag um die wirklich universellen Menschheitsfragen. Wie gehen wir mit Sterben, wie gehen wir mit Leiden um? Welches Verhältnis haben wir zum Tod? Gibt es eine Hoffnung, die uns auch in schwierigen Situationen hält? Genau diese Fragen werden mit dem Karfreitag angestoßen. Und darüber hinaus natürlich auch die Frage: Was ist mit den Menschen, die im Moment leiden?

    Main: Die Debatte rund um stille Tage, das Feiertagsgesetz sowie karfreitag.de, eine Kampagne der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Und ich sprach mit deren Kirchenpräsidenten: mit Volker Jung. Vielen Dank Ihnen, Herr Jung, und einen guten Karfreitag.

    Jung: Danke. Das wünsche ich Ihnen auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.