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Nicht "wertvolles Tafelsilber an Schnäppchenjäger" verkaufen

Der hessische Verkehrsminister Alois Rhiel hat sich dafür ausgesprochen, den Börsengang der Bahn wegen der internationalen Finanzkrise zu verschieben. Er habe große Zweifel, dass die angestrebten vier bis fünf Milliarden Euro derzeit wirklich am Markt erzielt werden könnten, sagte Rhiel. Er halte es für unverantwortlich, dass "die DB Holding zu Schleuderpreisen" verkauft werde, meinte der CDU-Politiker.

Alois Rhiel im Gespräch mit Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Die Verkehrsminister von Bund und Ländern kommen heute in Dessau zu ihrer Herbsttagung zusammen. Ein Thema dann die geplante Privatisierung der Deutschen Bahn AG. Doch diese Pläne stehen wo möglich in Frage. Der Grund ist die Finanzkrise und der Kursrutsch an den Börsen. Gestern hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) erstmals den für Ende des Monats angepeilten Termin für den Börsengang offiziell in Frage gestellt. - Am Telefon ist Hessens Wirtschafts- und Verkehrsminister Alois Rhiel (CDU), der - das will ich vorwegschicken - kein Freund der Bahnprivatisierung in der jetzt vorgesehenen Form ist. Guten Morgen, Herr Rhiel.

    Alois Rhiel: Guten Morgen, Herr Spengler.

    Spengler: Herr Rhiel, die Zeichnungsfrist für die zum Verkauf stehenden Bahnaktien soll am nächsten Montag starten. Ende dieser Woche müssen Banken und Bahn über den Börsengang insgesamt und die Preisspanne entscheiden, zu der die Aktien gezeichnet werden können. Abgesehen von Ihren prinzipiellen Einwänden, ist das jetzt ein guter Zeitpunkt für den Börsengang?

    Rhiel: Nein. Ich stimme da sehr überein mit dem Bundesfinanzminister Steinbrück, der eine Diskussion gestartet hat, die Privatisierung, das heißt den Börsengang jetzt nicht durchzuführen, also zu verschieben. Hier gilt das Wort "verschoben ist nicht aufgehoben", denn es gibt ernsthafte Befürchtungen, ob derzeit wirklich diejenigen, die zeichnen wollen, ausreichend Zahlungsbereitschaft haben. Das gilt sowohl für die privaten wie auch für die investitionsbezogenen Anleger.

    Spengler: Herr Rhiel, was heißt das konkret, wenn nicht ausreichend Zeichnungsbereitschaft vorhanden ist? Was bedeutet das?

    Rhiel: Die Bundesregierung hat ja klare Ziele mit der Privatisierung verfolgt und zunächst einmal das Ziel, dass auch Geld hereinkommt, Geld, das dringend gebraucht wird, um die Bahninfrastruktur - das heißt Schienen, Bahnhöfe, Weichen, Signalsysteme - auszubauen. Hier brauchen wir dringend Geld und es darf nicht sein, dass jetzt die DB Holding zu Schleuderpreisen verkauft und an den Markt gebracht wird. Ich halte es für unverantwortlich auch gegenüber dem Steuerzahler, wenn hier wertvolles Tafelsilber an Schnäppchenjäger verkauft wird. Deswegen ist der gute Rat, jetzt diese Bahnprivatisierung im Sinne des Börsengangs zu verschieben, aber nicht aufzuheben und die Chance einzuräumen, es besser zu machen als jetzt.

    Spengler: Darauf kommen wir gleich noch, was man besser machen könnte. Ich möchte es noch mal etwas klarer machen. Wieso ist diese Finanzkrise kein gutes Umfeld? Heißt das, dass weniger erlöst wird für den Bund, dass weniger Geld sozusagen reinkommt?

    Rhiel: Ich sagte ja, der Bund hat das Ziel, Geld zu erlösen. Hier stehen vier bis fünf Milliarden im Raum und ich sehe keine Chance oder nur eine sehr schlechte Chance, bis Ende Oktober, bis zum Ende der Zeichnungsfrist diese Preise wirklich am Markt zu erzielen. Die Gefahr besteht, dass Schnäppchenjäger jetzt zuschlagen und dass die DB AG zu Ramschpreisen verkauft würde, und das ist nicht im Sinne auch des Steuerzahlers.

    Spengler: Das wäre ein Verscherbeln von Volksvermögen?

    Rhiel: So kann man es sagen.

    Spengler: Warum ist das dem Bahnchef Hartmut Mehdorn egal?

    Rhiel: Ich weiß nicht, ob es ihm egal ist, denn er ist ja auf das Geld angewiesen. Bahnchef Mehdorn hat vor allem ein Ziel, und das ist, seinen Lebenstraum zu erfüllen, den Börsengang der DB AG durchzuführen. Aber das kann nicht nach dem Motto geschehen "koste es was es wolle", denn wir haben eine Verantwortung und deswegen sollte man den Börsengang auf unbestimmte Zeit verschieben.

    Spengler: Wer könnte das, wer müsste das?

    Rhiel: Das muss die Bundesregierung und der Bundestag tun. Die Bundesregierung hat es in der Hand, jetzt noch einzugreifen.

    Spengler: Nun würde Ihnen das ja ganz gut passen, weil Sie ganz grundsätzliche Bedenken gegen diese spezielle Art der Privatisierung haben, nicht gegen Privatisierungen generell, oder?

    Rhiel: Das ist richtig. Ich bin sehr für die Privatisierung, aber bei klaren Prinzipien. Unser Oberziel lautet, es muss mehr Verkehr auf die Schiene, und zwar mehr sowohl beim Gütertransport als auch bei der Personenbeförderung. Das ist das Oberziel.

    Spengler: Das wollen wir alle!

    Rhiel: Das sollte uns einigen, genau. Aber die entscheidende Frage ist wie und ich bin gegen eine Privatisierung mit Privilegien. Ich bin dafür, dass eine klare Trennung erfolgt von Netz und Betrieb. Also der Staat, der Bund muss behalten sowohl die Schiene als auch die Bahnhöfe. Sie müssen im Eigentum des Bundes bleiben. Aber wichtig ist, dass auf der Schiene, dass dabei, was befördert wird, also die Eisenbahnunternehmen, die Züge fahren, um es mal so zu beschreiben, sowohl in der Personenbeförderung als auch bei dem Gütertransport, mehr Unternehmen eine Chance haben müssen. Hier muss Wettbewerb herrschen zu Gunsten der Verkehrsteilnehmer.

    Spengler: Wenn Sie sagen "Privilegisierung", dann meinen Sie die Bahn, die Bundesbahn wird privilegisiert.

    Rhiel: Ja, klar. Das ist auch deutlich geworden bei der Bahnreform, dass es vielen in der Politik darum geht, ein Unternehmen zu stärken, die DB AG zu stärken. Das ist aber falsch. Wir wollen das oberste Ziel realisiert haben, die Stärkung des Schienenverkehrs insgesamt. Und wir haben ja an anderen Beispielen gesehen, etwa im Bereich der Telekom - sonst könnten wir jetzt nicht so preiswert telefonieren -, dass Wettbewerb den Kunden dient, sowohl in der Qualität der Güter, die angeboten werden, als auch bei dem Preis. Oder nehmen wir ein anderes Beispiel.

    Spengler: Darf ich Ihnen ein anderes Beispiel nennen. Die Privatisierung von Strom und Gas ist nicht so gut gelungen.

    Rhiel: Die Privatisierung von Strom und Gas ist deshalb nicht gut gelungen, weil der Bund zu spät dafür gesorgt hat, dass Wettbewerb in den Netzen herrscht. Das ist inzwischen möglich und Strom und Gas ist auch ein Bereich, der viel vielschichtiger ist. Hier haben wir es geschafft, auf der letzten Stufe, bei dem Verbraucher, inzwischen Wettbewerb zu ermöglichen. Hier haben wir aber noch eine Aufgabe, bei dem Erzeugermarkt das enge Oligopol zu beseitigen. Dafür haben wir ja im Bundesrat eine Initiative eingebracht. Lassen Sie mich aber ein anderes Beispiel nehmen. Schauen Sie die Autobahnen. Hier ist es ja auch so, dass das Autobahnnetz zu 100 Prozent dem Bund gehört, dass aber auf den Autobahnen auch - nehmen wir das Stichwort Speditionen - im Wettbewerb gefahren wird. Genau das muss gelingen. Wenn es insgesamt erreicht werden soll, dass mehr auf der Schiene bewegt wird, brauchen wir Wettbewerb. Wir wollen keine Privilegien für die DB AG und wir wollen, dass eine klare Trennung von Netz und Betrieb erfolgt. Das heißt Schienen, Bahnhöfe, Weichen, Signalanlagen müssen im Eigentum des Bundes bleiben und dürfen nicht wie jetzt von der DB Holding gesteuert werden.

    Spengler: Hessens Wirtschafts- und Verkehrsminister Alois Rhiel (CDU) will die Privatisierung der Bahn aufschieben, angesichts der Finanzkrise. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Rhiel.