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Niebel: SPD gräbt "dunkle Tunnel" zu den Linken

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel hat sich skeptisch über ein künftiges Regierungsbündnis mit der SPD geäußert. Das neue Führungsduo bei den Sozialdemokraten ändere nichts an der inhaltlichen Ausrichtung der Partei, sagte Niebel. Die SPD bewege sich weiterhin nach links. Dies sei aber nicht die Politik, die Deutschland brauche.

Dirk Niebel im Gespräch mit Elke Durak |
    Elke Durak: Die Bundestagswahl 2009 kann kommen - aus Sicht der FDP bekanntlich je früher desto lieber. Für jede Entscheidung des Wählers gibt es Koalitionsmöglichkeiten und auch schon Angebote, wie gehört an diesem Wochenende. Die SPD zum Beispiel wirbt um Grüne und FDP und also um eine Ampel. Jamaika ist auch möglich, Schwarz-Gelb-Grün statt einer möglichen Neuauflage der Großen Koalition. FDP und Grüne werden als Koalitionspartner gebraucht, so oder so, haben nun die Wahl, können sich teuer machen, Bedingungen stellen. Welche wären das zum Beispiel? - Dazu am Telefon FDP-Generalsekretär Dirk Niebel. Guten Morgen!

    Dirk Niebel: Guten Morgen, Frau Durak.

    Durak: Ein schönes Gefühl oder?

    Niebel: Ja. Noch schöner wäre es, wenn man endlich einen Politikwechsel für die Bürger in diesem Land herstellen könnte.

    Durak: Dann müssen Sie Neuwahlen einberufen lassen.

    Niebel: Das können wir leider nicht, aber das wäre das Vernünftigste, insbesondere wenn man sieht, wie die beiden Koalitionspartner ja miteinander umgehen. Über Symbolpolitik hinaus geht es ja wirklich in Inhalten nicht mehr und die Art des Umgangs untereinander ist ja wirklich vergleichbar mit den Szenen einer endenden Ehe.

    Durak: Mit einem von beiden müssten sie aber sozusagen, um Ihren Begriff aufzugreifen, die Hochzeit schließen. Fangen wir mal mit dem wahrscheinlich ungeliebteren, der SPD an. Was würde die SPD dennoch für Ihre Partei attraktiv machen?

    Niebel: Wissen Sie, Frau Durak, alleine Personen auszutauschen, ändert doch nichts am Inhalt und die Inhalte sind für uns das entscheidende. Sie erinnern sich vielleicht an diesen bemerkenswerten Fernsehabend mit Herrn Schröder nach der letzten Bundestagswahl und wissen, wir könnten ja eigentlich mit der SPD schon regieren, wenn es uns nicht um die Inhalte gehen würde. Aber genau das ist das, was nötig ist. Wir brauchen eine andere Politik für die Menschen in diesem Land und ich ahne mal, dass die SPD sich von der Schröder-Ära noch ein Stück weiter von uns wegbewegt hat, als das damals schon der Fall war.

    Durak: Wohin?

    Niebel: Nach links eindeutig. Man kann zwar verbal versuchen, Brücken zur FDP zu bauen. Wenn man aber gleichzeitig dunkle Tunnel gräbt zu den Linken, dann ist das inhaltlich nicht das, was wir uns vorstellen.

    Durak: Fordern Sie deshalb, dass Hessens Linkskurs Rot-Rot-Grün verboten werden sollte aus Berlin?

    Niebel: Wissen Sie, wenn Herr Steinmeier und Herr Müntefering tatsächlich Einfluss auf den Kurs ihrer Partei nehmen wollen, dann müssen sie das auch zeigen, dass sie das können. Und wenn jemand wie Frau Ypsilanti vor der Wahl den Wählern sagt, niemals nimmer mit den Linken, und hinterher sagt, ist mir völlig egal, ob die Kommunisten und Trotzkisten mich ins Amt heben, Hauptsache ich bin dabei, dann ist das nichts, was wirklich ehrlich ist. Und ich glaube, wenn jemand uns vormachen will, wie Herr Steinmeier und Herr Müntefering, dass man auf Bundesebene mit den Linken nicht zusammenarbeitet, dann muss man das erste Signal setzen. Es ist schlimm genug, dass in der Bundeshauptstadt Herr Wowereit mit den Kommunisten regiert, obwohl es eine rot-grüne Mehrheit gibt, aber eins ist völlig klar: Es gibt das deutsche Sprichwort "wer einmal lügt, dem glaubt man nicht". Das gilt natürlich auch für die Sozialdemokratie. Und keiner wird auch nur einen Hauch von Vertrauen haben in diese Führung, wenn in Hessen die Linkspartei Frau Ypsilanti ins Amt hebt, denn jeder weiß, dass die Stimmen der Linken dann auch für jede andere Wahl hinzugezogen werden.

    Durak: Das Sprichwort gilt aber für alle, auch für solche, die Steuern hinterziehen. Nicht wahr, Herr Niebel?

    Niebel: Das ist völlig richtig.

    Durak: Was Hessen betrifft, da geht es doch um das Land. Ansonsten geht es für Sie schon um Bundespolitik, nicht wahr?

    Niebel: Das ändert nichts daran, dass es auch um Glaubwürdigkeit geht. Wenn man vor der Wahl etwas anderes sagt, als man nach der Wahl macht, dann mag Herr Müntefering das seiner damaligen Aussage zufolge vielleicht unfair finden, wenn man daran erinnert wird. Ich bin der Ansicht, die Wähler haben einen Anspruch darauf, dass man vor der Wahl weiß, in welche Richtung es hinterher geht.

    Durak: Sie, die FDP, sie fordern den Rückzug von Gesine Schwan als Kandidatin für die Bundespräsidentschaft. Der Bundespräsident repräsentiert doch nur. Es geht ums Regieren!

    Niebel: Der Herr Bundespräsident Dr. Köhler ist ein anerkannt guter Bundespräsident mit außerordentlich hohen Beliebtheitswerten, der übrigens auch dann, wenn es notwendig ist, weil eine so genannte Große Koalition ja manchmal auch versucht, sich das Land zur Beute zu machen, dafür sorgt, dass unsere Verfassung eingehalten wird. Und ein hervorragend angesehener und erfolgreicher Bundespräsident soll mit den Stimmen der SPD und der Linkspartei abgewählt werden? Das kann einem keiner erklären. Das hat nichts mit Repräsentieren zu tun, sondern etwas mit einem klaren inhaltlichen Kompass.

    Durak: Wird es diesmal von der FDP wieder ein "entweder Regieren mit der Union oder Opposition" geben wie bei der letzten Bundestagswahl?

    Niebel: Ich gehe davon aus, dass die FDP mit einem Bundesparteitag vor der Wahl den Wählerinnen und Wählern deutlich macht, in welche Richtung wir gehen. Ich glaube allerdings auch, dass es klug ist, deutlich zu sagen: Wir werden verhindern, dass Herr Lafontaine Einfluss auf die Bundesregierung bekommt.

    Durak: Damit ist die Frage noch wirklich nicht beantwortet.

    Niebel: Wir werden eine Koalitionsaussage machen. Das ist meine Meinung. Das entscheidet bei uns ein Bundesparteitag, anders als in der SPD, wo in Hinterzimmern plötzlich ein Vorsitzender gekippt wird und ein Kanzlerkandidat gemacht wird und die Partei hinterhertrottelt, ist in der FDP das Parteiengesetz tatsächlich Realität. Wir haben demokratische Entscheidungen.

    Durak: Wir wollen einfach mal bei der Partei FDP bleiben, bei Ihrer Partei. Wenn es denn Jamaika in der Diskussion gibt, Schwarz-Gelb-Grün, jetzt mal darüber nachgedacht: Was für Bedingungen würden Sie an die Grünen stellen?

    Niebel: Hier gilt, Frau Durak, genau das gleiche. Unser Ziel ist klare Verhältnisse. Wir machen einen Wahlkampf für einen Politikwechsel in Deutschland, nicht für irgendwelche Hilfsziele. Zu dem Politikwechsel gehört in erster Linie eine echte Steuerstrukturreform, damit die Menschen und die Betriebe mehr vom selbst verdienten Geld übrig haben, denn die Menschen haben das Gefühl, nach drei Jahren guter Konjunktur gibt es nur einen einzigen, der was davon hatte, und das ist Vater Staat. Die Mitte in der Gesellschaft wird abgehängt. Das wollen wir verändern und das ist unsere Voraussetzung für eine neue Regierung. Deswegen werben wir bei unserem wichtigsten Koalitionspartner, den Bürgerinnen und Bürgern, dafür, so stark wie irgend möglich zu werden.

    Durak: Aber falls es nicht reicht, darüber reden wir ja die ganze Zeit. Was erwarten Sie von den Grünen?

    Niebel: Frau Durak, auch wenn Sie die ganze Zeit darüber reden, ändert das nichts daran, dass ich keine "was ist wenn"-Geschichten spiele, sondern es geht darum, den Bürgern klar zu machen: Was wollen wir? Wir, die FDP tritt vor den Wähler und wirbt darum, eine andere Politik zu gestalten. Deswegen ist der Wähler unser wichtigster Koalitionspartner und wir wollen so stark werden, dass eine Regierungsbildung ohne uns nicht möglich ist.

    Durak: Neun Prozent ist derzeit dieser Koalitionspartner stark. Was bietet sie denn, die FDP, den potenziellen Koalitionspartnern in den Parteien?

    Niebel: Wir sind bei unterschiedlichen Umfragen unterschiedlich stark. Auf jeden Fall gehe ich davon aus, dass wir noch stärker werden können, und wir bieten den Parteien, die mit uns auch eine Regierung bilden müssen - leider werden wir es ganz alleine wohl nicht schaffen beim nächsten Mal -, einen klaren inhaltlichen Kurs, einen Kompass für die Neugestaltung unseres Landes mit einer Steuerstrukturreform, dem Schwerpunkt auf Chancengerechtigkeit bei Bildung und mit einem Fokus auf den bürgerlichen Freiheitsrechten, was leider seitens Rot-Grün und Schwarz-Rot in den Hintergrund gerückt ist.

    Durak: Ich habe hoffentlich richtig zugehört, als Sie eben sagten, leider werden wir es beim nächsten Mal nicht schaffen. Gehen Sie doch von einer Dreierkoalition aus?

    Niebel: Leider werden wir es beim nächsten Mal alleine noch nicht schaffen. Das heißt ich vermute, dass die FDP nicht die absolute Mehrheit bekommt.

    Durak: Das ist gut! - Herr Niebel, mit diesem Lacher gehen wir in diesen Tag. Ich bedanke mich sehr für das Gespräch. Generalsekretär der FDP Dirk Niebel im Gespräch mit dem Deutschlandfunk.