Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Niederländische Kommunalwahlen
Gradmesser Rotterdam

Bei den Kommunalwahlen in den Niederlanden ist die Hafenstadt an der Maas so etwas wie ein Gradmesser für die politische Stimmung im Land. In vielen Vierteln dominieren die zersplitterten Lager rechts und links der Mitte. Von der Mitte selbst ist nicht viel übriggeblieben.

Von Kerstin Schweighöfer | 21.03.2018
    Blick auf die Erasmusbrücke in Rotterdam
    Blick auf die Erasmusbrücke in Rotterdam (dpa / Marco De Swart)
    Einen Steinwurf von der Rotterdamer Börse entfernt steht er auf seinem Sockel: Pim Fortuyn, der 2002 ermordete schillernde Politiker, mit dem der Aufstieg der Rechtspopulisten hinter den Deichen begann. Drei Monate vor seinem Tod hatte Pim Fortuyns Lokalpartei "Leefbaar Rotterdam" bei den Kommunalwahlen ein politisches Erdbeben verursacht. Denn die "Leefbaren" wurden 2002 aus dem Stand stärkste Partei.
    Seitdem gilt Rotterdam als Hochburg der Rechtspopulisten. Ihr Spitzenkandidat Joost Eerdmans sieht sich als Erbe von Pim Fortuyn. "Wir wandeln auf Fortuyns Spuren", sagt er vor dem Denkmal seines Vorbildes. Denn "Leefbaar Rotterdam" hat nicht nur Armut und Arbeitslosigkeit den Kampf angesagt, sondern auch der vermeintlichen "Islamisierung". So müssen Sozialhilfeempfänger Nederlands sprechen.
    Die Niederlande zuerst
    Als nächstes wolle die Partei der Monokultur der Ladenstraßen ein Ende bereiten. Zwischen muslimischen Metzgern und Telefonläden sollen sich wieder holländische Bäcker und holländische Metzger niederlassen. "Wir setzen uns für unsere Identität ein, unsere Sicherheit und Freiheit", so Joost Eerdmans. Bisher regieren die "Leefbaren" zusammen mit den liberalen D66- und den Christdemokraten.
    Ihr Gegenpol: Nida, eine neue, von Migranten gegründete Partei, die sich selbst als eine "vom Islam inspirierte Partei" sieht, die Brücken bauen will, aber umstritten ist. In einem Tweet hat die Partei den israelischen Staat mit der Terrororganisation IS verglichen.
    Polarisierung der Parteienlandschaft
    Nida ist 2014 mit zwei Sitzen ins Rathaus eingezogen. Der Gemeinderat ist bereits zersplittert: Schon jetzt teilen sich dort 12 Fraktionen 45 Sitze. Doch nun haben sowohl Nida als auch die "Leefbaren" Konkurrenz bekommen: Nida von der ebenfalls umstrittenen überregionalen Migrantenpartei Denk, die bei den Parlamentswahlen drei Abgeordnetensitze erobern konnte. Und die "Leefbaren" von Geert Wilders, der sich ebenfalls als Erbe von Pim Fortuyn sieht. Seine "Partei für die Freiheit" (PVV) hat bei den letzten Parlamentswahlen in Rotterdam jede siebte Stimme bekommen und tritt an der Maas nun erstmals bei Kommunalwahlen an.
    Die Folge: An den Rändern ist ein Gefecht um die Wähler entbrannt. Der Wahlkampf verläuft so spannend und auch so heftig wie nie zuvor: "Der böse weiße Mann gegen den bösen farbigen Mann", bringt es die bekannte Rotterdamer Kolumnistin Fidan Ekiz auf den Punkt. So werde es noch stärker, das "Wir und die anderen-Gefühl".
    Im Wahlkampf werden alle Register gezogen
    Bestes Beispiel: die blutige Botschaft, mit der Geert Wilders in den Wahlkampf gezogen ist. Gut drei Minuten lang setzt seine PVV den Islam gleich mit Gewalt, Terror und Unterwerfung, mit Juden-, Frauen-, Homosexuellen- und Christenhass. "Islam ist tödlich" heißt es am Schluss; Blut tropft von den großen roten Lettern.
    "Nach diesem Video würde sich Göbbels die Finger lecken!", höhnte Stephan van Baarle, der Rotterdamer Spitzenkandidat der Migrantenpartei Denk, worauf Maurice Meeuwissen von der PVV konterte: "Der Islam ist schlimmer als die Nazis".
    Glaubt man den Umfragen, liegt "Leefbaar Rotterdam" nach wie vor vorne. Doch die liberalen D66-Demokraten haben eine erneute Zusammenarbeit mit den "Leefbaren" ausgeschlossen. Gut möglich also, dass die Hafenstadt an der Maas in Zukunft von einer Koalition aus fünf oder sogar sechs Parteien regiert wird – rechts oder links der Mitte - einer Mitte, von der nicht viel übriggeblieben ist.