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Niederländische Sotschi-Delegation
Reise zur Putin-Show

Während Barack Obama und Angela Merkel auf einen Besuch bei den Olympischen Spielen in Sotschi verzichten, will der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte gemeinsam mit dem Königspaar nach Russland reisen. Die Kritik ist groß - in der Bevölkerung und bei der Opposition.

Von Kerstin Schweighöfer |
    Es war seine erste Pressekonferenz im neuen Jahr, gut gelaunt erschien der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte zu seinem wöchentlichen Treffen mit Journalisten. Rutte, selbst ein begeisterter Sportler, betonte, wie sehr er sich auf die Olympischen Winterspiele freue - und auf die 5.000 Meter Eisschnelllauf, die er sich gleich nach der Eröffnungsfeier anschauen wolle.
    Zusammen mit der niederländischen Ministerin für Gesundheit und Sport. Und mit dem Königspaar Willem Alexander und Maxima. Alle zusammen, so Rutte, "werden wir unsere Sportler anfeuern".
    Fast beiläufig gab er die Zusammenstellung der niederländischen Delegation für Sotschi bekannt. Um dann zum nächsten Tagesordnungspunkt überzugehen. Seitdem jedoch sind "de poppetjes aan het dansen"- die Puppen am Tanzen: Egal, ob Tagesschau, Politmagazine oder Talkshows - eine Frage steht im Zentrum: Tun die Niederlande gut daran, so viele politische Schwergewichte nach Sotschi zu schicken? In ein Land, wo Homosexuelle unterdrückt und misshandelt, unabhängige Journalisten mundtot gemacht und politische Gegner eingeschüchtert und ins Gefängnis geworfen werden?
    Falsches Signal?
    Und das auch noch im internationalen Alleingang! Außerdem: Ein niederländischer König, also das Staatsoberhaupt, hat den Spielen noch nie beigewohnt. "Wir geben ein falsches Signal ab!" schimpft Abgeordneter Sjoerd Sjoerdsma von der linksliberalen Oppositionspartei D66:
    "Es reicht völlig, wenn unsere Sportministerin zusammen mit unserem Außenminister nach Sotschi reist. Wieso müssen König und Ministerpräsident auch noch bei der großen Putin-Show mit dabei sein - während sich so viele andere Länder in Zurückhaltung üben?"
    Sogar Ruttes Koalitionspartner, die Sozialdemokraten, sind unglücklich über die Zusammenstellung der Delegation. Sie lasse sich nur schwer rechtfertigen, fand selbst Ruttes Parteigenossin, EU-Kommissarin Neelie Kroes. Auch Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International haben Bedenken geäußert. Und Umfragen zufolge ist eine Mehrheit der Wähler der Meinung, dass zumindest Premier Rutte zuhause bleiben sollte:
    "Wir sehen uns doch als Hüter der Menschenrechte!" meint dieser junge Mann aus Den Haag. "Rutte sollte den Mut haben, die Delegation zu verkleinern!"
    "Ich finde es ziemlich übertrieben, unser Aufgebot für Sotschi", sagt dieser Student. "Da steckt mehr dahinter, da geht es wahrscheinlich um ganz andere Dinge!"
    Kuhhandel um Greenpeace-Aktivisten
    Diese Auffassung vertritt auch das NRC Handelsblad: Die Tageszeitung spricht von einem Kuhhandel, um die Greenpeace-Aktivisten an Bord der Arctic Sunrise, die letztes Jahr von den Russen gefangen genommen wurden, wieder freizubekommen. Die Pressestelle der Regierung hat das alles als Spekulationen zurückgewiesen, von einem Deal, so betonte auch Rutte im Parlament, könne keine Rede sein. Nie sei ihm der Gedanke gekommen, nicht nach Sotschi zu reisen. Die Zusammenstellung der Delegation werde nicht geändert.
    Erstens, so Rutte, sei das Fernbleiben anderer Regierungschefs wie etwa das von Hollande oder Angela Merkel nichts Ungewöhnliches: Die würden der Eröffnung von Spielen traditionell nicht beiwohnen. Zweitens sei es ganz selbstverständlich, dass Willem Alexander, der 2007,damals Kronprinz und IOC-Mitglied, über den Standort Sotschi mitabgestimmt hatte, auf der Tribüne sitze - auch wenn er inzwischen König ist. Und drittens, so Rutte, sei es eine niederländische Tradition, den Dialog zu suchen:
    "Wer zuhause bleibt, macht sich zwar nicht die Finger schmutzig, bleibt aber mit leeren Händen zurück", so Rutte. "Das ist ja gerade die Stärke von uns Niederländern: das Gleichgewicht finden zwischen einerseits Politik und Handel und andererseits den Menschenrechten. Nur durch den Dialog kann man Dinge beeinflussen."
    Und genau das , so versprach Rutte den Abgeordneten, will er auch in Sotschi tun: Kontakt mit russischen Menschenrechtsorganisationen aufnehmen, Putin direkt ins Gewissen reden. Ein hehres Ziel - ob er es erreicht, bleibt abzuwarten.