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Niederlande
Alles so schön oranje hier

In manchen Springbrunnen plätschert orangefarbenes Wasser, Schafe bekommen orangefarbene Tupfer und so mancher Hausbesitzer schreckt nicht davor zurück, eine ganze Hausfassade orange anzustreichen. Alles für das "Wir"-Gefühl, das die gesamte Nation während der WM erfasst.

Von Kerstin Schweighöfer |
    Hüte, Hupen und Rasseln, Schals und Fähnchen - alles orangefarben, versteht sich. Auch der Hema, das holländischste unter den holländischen Warenhäusern, zieht alle Register:
    "Wir haben auch orangefarbenen Sekt und Kekse. Haarspray. Und falsche Wimpern", erklärt die Verkäuferin. Und natürlich in oranje.
    Der jungen Mutter gefallen die Hütchen am besten. T-Shirts und Jäckchen hat sie schon genug. Sie kann ihre Sprösslinge von Kopf bis Fuß in oranje stecken. Problemlos, lacht sie.
    Auch der Blumenladen neben der Haager Hema-Filiale ist orangefarben geschmückt, mit Fähnchen, die kreuz und quer durch den Raum gespannt wurden. Sehr beliebt seien derzeit orangefarbene Chrysanthemen. Oder das Korallenmoos mit seinen orangefarbenen Kügelchen. Und dann natürlich die superschönen Pantoffelblumen, nur einsfünfzig pro Stück.
    Farbe der Fußballelf und des Königshauses
    Oranje sei halt die Farbe der Fußballelf, erklärt die Verkäuferin - um dann schnell zu betonen: "Und natürlich die von unserem Königshaus".
    Genauer gesagt: die des Hauses von Oranien-Nassau. Und das wiederum geht auf Willem von Oranien zurück, auf einen deutschen Grafen, der einst von seinem kinderlosen Vetter in Südfrankreich das Fürstentum Orange geerbt hatte. Orange wie Oranje, erklärt der niederländische Historiker Henk te Velde, Professor an der Universität Leiden:
    "Willem von Oranien-Nassau ist der Gründervater der niederländischen Nation. Er hat uns im 17. Jahrhundert in den Unabhängigkeitskrieg gegen das katholische Spanien geführt. Er ist der Vater des Vaterlandes, der Wilhelm Tell der Niederlande."
    Nicht umsonst hat die ehemalige Königin Beatrix ihre Abdankung im letzten Jahr vor einem Portät ihres großen Vorfahren bekannt gegeben: Es hing links über ihr an der Wand und sollte demonstrieren, dass von ihr eine direkte Linie zurück ins 16. Jahrhundert zu Willem von Oranien führt. Das sei einzigartig, da könne kein anderes europäisches Königshaus mithalten, erklärt Königshausexpertin Reinildis van Dietzhuyzen.
    Auf dem Thron landeten die Oranier allerdings erst vor 200 Jahren. Älter ist die niederländische Monarchie nicht. Nach der Befreiung vom spanischen Joch, besiegelt mit dem Frieden von Münster 1648, wurden die Niederlande zunächst eine Republik - eine der ersten in Europa.
    Das Geschlecht "Oranien-Nassau" ist also viel älter als die niederländische Monarchie. Und mit ihm fühlen sich die Niederländer auch viel stärker verbunden. Denn ihm haben sie ihre Freiheit zu verdanken. Orangisten gab es bereits im 16. Jahrhundert, lange also bevor es einen Thron gab, den die Oranjes besteigen konnten. Auch das sei etwas ganz Besonderes und einzigartig in Europa, so Professor te Velde.
    Oranjefieber im ganzen Land
    Deshalb ist die Farbe Orange für die Niederländer so identitätsstiftend. Über Oranje definieren sie sich. Und sobald es darum geht, dem Rest der Welt zu beweisen, worin eine kleine Nation ganz groß sein kann, bricht das Oranjefieber aus. Vor allem beim Sport, erklärt Königshausexpertin Reinildis van Dietzhuyzen:
    "Egal, ob beim Hockey, Eisschnelllauf oder Fußball - auf den Tribünen ist sofort zu erkennen, wo die Holländer sitzen. Oranje - das sind wir! Wir sind oranje!"
    Und wenn Oranje gewinnt, dann wird gesungen.: Oranje boven – oranje oben.
    So wie der orangefarbene Wimpel, der traditionell über der rotweissblauen Nationalflagge weht. Er zeugt ebenfalls vom besonderen Status des Hauses Oranien. Und wehte schon im Unabhängigkeitskrieg auf den Schiffen der Aufständischen, wenn sie die spanischen Truppen besiegt hatten und unversehrt nach Hause zurückkehrten.
    Ob es auch am 13. Juli, am Finaltag, Grund gibt, den Wimpel zu hissen, bleibt abzuwarten. Heute Abend trifft die Oranje-Elf erst einmal auf Spanien: ausgerechnet den einstigen Erzfeind. Von ihm musste sie sich bei der letzten WM schlagen lassen. Im Endspiel.