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Niederlande
Exportschlager Kindermädchen

In den Niederlanden ausgebildete Kindermädchen sind auf der ganzen Welt tätig. Die Frauen lernen während ihrer Ausbildung nicht nur den Umgang mit Kindern aus gutem Hause, sondern auch Etikette und die richtige Kleidung, um der späteren Chefin keine Konkurrenz zu machen.

Von Kerstin Schweighöfer | 08.07.2014
    Die niederländischen Prinzessinnen Amalia, Alexia und Ariane mit einem Kindermädchen am Königstag in De Rijp.
    Manche Nannies stehen auch mal kurz im Rampenlicht, wie das Kindermädchen der niederländischen Prinzessinnen Amalia, Alexia und Ariane. (picture alliance / Dutch Photo Press / Patrick van Katwijk)
    Was ist besser - Kinder zu belohnen oder zu bestrafen? Wie lässt ihr Verhalten beeinflussen? Was mache ich, wenn die Kinder nicht ins Bett wollen? Wenn sie sich weigern, Gemüse zu essen? Aufmerksam hören die zukünftigen Nannies zu und versuchen dann, die Fragen ihrer Lehrerin, einer Kinderpsychologin, zu beantworten. Vier Stunden dauert ihr Erziehungstraining. Gleich lernen die jungen Frauen, wie sie sich am besten kleiden sollten. Und dann steht bis in den Abend hinein ein Etikette-Kurs auf dem Programm, erklärt Ingrid Kolk, eine der beiden Leiterin von "Görtz + Crown", einer Schule und Vermittlungsagentur für Kindermädchen im holländischen Leiden:
    "Nannies gab es bis vor Kurzem hauptsächlich in Großbritannien, inzwischen sind sie aber auch im Rest Europas immer gefragter. Es ist ein Trend: Immer mehr Eltern entscheiden sich dafür, ihre Kinder zuhause zu behalten und von einer Nanny erziehen zu lassen anstatt sie in eine Kita oder Krippe zu geben."
    140 Nannies hat "Görtz + Crown" in den letzten sieben Jahren bereits ausgebildet – und zwar ausschließlich für gehobene Kreise. Sprich: für den europäischen Adel und erfolgreiche Unternehmer. Die Nachfrage sei weitaus höher als das Angebot, so Kolk:
    "Es gibt den Eltern einfach sehr viel Freiheit - vor allem Paaren mit einem eigenen Unternehmen. Die können nicht um sechs oder sieben Uhr zuhause sein, die sind viel unterwegs, auch am Wochenende. Da ist es gut, jemanden im Hause zu haben, der sich um die Kinder kümmert."
    Die Schulleitung würde gerne auch deutsche oder französische Nannies ausbilden. Bisher kommen die Kursteilnehmerinnen aus den Niederlanden und Belgien.
    "Ein Traumberuf," findet Hanneke Dijstelbloem. Sie hat bereits als Nanny in London gearbeitet, möchte das Fach nun aber von Grund auf lernen. "Man muss nur aufpassen, dass man sich emotional nicht zu sehr bindet", sagt die 37-Jährige.
    Mindestalter 21 Jahre
    Die Absolventinnen werden in der ganzen Welt eingesetzt: zum Beispiel in St. Moritz und Gstaad bei Schweizer Familien. Bei einer geschiedenen Anwältin in Paris. Einem deutsch-australischen Ehepaar im Schwarzwald. Oder - so wie Manon Waenink - bei einer reichen Unternehmerfamilie in Antwerpen. Die 26-jährige Niederländerin hat noch vor Abschluss ihrer Ausbildung dort angefangen:
    "Die Familie wohnt auf einem prächtigen Landgut, ich konnte dort mein eigenes kleines Haus beziehen. Ich muss mich um die beiden Söhne kümmern, zwei und vier Jahre alt sind sie."
    Manon ist 40 Stunden pro Woche im Einsatz, manchmal auch an den Wochenenden:
    "Das Ehepaar besitzt ein Ferienhaus an der Nordseeküste, beide sind begeisterte Wassersportler, ich muss immer mitfahren und dann auf die Kinder aufpassen. Aber das mache ich gerne, ich wusste ja: In diesem Job musst du flexibel sein. Und es sind sehr nette Leute, es hat sofort Klick gemacht. Ohne das geht es nicht, man wird schließlich Teil einer Familie."
    Das Gehalt einer Nanny liegt bei 2.100 Euro brutto und kann auf bis zu 4.000 Euro steigen. Grundvoraussetzungen: sehr gute Englischkenntnisse und Berufserfahrung als Erzieherin, Hebamme oder Grundschullehrerin. Das Mindestalter liegt deshalb 21 Jahren. Alles andere lernen die zukünftigen Nannies während ihrer Ausbildung. Zum Beispiel beim A-Sagen: Ein klarer Fall von Zungenpiercing. Was gar nicht geht. Das gilt auch für zu hohe Absätze und zu tiefe Dekolletés. Eine gute Nanny macht ihrer Chefin keine Konkurrenz - weder als potenzielle Geliebte noch als Mutter. Deshalb sollte der Rock immer mindestens bis zum Knie reichen, weiß der niederländische Etikette-Experte Jan Jaap van Weering:
    "Eine gute Nanny nimmt den Mantel des Hausherrn entgegen und weiß brüllende Kinder mit einem missbilligenden Blick zum Schweigen zu bringen."
    Gute Umgangsformen fallen nicht auf, schlechte hingegen schon, betont van Weering. Deshalb ist Etikette auch für ein Kindermädchen unerlässlich. Schließlich ist sie die Botschafterin der Familie.