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Nieding: Mannesmann-Prozess soll klare Richtlinien bringen

Klaus Nieding von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz hofft, dass die Neuauflage des Mannesmann-Prozesses endlich Rechtssicherheit für Aktionäre, Vorstände und Aufsichtsräte bringt. Deutlich sei, dass Aufsichtsräte Entscheidungen über Zahlungen und Abfindungen bei weitem nicht mehr so leicht fällten wie vor der Anklage.

    Bettina Klein: Der Mannesmann-Prozess geht in eine neue Runde. Klaus Nieding, von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz, Herr Nieding, was erhoffen Sie sich von der Neuauflage des Prozesses?

    Klaus Nieding: Naja, zumindest mal irgendwann ein rechtskräftiges Urteil, denn wenn wir jetzt wieder in die erste Instanz zurückgehen, dann ist das ja wie bei Monopoly -"Gehe zurück auf Los, ziehe keine 4000 Euro ein" - und hier auch gegen dieses erstinstanzliches Urteil ist dann ja noch mal der Rechtsweg grundsätzlich eröffnet, aber irgendwann steht dann am Ende einmal ein rechtskräftiges Urteil, was dann auch Sicherheit gibt in Deutschland. Sicherheit einmal den Aktionären natürlich, deren Interessen wir vertreten. Aber natürlich auch Sicherheit für Vorstände und Aufsichtsräte, was denn zulässig ist und was nicht mehr zulässig ist.

    Klein: Sicherheit für die Aktionäre in welcher Hinsicht?

    Nieding: Transparenz, Offenheit und vor allen Dingen, was ist Vorständen und Aufsichtsräten erlaubt, in welchem Umfang dürfen Sie über das ihnen anvertraute Vermögen der Aktionäre nämlich verfügen. In welchem Umfang dürfen sie hier sich entsprechende Zuwendungen zukommen lassen.

    Klein: Normalerweise Herr Nieding schützt in unserem Rechtssystem Unwissenheit ja nicht vor Strafe. Deshalb würde mich noch mal die Frage interessieren, in diesem Verfahren hat man den Angeklagten zu gute gehalten, dass sie nicht erkannt hätten, dass sie unrecht gehandelt haben. Wie konnte es sein, dass sie dann doch vor Strafe, dadurch geschützt wurden?

    Nieding: Das ist eine juristische Figur, der so genannte unvermeidbare Verbotsirrtum, der dann auf der Frage der Schuld eine Rolle spielt. Straftaten werden ja nur dann vorwerfbar, wenn zum einen mal der objektive Tatbestand verwirklicht ist, zum anderen aber auch die subjektive Seite entsprechend da ist und wenn die Angeklagten im Rahmen eines so genannten unvermeidbaren Verbotsirrtums gehandelt haben, dann hält ihnen das deutsche Strafrecht zu gute, dass die subjektive Seite hier eben nicht vorwerfbar war. Unvermeidbarer Verbotsirrtum würde in diesem Fall dann vorliegen, wenn die Angeklagten wirklich alles getan hätten, um jeglichen Zweifel auszuräumen, dass ihr Handeln unrechtmäßig ist.

    Klein: Rechnen Sie damit, dass die Angeklagten damit noch einmal durchkommen werden?

    Nieding: Naja also der Bundesgerichtshof hat ja relativ deutliche Worte gefunden in seinem Berufungsurteil gegen das erste erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Düsseldorf. Da ist von Gutsherrenart die Rede, mit der die Angeklagten hier an die Sache herangegangen seien und das ist ja schon relativ deutlich, auch im Hinblick auf die subjektive Seite der Sache. Die Herren haben möglicherweise verwechselt, dass das Geld, was sie dort ausgeben oder ihren Kollegen zukommen lassen, nicht ihr eigenes ist.

    Klein: Die BGH-Richter, die das Urteil aufgehoben haben, konnten auch nicht erkennen, dass die Zahlungen, die geleistet wurden im Interesse von Mannesmann gelegen haben. Die Anklageseite gibt sich jetzt im Moment, also beim neuen Auftrag des Prozesses betont zurückhaltend was den Auftrag angeht. Weshalb ist das so schwierig festzustellen oder nachzuweisen?

    Nieding: Zum einen ist ja, ich sage mal die Frage, ob eine gewisse Handlung eines Managers im Interesse des Unternehmens gelegen hat, relativ dehnbar. Der bloße Aktienkurs alleine sagt da relativ wenig zu aus, denn Aktienkurse steigen und fallen auch aufgrund anderer Umstände und eine gewisse Nachhaltigkeit muss ja bei dem, was im Interesse des Unternehmens liegen soll, auch da sein. Und die hat es im Fall Mannesmann so nicht gegeben. Hinzu kommt, dass die gesetzlichen Regelungen, wie etwa der Paragraph 87 des Aktiengesetztes über die Grundsätze für die Bezüge von Vorstandsmitgliedern auch unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, als in dieser Vorschrift nämlich die Rede davon ist, dass die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitgliedes und zur Lage der Gesellschaft stehen müssen. Das ist natürlich auch alles, ich sage mal ganz normal deutsch gesprochen, ein dehnbarer Begriff und das muss entsprechend ausgelegt werden. Hier brauchen wir in der Tat auch von diesem Prozess klare Richtlinien, wie in Zukunft dieser unbestimmte Rechtsbegriff auszulegen ist.

    Klein: Von Dehnbarkeit war ja jetzt ein paar mal schon in unserem Gespräch die Rede. Inwieweit ist unser Aktienrecht an der Stelle auch überprüfungswürdig, weil dort offensichtlich auch Lücken genutzt wurden?

    Nieding: Ich denke mal, man kann nicht jeden Einzelfall gesetzlich regeln. Das ist das grundsätzliche Problem, was wir haben. Wir brauchen eben von der Rechtssprechung klare Vorgaben, was ist noch angemessen und was ist nicht mehr angemessen? In welchem Fall sind nachträgliche Abfindungen zulässig oder nicht und letztlich ist es natürlich auch eine Frage der Zivilrechtlichen Ausgestaltung der Vorstandsverträge, auch in diesen Vorstandsverträgen kann man ja vorab klar festlegen, was im Falle eines Falles zu zahlen ist.

    Klein: Der Prozess hat damals bereits eine breite Debatte nach sich gezogen über Unternehmenskultur, Managementkultur. Was hat sich inzwischen in der Wirtschaft, in der Gesellschaft bereits verändert? Welche Folgen hatte dieser Prozess bis heute schon?

    Nieding: Also wir können deutlich feststellen, dass Aufsichtsräte es sich bei weitem nicht mehr so leicht machen mit entsprechenden Entscheidungen über Abfindungszahlungen, Tantiemezahlungen, Vorstandsbezügen und ähnlichem. Hier wird schon seit Beginn des Prozesses sehr, sehr viel genauer hingekuckt und das macht natürlich Hoffnung für die Zukunft. Ich denke von diesem Mannesmannprozess geht ein deutliches Zeichen in Richtung cooperate Germany aus, dass Aufsichtsräte, Vorstände sich eben doch mehr bewusst sind, dass das Vermögen über welches sie dort verfügen nicht ihre eigenes ist, sondern nur ein anvertrautes Vermögen. Das Vermögen der Aktionäre nämlich.

    Klein: Ein deutliches Zeichen geht aus sagen Sie. In welche konkreten Vereinbarungen sollte dieses Zeichen dann am Ende fließen? Also wir haben jetzt auch wieder die Diskussion darüber sollte man Managergehälter von vorneherein gesetzlich festlegen.

    Nieding: Managergehälter von vorneherein gesetzlich festzulegen halte ich dann doch für etwas überzogen. Ich meine das würde dann doch den Leuten weiter Wasser auf die Mühlen geben, die sagen, unser Staat entwickelt sich so wie so mehr und mehr in Richtung Sozialismus. Das würde ich nicht mehr einer freien Marktwirtschaft vereinbar halten. Das ist letztlich immer noch eine Frage der Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien und der Privatautonomie.

    Aber eines ist ja klar, wir brauchen eine klare Transparenz in diesen Bereichen, wir brauchen eine Offenlegung von Vorstandsgehältern und nicht nur so eine halbherzige Regelung, wie wir sie durch die neugesetzliche Regelung im Offenlegungsgesetz für Vorstandsgehälter bekommen haben. Es darf keine Opting-Out-Klausel geben. Es kann ja nicht sein, dass ein Unternehmen mit 75 Prozent der Stimmen der Hauptversammlung beschließen kann, dass wir die Vorstandsgehälter nun doch nicht offenlegen. Das alles schürt den Verdacht im Hinblick auf Mauscheleien. Das alles lässt solche Verdächtigungen überhaupt erst aufkommen.

    Da wo völlige Transparenz herrscht gibt es solche Verdächtigungen nicht und ein letztes Wort sei gestattet: Die Herren Vorstände orientieren sich ja hinsichtlich der Höhe ihrer Bezüge immer wieder gerne an den USA und führen die USA als Musterbeispiel an, dann müssen sie sich aber auch, was die Transparenz der Offenlegung ihrer Bezüge angeht, an den USA orientieren.

    Klein: Klaus Nieding war das, von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz. Ich danke Ihnen für das Gespräch.