Nicht nur Emmanuel Macrons Partei "La République en Marche" hat bei den französischen Regionalwahlen schlecht abgeschnitten, auch das rechtspopulistische Rassemblement National blieb hinter den eigenen Ansprüchen zurück: Der RN konnte keine Region für sich gewinnen. Und auch nach den Wahlen bleiben die Umfragewerte für die Parteien schlecht.
Der französische Politologe Bruno Cautrès spricht deshalb schon von einem "demokratischen Kollaps", dem Frankreich drohe. Denn schon 2022 wird ein neuer Präsident gewählt, und nach den Regionalwahlen ist jetzt der Wahlkampf eröffnet. Der Literaturwissenschaftler Jürgen Ritte sieht die politische Situation nicht ganz so dramatisch: "Man muss daran erinnern, dass die Regionalwahlen eine relativ neue Instanz sind". Es gibt sie erst seit 1986, sie sind damit ein französisches Abstraktum geblieben: "Die Regionalwahlen stehen den Leuten nicht besonders nahe".
Le Pen hat "sehr viel Kreide gefressen"
Trotzdem ist Marine Le Pen gerade beim Parteikongress mit 98 Prozent wiedergewählt worden. Ritte ist davon überzeugt, dass sich die Politikerin um Normalisierung bemüht. Sie habe "sehr viel Kreide gefressen" und "alles Mögliche versprochen": Während sie noch im letzten Wahlkampf versprochen habe, dass Frankreich Europa verlassen sollte, sage sie nun exakt das Gegenteil. Doch mit dieser Politik konnte Le Pen offensichtlich ihre Wählerschaft nicht mobilisieren.
Die Kultur hat diesen Schlingerkurs zwar öffentlich kritisiert, allerdings hätten sich prominente Intellektuelle wie Alain Finkelkraut noch nicht zu Wort gemeldet: "Ein Zeichen dafür, wie wenig die Regionalwahlen die französische Debatte betreffen."
Frankreichs Kultur ist vielleicht noch zu viel mit sich selbst beschäftigt: Durch Corona habe die französische Kultur einen Einbruch von 25 Prozent zu verkraften, weiß Jürgen Ritte. "Wenn man davon ausgeht, dass in Frankreich die Kultur 2,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts ausmacht, dann hat man eine Vorstellung davon, wie hoch die Verluste sind." Während sich der Buchhandel relativ gut halten konnte, lägen die Einbrüche bei den Theatern bei 78 Prozent. "Eine schreckliche Bilanz", resümiert Jürgen Ritte.