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"Noch einige Überraschungen vorstellbar"

Von einer desaströsen Informationspolitik spricht der Bankenexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband, Manfred Westphal, nach den Pannen mit neuen EC- und Kreditkarten. Er fürchte einen Umtausch im großen Maßstab, der der Akzeptanz von Karten nachhaltig schaden könne.

Manfred Westphal im Gespräch mit Gerd Breker | 07.01.2010
    Christoph Heinemann: Die Bundesbank hat der Kreditwirtschaft Versäumnisse im Umgang mit den massiven Schwierigkeiten bei EC- und Kreditkarten vorgeworfen. Die Branche müsste ihre Informationspolitik verbessern, sagte Vorstandsmitglied Hans Georg Fabritius dem "Handelsblatt". Zudem seien Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass ein Problem dieser Größenordnung künftig nicht mehr auftreten kann. Damit hat er vielen Kunden wohl aus der Seele gesprochen.

    Mein Kollege Gerd Breker hat darüber mit Manfred Westphal gesprochen, dem Bankenexperten der Verbraucherzentrale Bundesverband, und hat ihn gefragt, inwiefern die Panne für die Geldinstitute teuer werden könnte.

    Manfred Westphal: Weil 30 Millionen Karten betroffen sind. Gestern waren es noch 10, heute sind es 30, vielleicht sind es morgen schon 50, wer weiß das, und das kostet natürlich Geld, weil man hier grundlegende Fehler, die auf Schlampereien zurückzuführen sind, beseitigen muss und die Frage ist, ob nicht auch noch ein großer Bestand an Karten überhaupt ausgetauscht werden muss, wenn sich zeigen sollte, dass die dauerhaft in ihrer Funktionalität – zum Beispiel beim Einsatz im Ausland – beeinträchtigt sein werden - auch in Zukunft.

    Gerd Breker: Sie haben gesagt, gestern waren es 10 Millionen, heute sind es 30, möglicherweise sind es morgen 50 Millionen. Die Aufklärungsarbeit der Banken ist wieder ein Thema?

    Westphal: Die Informationspolitik der Banken ist desaströs, sie ist einfach nicht vorhanden. Ich muss als Bankkunde als Erstes einmal wissen: Ist meine eigene Karte betroffen und wenn ja, in welcher Funktionalität genau ist sie betroffen. Das sagen einem die Banken aber nicht. Viele fahren jetzt in den Winterurlaub und möglicherweise, wenn sie in die Schweiz zum Beispiel fahren, stellen sie dann nächste Woche fest, dass sie dort am Automaten kein Geld abholen können.

    Breker: Angeblich, Herr Westphal, ist das Problem ja bei den meisten deutschen Geldautomaten behoben. Stimmt das eigentlich? Ist das eine Lösung von Dauer überhaupt?

    Westphal: Ich denke, es kann keine Lösung von Dauer sein. Es ist ja jetzt einfach nur dadurch gelöst, dass man von dem sicheren Chip, der seit Anfang des Jahres benutzt wird, auf den Magnetstreifen wie in der Vergangenheit zurückgreift. Aber alle wissen, dass eigentlich nur die höhere Sicherheit des Chips in Zukunft ausschlaggebend ist, dass man nicht wieder in eine mittelalterliche Technik verfallen sollte, und von daher ist die jetzige Lösung eine nur sehr vorübergehende.

    Breker: Also wäre aus Ihrer Sicht es wesentlich sinnvoller, alle betroffenen Karten auszutauschen?

    Westphal: Man muss gucken. Im Moment sagen die Banken, sie überlegen, ob es da nicht auch andere Lösungen und Möglichkeiten gibt. Aber ich fürchte, dass alles darauf hinausläuft, dass man vielleicht doch einen Austausch in sehr großem Umfang stemmen muss.

    Breker: Schlimm ist es ja besonders für die Menschen, Sie haben es eben angedeutet, die ins Ausland fahren oder im Ausland sind. Was können die überhaupt tun?

    Westphal: Sie müssen natürlich erst einmal von ihrer Bank erfahren, ob die eigene Karte betroffen ist. Das scheint sehr leicht möglich zu sein, dass die Bank einem sagen kann, ob die Karte betroffen ist, ja oder nein. Dann können sie sich darauf einstellen. Wenn die Karte betroffen ist, dann können sie sich vielleicht vorher Reiseschecks mitnehmen, sie können einen etwas höheren Bestand an Bargeld mitnehmen, sie können auch versuchen, ob es möglich ist, im Urlaubsland dann mit Kreditkarte und Personalausweis in einer Bank an Geld zu gelangen. Es gibt da durchaus Möglichkeiten. Aber man muss sich darauf einstellen können.

    Breker: Wenn sie denn so an Bargeld gelangen, dann wird das sicherlich teuerer sein, teuerer, als wenn sie ihre Kreditkarte nutzen können.

    Westphal: Man muss gucken, welche Kosten entstehen. Wir fordern von den Banken, dass sie die durch diese Panne entstehenden und entstandenen Kosten schnell, unbürokratisch und kulant regulieren, ohne irgendwelche juristische Spitzfindigkeiten.

    Breker: Kulant klingt seltsam in dem Zusammenhang.

    Westphal: Kulant klingt insofern seltsam, als es juristisch durchaus schwierig werden kann, Forderungen zu stellen und begründet vorzubringen. Banken könnten sich alles mögliche da einfallen lassen. Aber die Akzeptanz von Karten hat ja schon im vergangenen Herbst stark gelitten und jetzt zusätzlich. Das heißt, die Banken sollten alles Erdenkliche dafür tun, dass die Akzeptanz des Einsatzes von Karten jetzt nicht noch weiter stark beeinträchtigt wird.

    Breker: Denn dies ist zweifellos ein Rückschlag für den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Supermärkte, Tankstellen und Ähnliches werden nun lieber Bargeld haben.

    Westphal: Das ist sicher so. Es kann auch dem Handel nun einiges dadurch verloren gehen an Umsatz, dass die Nutzung hier beeinträchtigt ist, selbst wenn es da so gewisse Tricks im Bereich des Handels gibt, aber trotzdem wird man auch viele Karten im Handel jetzt noch nicht wieder zu 100 Prozent einsetzen können und das kann zu Einbußen führen.

    Breker: Am kommenden Montag soll alles überall wieder funktionieren. Glauben Sie das?

    Westphal: Ich kann es mir nicht vorstellen, nachdem man in den letzten Tagen auch wirklich jeweils wechselnde Informationen bekommen hat: einmal zur Zahl der betroffenen Karten, dann auch wiederum zu der Ursache. Erst hieß es, der Chip ist defekt, dann hieß es, es sind Software-Fehler in der Programmierung der gesamten Betriebssoftware. Also es sind da noch einige Überraschungen vorstellbar.

    Heinemann: Mit Manfred Westphal, dem Bankenexperten der Verbraucherzentrale Bundesverband, sprach mein Kollege Gerd Breker.