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Noch mehr Bewerber
SPD-Auswahlverfahren für Parteivorsitz kommt in Schwung

Mit Finanzminister Olaf Scholz hat das Auswahlverfahren um den SPD-Vorsitz endlich mehr Prominenz gewonnen. Zugleich gerät das Rennen um die Parteispitze mehr und mehr zu einer Entscheidung über die Zukunft der Großen Koalition. Denn auch aus dem GroKo-kritischen linken Flügel gibt es neue Bewerber.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 17.08.2019
Drei SPD-Logos sind im Hintergrund eines Rednerpultes zu sehen.
Der SPD-Chefposten ist verwaist - um die Art und Weiseder Kandidatensuche wird gestritten (picture alliance/Wolfgang Kumm/dpa)
Noch vor Jahren galt Hannelore Kraft als "Frau, die sich nicht traut". Jetzt erbt Stephan Weil diesen Titel als "Mann, der sich nicht traut." Zwar hält sich der niedersächsische Ministerpräsident weiterhin ein Türchen offen, um doch noch für den SPD-Parteivorsitz anzutreten, aber eigentlich will er nicht. Schon die ganze Art und Weise der Kandidatensuche - vor allem die bisherige "Ausschließeritis" - schreckt ihn ab:
"Optimal ist das ganz bestimmt nicht, was wir gerade erleben. Und das führt wirklich auch zu einer spürbaren Verunsicherung in der eigenen Mitgliedschaft. Da darf man nicht drum herumreden. Am Anfang gab es ja fast nur Aussagen, wer nicht zur Verfügung steht, aber nicht umgekehrt, wer zur Verfügung steht", sagt Weil im Interview der Woche im Deutschlandfunk und fügt hinzu: "Wir dürfen uns nicht nur mit uns selbst beschäftigen."
Mehr Schwung im Verfahren
In dieser Situation empfinden viele die Bereitschaft von Olaf Scholz, doch noch anzutreten, als Befreiungsschlag. Im Willy-Brandt-Haus keimt ein zartes Pflänzchen der Hoffnung, dass der Finanzminister und Vize-Kanzler mit seiner Kandidatur endlich den erwünschten Schwung und ein bisschen mehr Prominenz in das Auswahlverfahren bringt. Scholz selbst meidet die Mikrofone seit gestern, aber heute Nachmittag können ihn die Bürger selbst nach seiner SPD und seiner Arbeit fragen, beim Tag der Offenen Tür im Bundesfinanzministerium.
"Sorgen muss sich keiner machen", erwiderte am Freitag Regierungssprecher Steffen Seibert auf die Frage, ob das für den Finanzminister künftig zu schaffen ist, sich um den Staatshaushalt und die SPD zu kümmern. Wegen dieser Sorge hatte Scholz noch Anfang Juni erklärt, nicht neuer SPD-Chef werden zu wollen.
Große Trauer löste das an der Basis nicht gerade aus, denn viele dort halten Olaf Scholz weiterhin für zu emotionslos um die Herzen der Genossen zu erobern und die SPD wieder nach vorn zu bringen. Eines aber hat Olaf Scholz immerhin erkannt: "Ein großes Thema unserer Zeit, und zwar völlig zu Recht, ist die Frage, wie wir dem menschengemachten Klimawandel begegnen."
Noch vergangenes Jahr war Scholz seiner Parteifreundin, Bundesumweltministerin Svenja Schulze, beim Thema CO2-Preis offen in den Rücken gefallen. Inzwischen hat jedoch auch die Parteispitze die Dringlichkeit der Klimapolitik erkannt: "Unbestritten ein Thema, wo die Bundespolitik Defizite hat. Und nach meiner Auffassung ist das so etwas wie die Nagelprobe für eine zweite Halbzeit der Großen Koalition: Gelingt es, eine überzeugende Klimaschutzpolitik zu formulieren", so feuert Stephan Weil aus Hannover eine weitere Breitseite in Richtung Berlin ab. Für ihn hängt alles miteinander zusammen.
Linker Flügel meldet sich zu Wort
Das Rennen um den SPD-Vorsitz ist zugleich eine Entscheidung für oder gegen den Verbleib in der so genannten Großen Koalition. Weil und Scholz gelten als klare Befürworter, ebenso Boris Pistorius, Innenminister in Niedersachsen. Auch er kandidiert nun - gemeinsam mit der sächsischen Integrationsministerin Petra Köpping - für den Chefposten bei den Sozialdemokraten. Schon zuvor hatte er damit geliebäugelt und erklärt: "Wenn es die einzigen Bewerber blieben, dann würde ich es mir auch überlegen. Der Satz steht so: Dann würde ich es mir auch überlegen!" Vor allem Pistorius gilt als profilierter Innenpolitiker, der gegen Kriminelle und Rechtsextremisten geltendes Recht schärfer durchsetzen will.
Aus dem linken Flügel der SPD meldete sich am Morgen das Kandidatenduo Simone Lange und Alexander Ahrens zu Wort; die eine Bürgermeisterin in Flensburg, der andere in Bautzen. Beide erklärten in Leipzig, sie wollten für den Ausstieg aus der GroKo kämpfen sowie für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Auch die innerparteiliche Konkurrenz bekam ihr Fett weg: Simone Lange sagte laut Twitter-Meldung der Freien Presse zur Kandidatur von Olaf Scholz: "Es macht mich zornig, dass er den Eindruck erweckt, er müsse sich opfern. Die Partei braucht keine Opfer."